Predigt über Johannes 11, 46-53 von Eugen Manser
Liebe Gemeinde,
vor ein paar Wochen erinnerten Funk und Zeitungen an die Hinrichtung von Sophie und Hans Scholl vor 70 Jahren. Die älteste Schwester, Inge Aicher-Scholl, berichtet in ihrem Buch Die weiße Rose vom letzten Besuch der Eltern bei ihren Kindern:
„Meinen Eltern war es wie durch ein Wunder gelungen, ihre Kinder noch einmal zu besuchen. Eine solche Erlaubnis war sonst unmöglich zu erhalten. Zwischen 16 und 17 Uhr eilten sie zum Gefängnis. Sie wußten noch nicht, daß es endgültig die letzte Stunde ihrer Kinder war.
Zuerst wurde ihnen Hans zugeführt ..... Darauf wurde Sophie von einer Wachtmeisterin herbeigeführt. Sie trug ihre eigenen Kleider und ging sehr langsam und gelassen und sehr aufrecht.....Sie lächelte immer, als schaue sie in die Sonne...
Es war eine unbeschreibliche Lebensbejahung bis zum letzten Augenblick....
‚Nun wirst du also gar nicht mehr zur Türe hereinkommen‘, sagte die Mutter. ‚Ach, die paar Jährchen, Mutter‘, gab sie zur Antwort....Das war in diesen Tagen ihr großer Kummer gewesen, ob die Mutter den Tod gleich zweier Kinder ertragen würde. Aber nun, da sie so tapfer und gut bei ihr stand, war Sophie wie erlöst. Noch einmal sagte die Mutter, um irgendeinen Halt anzudeuten: ‚Gelt, Sophie: Jesus.‘ Ernst, fest und fast befehlend gab Sophie zurück: ‚Ja, aber du such.‘ Dann ging sie – frei, furchtlos, gelassen. Mit einem unaufhörlichen Lächeln im Gesicht.“ (zitiert aus: Ich möchte Leben haben, EVA Berlin 1979)
Fast verschwörerisch erinnert die Mutter die Tochter an ihren gemeinsamen Halt: „Gelt, Sophie: Jesus:“ Und die Tochter gibt sehr bestimmt zurück: „Ja, aber du auch.“
Beide halten sich fest an dem, der verspricht: Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er jetzt stirbt, und wer da lebt und an mich glaubt, wird in alle Ewigkeit nicht sterben.
Mit diesen Worten deutet Jesus sein letztes und gewaltigstes Zeichen: die Auferweckung des Lazarus. Johannes berichtet, welche Folgen das machtvolle Lebenszeichen der Auferweckung des Lazarus hatte:
45 Viele von den Gästen, die zu Maria gekommen waren und nun sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn. 46 Einige von ihnen aber gingen zu den Pharisäern und berichteten ihnen davon. 47 Und der Hohe Rat trat zusammen und beriet: Was soll man tun? Dieser Mann tut erstaunliche Dinge! 48 Wenn wir ihn gewähren lassen, werden sie alle auf seine Seite treten (und ihn zum König Israels ausrufen), und schließlich werden die Römer kommen, unser Land verwüsten und das Volk ausrotten (weil sie einen von Gott kommenden und also souveränen König Israels nicht dulden werden). 49 Einer von ihnen aber, Kaiphas, der in jenem Jahr das Amt des Hohenpriesters bekleidete, nahm das Wort: Ihr redet an der Sache vorbei.
50 Überlegt euch: Es ist besser für euch, daß ein einzelner Mensch an die Stelle des Volkes tritt und stirbt, als daß das ganze Volk zugrunde geht. 51 Das sagte er aber nicht aus eigener Einsicht. Er war in diesem Jahr Hoherpriester und redete, was Gott ihm eingab, ohne es zu wissen: daß nämlich in der Tat Jesus für das Volk sterben würde, 52 und nicht nur, um sein Volk zu retten, sondern auch, um die Kinder Gottes aus allen Ländern zu einem heiligen Volk zusammenzuführen.
53 Von dem Tage an berieten sie, auf welche Weise sie ihn aus dem Wege räumen könnten. (Übertragung von Jörg Zink)
Viele glauben an Jesus, weil sie seine machtvollen Zeichen sehen. Sie spüren: In diesem handelt Gott. Er ist Mensch und Gott. Wenn wir uns an ihm festmachen, sind wir schon jetzt vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.
Die Kunde von der wachsenden Anhängerschaft Jesu dringt auch zu den leitenden Geistlichen. Der Hohe Rat wird einberufen.
