Predigt über Jesaja 60, 1-6 von Wolfgang Ebel
60,1
Liebe Gemeinde !
Nichts bleibt wie es seine unumstößliche Geltung zu haben scheint. Die Wirklichkeit der Welt wird ein Schein gewesen sein, wenn Gottes Wirklichkeit erscheint. Zu Gott hin sollen sich auf den Weg machen, die auf Sein Kommen warten. Ihr müsset ihm entgegen gehen. Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen klingt hier an. Die einen haben genug Öl für ihre Lampen mitgebracht. So können sie dem Bräutigam entgegen gehen. Die anderen müssen noch zum Laden, um Ersatz zu beschaffen und verpassen so den Eintritt zur Hochzeit.
Die Rückkehr aus Verbannung wird prophezeit. Geschichtliche Erfahrungen des Volkes Israel werden zu Erfahrungen mit Gottes Handeln. Gott handelt durch die Geschichte. Durch die Erscheinungen menschlicher Geschichte scheint seine neue Wirklichkeit hindurch.
Wir feiern heute an einem Sonntag das Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar. Die Magier aus dem Land der aufgehenden Sonne kommen, um das Kind Gottes anzubeten. Sie haben seinen Stern gesehen und sind ihm gefolgt. Sie bringen ihre Gaben – wie die Völker sie bringen in der Vision des Profeten. Einem Herrscher sind Steuern zu zahlen und ist Tribut zu zollen. Warenströme werden organisiert. Geldströme fließen in die Zentren des Finanzkapitals. So ist das heute. Heute geht es weniger um Großkönige und ihre Vasallen und Satrapen. Heute fließen Lebenskräfte – auch in Gestalt von Geld – in Konsum und Prestige, in Erlebniswelten und Traumreisen.
Der Perserkönig, der die Oberherrschaft der Babylonier ablöst, um das Jahr 539 v. Chr., sendet seine Reichsverwalter aus, um die Schätze des Meeres, um kostbare Kamele und Schafe, Edelmetalle, Duftstoffe und Gewürze in das Zentrum seiner Macht, nach Persepolis zu leiten. Im Zuge dieser Ökonomie königlicher Interessen kann auch der Tempel in Jerusalem – vielleicht sogar mit persischem Finanzkapital – wieder aufgebaut und mit der Rückgabe der kostbaren Tempelgeräte (aus dem Beutegut der Baylonier) eingerichtet und geweiht werden. So geht es zu in der Welt. Das wissen alle, die es erfahren haben. Der Profet sieht etwas unerhört Neues. Der König über alle Könige, die über Völker und Stämme herrschen, der eine und einzige und unsichtbare Gott, der über alle Götter mit ihren Bildern herrscht, kommt, um sich auf dem Zionsberg in Jerusalem niederzulassen. Er wird eine ungeheure Anziehungskraft haben. Wie durch einen Magnetismus, werden die Völker sich aufmachen zur Wallfahrt in dieses Heiligtum aller Heiligtümer. So werden die Warenströme umgeleitet, neu ausgerichtet. So erfüllt göttliche Ökonomie den Raum für alle Menschen.
Der Evangelist Matthäus kennt seine Bibel gut. Die Magier, die Sterndeuter aus dem Osten, haben am Firmament etwas gesehen. Vielleicht haben sie etwas gehört von dem „Stern aus Jakob“. Sie tun ihre Schätze auf. Sie repräsentieren die Gottesfurcht der Heiden und der des tieferen Wissens.Sie wenden durch göttliche Traumleitung die Gefahr noch einmal ab von dem Kind, das in Bethlehem geboren worden ist. Und Matthäus weiß aus den Schriften: Der unsichtbare Gott und sein Wort haben in diesem Kind jetzt sichtbare Gestalt angenommen.
Erscheinung des Herrn  - heißt dieses Fest heute. Es gab immer eine Konkurrenz zwischen westlicher und östlicher Kirche: Wann die Geburt des Heilandes zu feiern sei. In Griechenland, Bulgarien, Russland, bei den orthodoxen Christen, ist heute richtiges Weihnachten.
Werde hell, denn dein Licht kommt. Epiphanie, Erleuchtung, kommt meist unerwartet. Manchmal erfasst sie unmerklich menschliche Leiber. Ein Licht kann einem aufgehen: im Traum, im Wald, auch unterm Sternenzelt, natürlich auch in der Kirche. Die Ideologie der antiken Großkönige ist Geschichte geworden. Die Ökonomie des einen und einzigen Gottes ist in ihrer umwandelnden, ja umstürzenden Kraft in aller Wirtschaftsgeschichte von uns Menschen enthalten. Sie ist verborgen und subversiv. Sie macht aus Ausbeutern Menschen, die sich um Menschen kümmern. Sie lässt selten Reiche, aber oft Arme Armen helfen. Sie lebt in dem Glauben, dass alle Lebensenergien der einen Energie Gottes zufließen sollen. Sie lässt uns – wenn unser Herz beben und sich öffnen wird – alle Faktizitäten und scheinbaren Wirklichkeiten durch – schauen. Dann erscheint uns das Licht Gottes, das Kind von Bethlehem. Es wird uns heilen. Es erlöst. Hält. Trägt. Alle Welt.
Amen.
Anmerkungen:
Die Predigt wird in Grundzügen in einem Universitätsklinikum gehalten.
Für Inspirationen danke ich:
Rüdiger Lux in GPM 67, Heft 1, Göttingen 2012
Manfred Josuttis, Erleuchte uns mit deinem Licht. Gedanken und Gebete zu den Gottesdiensten des Kirchenjahres, Gütersloh 2009
Perikope
06.01.2013
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