Predigt über Johannes 1, 19-23 von Stefan Henrich
1,19
Liebe Gemeinde,
welche Figuren haben Sie vor Augen, wenn sie an Advent und Weihnachten denken?
  Maria und Joseph kommen ganz schnell in den Sinn, der Ochs und der Esel, Engel und die heiligen drei Könige, Hirten und natürlich das Kind in der Krippe, dazu dann die Typen, die im Laufe der Zeiten dem Weihnachtsfest zugewachsen sind. Nikolaus und Knecht Ruprecht, der Weihnachtsmann, Rudolph das Rentier, Zwerge und Wichtel, Schneemänner und Marzipanschweine.
  Folklore mischt sich mit den Urbildern der Religion, über allem aber liegt eine ungeheure Zeit der Erwartung, der Vorfreude und Sehnsucht nach Besinnung und Erfüllung, nach Frieden und mutmachendem Frohsinn.
  Eine Figur taucht in der Regel außerhalb unserer Kirchen in unserer Vorweihnachtswelt nicht auf. Einer, der dabei doch ganz zentral in den biblischen Kontext um Jesus dazugehört. Ich meine Johannes den Täufer, von dem wir eben im Predigttext und im Evangelium (Lukas 1,39-56) gehört haben.
  Erste Notiz von Johannes hören wir, als Maria mit Jesus schwanger war. Da lief sie über die Berge zu ihrer Verwandten Elisabeth, die war schon recht was älter und war doch noch schwanger geworden . Dem alten Vater Zacharias hatte es darüber die Sprache verschlagen. Wunder Gottes der schönsten Art war das gewesen, dass die beiden Alten mit Lust und Liebe Leben zur Welt bringen sollten.
  Als Maria und Elisabeth sich treffen mit rundem Bauch und guter Hoffnung, da hüpft das Kinde im Leibe Elisabeths vor Freude, ist noch nicht da und schon begeistert von dem, der da kommt.
Später da wird Johannes ganz anders auftauchen. In der Wüste spricht Gott zu ihm und Johannes geht runter an den Jordan, dort am Fluss ruft er die Leute zu sich, dass sie sich taufen lassen sollen und dann weist er hin mit Worten aus dem Propheten Jesaja auf den Heiland, auf den Retter und Erlöser: Bereitet dem Herrn den Weg und macht seine Steige eben. Alles unebene soll eben werden, die Berge der Lasten sollen zu Tälern der Lust werden. Das krumme wird gerade gebogen und alle Menschen sollen den Heiland  Gottes sehen. (vgl. Lukas 3)
  Soweit so schön. Eigentlich hätte Johannes mit diesen Worten einen Ehrenplatz auf unseren Weihnachtspostkarten verdient und er müsste zu sehen sein hinter Adventskalendertüren und vielleicht schon am Rande stehen bei unseren Krippendarstellungen: Ein bisschen weiter weg der ältere Cousin Jesu in seinem Kinderbett, das wäre doch was! Er müsste vorkommen in Weihnachtsliedern und Gedichten, in Geschichten und auf dem Weihnachtsmarkt.
  Und doch: Fehlanzeige fast überall.
  Einer wie  Johannes der Täufer passt nicht so richtig in unsere Adventsfigurenwelt hinein.
  Woran liegt es, dass fast nur wir hinter den dicken Mauern unserer Kirchen an ihn erinnern als Wegbereiter zum Fest, als vorlaufenden Boten Jesu? Seine Botschaft ist vermutlich der Grund dafür, weil sie eben nicht stehen bleibt bei der Ankündigung des Heilandes, sondern weil sie vielmehr auch scharf mit den Menschen ins Gericht geht.
  Wer die Bibel liest, hört wie Johannes auch schimpfen kann, wie er mit heiligem Zorn sich aufregen kann über die falsche Sicherheit der Leute, wie er giftet und wettert gegen übles Gerede und Getue.
  Ihr Schlangenbrut, ihr Otterngezücht, seid nicht sicher, dass ihr dem zukünftigen Zorn Gottes entrinnen werdet. Wenn ihr euch taufen lasst, dann muss man das auch merken an euren Taten.
Ihr könnt nicht sagen, so jetzt waren wir im Wasser, da ist alles Böse abgewaschen von mir und jetzt klau ich halt kräftig weiter, jetzt verhau ich meine Frau und über den Nachbarn verbreite ich üble Nachrichten. Das geht nicht.
  Die Axt ist den Bäumen schon an die Wurzel gelegt, jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. (vgl. Lukas 3,1-14)
  Wer hört solche Sachen schon gern, das ist ja Publikumsbeschimpfung! Stellen Sie sich mal vor, sie kommen festlich gestimmt zum Gottesdienst und hören so was. Dazu dann die äußeren Dinge, alleine wie Johannes auftrat und was er aß: Heuschrecken und wilden Honig und einen Mantel aus Kamelhaaren hatte er an, so eine Mischung aus Reiner Langhans und Mahahtma Gandhi, religiöser Asket, Hippie und Bürgerschreck, das war er wohl gewesen zu seiner Zeit und dem setzen manche sich heute schwer nur aus.