Die Ratsmitglieder sehen sehr deutlich die drohende Gefahr. Wenn die Anhängerschaft Jesu massenhaft wird, werden die Römer brutal dagegen vorgehen, weil sie, wie schon so oft geschehen, einen Aufruhr unter einem selbst ernannten Messias befürchten. Sie werden nicht danach fragen, ob die Bewegung geistlich oder politisch motiviert ist.
Was soll man tun?Die Ratsmitglieder sind auf eine sympathische Weise unsicher. Es fällt kein böses Wort über Jesus. Sie sehen nur mit wachsender Sorge, daß dieser Lebensbringer durch seine große Anhängerschaft zu einer Lebensbedrohung wird.
Was soll man tun?
Diese Frage wird Kaiphas gestellt, dem amtierenden Hohenpriester. Er hat die Führungskompetenz. Er hat die Verantwortung. Er hat abzuwägen und dann zu entscheiden. Er steht zwischen zwei Möglichkeiten: Jesus zu vertrauen, ihm zuzutrauen, dass er, der den Lazarus aus dem Grab holte, auch das Misstrauen der Römer überwindet oder Jesus zu opfern für die Sicherheit des Volkes.
Denn wenn die Römer die ambitionierten Auftritte Jesu als politischen Angriff missverstehen und ein Blutbad anrichten, wird man ihm, Kaiphas , die Schuld geben.
Kaiphas, der Hohepriester, hat die Situation einzuschätzen und die Folgen seines Handelns abzuschätzen nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist seines Amtes.
Und Kaiphas ist sich seiner Verantwortung bewußt. Er denkt staatsmännisch, hat das Ganze im Blick: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk als daß das ganze Volk verderbe.
Dieser Satz ist keineswegs zynisch oder religiös verwerflich. Er ist verantwortungsethisch korrekt. In einer Situation, aus der er ohne Schuld nicht herauskommt, wählt Kaiphas das kleinere Übel. Einer stirbt, damit alle anderen leben können.
Ohne es zu wissen, redet Kaiphas prophetisch. Wenn Jesus der Gesandte Gottes ist, dann wird er sich für sein Volk dahingeben; denn er ist sich dessen gewiß, dass seine Sendung den Tod überwindet.
Die Welt, in der wir Angst haben, wird er hinter sich lassen und denen einen Weg bereiten, die von seinem Geist erfüllt sind.
Man merkt dem Johannes das Erstaunen an, wenn er schreibt: Das sagte Kaiphas aber nicht aus eigener Einsicht. Er war in diesem Jahr Hoherpriester und redete, was Gott ihm eingab, ohne es zu wissen: daß nämlich in der Tat Jesus für das Volk sterben würde.
Jesus war aber nicht nur ein Bauernopfer, damals in einer politisch brenzligen Situation, ein Opfer, um die Römer zu beschwichtigen.
Seine Kreuzigung wird von Johannes und denen, die ihm glauben als Erhöhung zu Gott hin gedeutet und sein Tod als Heimgang zu Gott, dorthin, von wo er in die Welt kam.
Und wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.(12,32)
Jesus zieht nicht nach unten, er zieht nach oben.
In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen...Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.
Jesus stirbt nicht in den Tod, sondern ins Leben bei Gott. Für alle bereitet er dort die Wohnungen. Er geht nicht ins Unbekannte, sondern zurück in seine Heimat.
Man bekommt Lust, ihm zu glauben!
In dem Buch „Oskar und die Dame in Rosa“ wird geschildert, wie solcher Glaube entstehen kann. Oma Rosa, eine rosa Dame im Krankenhaus, begleitet Oskar, einen 10jährigen Jungen in seinen letzten Tagen. Als er einmal besonders erschöpft ist, schlägt sie ihm vor: „...‘Wollen wir nicht den lieben Gott besuchen?‘ ‚Ach haben sie seine Adresse rausgekriegt?‘ ‚Ich glaube, er ist in der Kapelle.‘....
Ich habe natürlich einen Riesenschreck bekommen, als ich Dich dort hängen sah, als ich dich in deinem Zustand gesehen habe, fast nackt, ganz mager an Deinem Kreuz, überall Wunden...und der Kopf, der Dir nicht mal mehr gerade auf den Schultern saß. Das hat mich an mich selbst erinnert. Ich war empört. Wär ich der liebe Gott, wie Du, ich hätte mir das nicht gefallen lassen.
‚Oma Rosa, im Ernst: Sie werden doch so einem nicht vertrauen!‘.....‘Denk nach, Oskar. Wem fühlst du dich näher? Einem Gott, der nichts fühlt, oder einem Gott der Schmerzen hat?‘ ‚Einem der Schmerzen hat, natürlich. Aber wenn ich er wäre, wenn ich der liebe Gott wäre, wenn ich so wie er alle Möglichkeiten hätte, würde ich mich um die Schmerzen drücken.‘ ‚Niemand kann sich um Schmerzen drücken. Weder Gott noch di. Weder deine Eltern noch ich.‘ ‚Gut, einverstanden. Aber wozu gibt es überhaupt Schmerzen?‘ ‚Jetzt kommen wir der Sache näher. Es gibt Schmerzen und Schmerzen. Schau dir mal sein Gesicht an. Schau mal ganz genau hin. Sieht er aus, als ob er Schmerzen hätte?‘ ‚Nee. Komisch. Er sieht nicht so aus, als ob ihm etwas weh täte.‘
‚Eben. Siehst du, Oskar, man muß zwischen zwei Arten von Schmerz unterscheiden, dem körperlichen und dem seelischen Schmerz. Den körperlichen Schmerz hat man zu ertragen. Den seelischen Schmerz hat man sich selbst ausgewählt.‘
‚Versteh ich nicht.‘
‚Wenn man dir Nägel in die Hände haut oder in die Füße, dann kannst du nicht verhindern, daß dir das weh tut. Das mußt du aushalten. Dagegen muß der Gedanke zu sterben nicht weh tun. Du weißt ja nicht, was das bedeutet. Also hängt es ganz allein von dir ab.........Die Menschen haben Angst vor dem Tod, weil sie Angst vor dem Unbekannten haben. Aber was ist eigentlich das Unbekannte? Ich würde dir empfehlen, keine Angst zu haben, Oskar, sondern Vertrauen. Schau dir mal das Gesicht von Gott da am Kreuz an: Den körperlichen Schmerz muß er ertragen, aber er empfindet keinen seelischen Schmerz, denn er hat Vertrauen. Deshalb bereiten ihm die Nägel nicht so große Schmerzen. Er sagt sich immer wieder: Ich leide zwar Schmerzen, aber das kann kein Leid sein. Siehst du! Darin liegt der Vorteil, wenn man glaubt. Das wollte ich dir zeigen.'
‚Okay, Oma Rosa, wenn ich mal Schiß kriege, werde ich mich dazu zwingen, Vertrauen zu haben.‘
Sie gab mir einen Kuß. Eigentlich war es sehr schön in dieser leeren Kirche mit Dir, lieber Gott, weil Du so friedlich ausgesehen hast.“(Eric-Emmanuel Schmitt, Oskar und die Dame in Rosa, Zürich, 2003, S.63ff).
Man bekommt Lust, ihm zu glauben!
„Gelt, Sophie: Jesus.“ hatte die Mutter zu ihrer zum Tod verurteilten Tochter gesagt. „Aber du auch!“ hat Sophie geantwortet.
Und wir auch, denn auch wir gehören zu den verstreuten Kindern Gottes, die sein Tod zusammengebracht hat.
vor ein paar Wochen erinnerten Funk und Zeitungen an die Hinrichtung von Sophie und Hans Scholl vor 70 Jahren. Die älteste Schwester, Inge Aicher-Scholl, berichtet in ihrem Buch Die weiße Rose vom letzten Besuch der Eltern bei ihren Kindern:
„Meinen Eltern war es wie durch ein Wunder gelungen, ihre Kinder noch einmal zu besuchen. Eine solche Erlaubnis war sonst unmöglich zu erhalten. Zwischen 16 und 17 Uhr eilten sie zum Gefängnis. Sie wußten noch nicht, daß es endgültig die letzte Stunde ihrer Kinder war.
Zuerst wurde ihnen Hans zugeführt ..... Darauf wurde Sophie von einer Wachtmeisterin herbeigeführt. Sie trug ihre eigenen Kleider und ging sehr langsam und gelassen und sehr aufrecht.....Sie lächelte immer, als schaue sie in die Sonne...
Es war eine unbeschreibliche Lebensbejahung bis zum letzten Augenblick....
‚Nun wirst du also gar nicht mehr zur Türe hereinkommen‘, sagte die Mutter. ‚Ach, die paar Jährchen, Mutter‘, gab sie zur Antwort....Das war in diesen Tagen ihr großer Kummer gewesen, ob die Mutter den Tod gleich zweier Kinder ertragen würde. Aber nun, da sie so tapfer und gut bei ihr stand, war Sophie wie erlöst. Noch einmal sagte die Mutter, um irgendeinen Halt anzudeuten: ‚Gelt, Sophie: Jesus.‘ Ernst, fest und fast befehlend gab Sophie zurück: ‚Ja, aber du such.‘ Dann ging sie – frei, furchtlos, gelassen. Mit einem unaufhörlichen Lächeln im Gesicht.“ (zitiert aus: Ich möchte Leben haben, EVA Berlin 1979)
Fast verschwörerisch erinnert die Mutter die Tochter an ihren gemeinsamen Halt: „Gelt, Sophie: Jesus:“ Und die Tochter gibt sehr bestimmt zurück: „Ja, aber du auch.“
Beide halten sich fest an dem, der verspricht: Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er jetzt stirbt, und wer da lebt und an mich glaubt, wird in alle Ewigkeit nicht sterben.