  Zwischen Faszination, Widerstand und Ablehnung verläuft die Erinnerung an ihn, diese Mischung taugt nicht zur Folklorebildung und Adventskalenderdarstellung. Man wundert sich meist, dass sein Name bis heute in unzähligen Variationen beliebt geblieben ist, Hans und Hannes, Joe und Johann, und auch bei der Johanniter Unfallhilfe steht der Täufer namensgebend mit im Hintergrund.
  Es wundert schon, dass die Leute zu Johannes gerannt sind in Scharen, sie müssen sich ja doch erkannt haben in dem was er geißelt: Löst euch von eurem bösen Lebenswandel, lebt anders, besser, beherzigt die Gebote Gottes.
  Fast rührend die Frage der Menge: Was sollen wir denn tun,  und darauf die Antwort, ganz klar und praktisch, handlungsorientiert: Wenn du was zu essen hast und neben dir ist einer, der hat nichts, dann gib ihm was ab. Hast du zwei Hemden und einer hat keines, eines kannst du verschenken. Die Zöllner, die sollen nicht mehr betrügen, die Soldaten sollen niemandem Gewalt antun, kein Unrecht keine Maßlosigkeit, kein Geiz.
Die Konkretheit der Forderungen setzt Maßstäbe für uns. Was würde Johannes heute sagen? Vielleicht dass wir weniger allgemein über Werteverlust und Orientierungslosigkeit reden, dafür mehr aber geben sollen an Spenden für „Brot für Welt“ oder Greenpeace. Weniger sollen wir sagen, was sind wir alle ungebildet, dafür aber mehr einander vorlesen und den Fernseher ruhig auch mal dunkel lassen. Öfter die Autos stehen lassen und mehr im Wald spazieren gehen. Und die Fußballer in der Bundesliga brauchen nicht so viel Gehalt und die Schweiz ist ein schönes Land, aber Steuern zahl mal lieber hier. Die Fremden sollen sich integrieren, ist das eine und einfach zu sagen, aber sich mit ihnen zu unterhalten und dafür zu sorgen, dass Geld da ist für Sprachkurse, Schulen und Kindergärten das andere.
  Johannes eckte an damals, und heute wäre das nicht anders, weil er genau den Finger in die Wunde des sozialen Gewissens legte und dabei denn doch auf den hinwies, der größer war als er selbst, der Heiland würde ja kommen und alles richten.
  Der Heiland, er kommt, er kommt zu Johannes, allerdings ohne Moral und ohne dass er schlechtes Gewissen erzeugt.
  Unvergleichlich schöne Szene als Jesus begehrt von Johannes getauft zu werden: Als das geschieht, öffnet sich der Himmel und eine Stimme ist zu hören: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ (Markus 1,11)
  Heiliger Geist legt sich in Jesus hinein, und eine Taube flattert vom Himmel und Jesus ist mit einmal begabt zu predigen und zu heilen, zu den Menschen zu gehen und ihnen die Nähe Gottes anzukündigen. Auch Jesus wird sagen: Tut Buße, kehrt um, aber dann fährt er doch anders fort. Er droht nicht, dass die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt ist, sondern vielmehr sagt er einladend werbend: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. (Matthäus 4,17 parr.)
Johannes und Jesus sind sich ähnlich in ihrer Botschaft und doch auch wieder nicht. Wenn ich bei Johannes von heiligem Zorn sprach , dann würde ich bei  Jesu von eifernder Liebe sprechen. Heilig einladend bringt Jesus die Liebe Gottes so nah, dass wir uns darunter verändern, entflammen und begeistern lassen.
Wie ich das meine, ist gut an dem Zöllner namens Zachäus zu sehen. Johannes hätte ihm gesagt, „Betrüge die Leute nicht mehr, ich drohe dir mit dem Zorn Gottes“.
  Jesus sieht Zachäus, wie die Leute ihn schneiden und nicht durchlassen, und keine eine Vorbedingung macht Jesus, sondern sagt: „Bei dir will ich einkehren, dein Gast will ich sein“,  und darüber entsteht Freude bei dem Zöllner und vielleicht ist es das erste mal, dass der kleine mann sich wert geachtet fühlt. (vgl. Lukas 19,1-10)
  Über dieser Erfahrung ändert Zachaus sein Leben. Er tut Buße und gibt denen vielfach zurück, die er betrogen hatte. Liebe Jesu ist der Umkehrschub zum heilvollen Leben,- nicht Zorn und Drohgebärde.
  Schwer zu fassen, aber so beschreibt es dies Bibel.
  Dass Jesus auch hat zornig sein können, über die Schandtaten im Tempel etwa als das Gotteshaus zur dreckigen Räuberhöhle geworden, das steht auf einem anderen Blatt, aber auch in der Bibel.
Zurück zu Johannes. Er gehört in die Adventszeit hinein als der, welcher zuerst hinweist auf Jesus, den Erlöser. Er gehört zweitens in die Adventszeit hinein als der, der uns deutlich macht, dass soziales Gewissen und soziale Verantwortung in konkreten Taten bestehen, die jeder tun kann. Keiner von uns muss die ganze Welt retten, aber da wo wir Kenntnis haben von Not und Elend, da sollen wir auch gerne was tun zur Abwehr dessen.
Auch das ist gut zu hören einen Tag vor Heilig Abend.
  Amen
Perikope
23.12.2012
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