Mit diesen Worten deutet Jesus sein letztes und gewaltigstes Zeichen: die Auferweckung des Lazarus. Johannes berichtet, welche Folgen das machtvolle Lebenszeichen der Auferweckung des Lazarus hatte:
45 Viele von den Gästen, die zu Maria gekommen waren und nun sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn. 46 Einige von ihnen aber gingen zu den Pharisäern und berichteten ihnen davon. 47 Und der Hohe Rat trat zusammen und beriet: Was soll man tun? Dieser Mann tut erstaunliche Dinge! 48 Wenn wir ihn gewähren lassen, werden sie alle auf seine Seite treten (und ihn zum König Israels ausrufen), und schließlich werden die Römer kommen, unser Land verwüsten und das Volk ausrotten (weil sie einen von Gott kommenden und also souveränen König Israels nicht dulden werden). 49 Einer von ihnen aber, Kaiphas, der in jenem Jahr das Amt des Hohenpriesters bekleidete, nahm das Wort: Ihr redet an der Sache vorbei.
50 Überlegt euch: Es ist besser für euch, daß ein einzelner Mensch an die Stelle des Volkes tritt und stirbt, als daß das ganze Volk zugrunde geht. 51 Das sagte er aber nicht aus eigener Einsicht. Er war in diesem Jahr Hoherpriester und redete, was Gott ihm eingab, ohne es zu wissen: daß nämlich in der Tat Jesus für das Volk sterben würde, 52 und nicht nur, um sein Volk zu retten, sondern auch, um die Kinder Gottes aus allen Ländern zu einem heiligen Volk zusammenzuführen.
53 Von dem Tage an berieten sie, auf welche Weise sie ihn aus dem Wege räumen könnten. (Übertragung von Jörg Zink)
Viele glauben an Jesus, weil sie seine machtvollen Zeichen sehen. Sie spüren: In diesem handelt Gott. Er ist Mensch und Gott. Wenn wir uns an ihm festmachen, sind wir schon jetzt vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.
Die Kunde von der wachsenden Anhängerschaft Jesu dringt auch zu den leitenden Geistlichen. Der Hohe Rat wird einberufen.
Die Ratsmitglieder sehen sehr deutlich die drohende Gefahr. Wenn die Anhängerschaft Jesu massenhaft wird, werden die Römer brutal dagegen vorgehen, weil sie, wie schon so oft geschehen, einen Aufruhr unter einem selbst ernannten Messias befürchten. Sie werden nicht danach fragen, ob die Bewegung geistlich oder politisch motiviert ist.
Was soll man tun?Die Ratsmitglieder sind auf eine sympathische Weise unsicher. Es fällt kein böses Wort über Jesus. Sie sehen nur mit wachsender Sorge, daß dieser Lebensbringer durch seine große Anhängerschaft zu einer Lebensbedrohung wird.
Was soll man tun?
Diese Frage wird Kaiphas gestellt, dem amtierenden Hohenpriester. Er hat die Führungskompetenz. Er hat die Verantwortung. Er hat abzuwägen und dann zu entscheiden. Er steht zwischen zwei Möglichkeiten: Jesus zu vertrauen, ihm zuzutrauen, dass er, der den Lazarus aus dem Grab holte, auch das Misstrauen der Römer überwindet oder Jesus zu opfern für die Sicherheit des Volkes.
Denn wenn die Römer die ambitionierten Auftritte Jesu als politischen Angriff missverstehen und ein Blutbad anrichten, wird man ihm, Kaiphas , die Schuld geben.
Kaiphas, der Hohepriester, hat die Situation einzuschätzen und die Folgen seines Handelns abzuschätzen nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist seines Amtes.
Und Kaiphas ist sich seiner Verantwortung bewußt. Er denkt staatsmännisch, hat das Ganze im Blick: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk als daß das ganze Volk verderbe.
Dieser Satz ist keineswegs zynisch oder religiös verwerflich. Er ist verantwortungsethisch korrekt. In einer Situation, aus der er ohne Schuld nicht herauskommt, wählt Kaiphas das kleinere Übel. Einer stirbt, damit alle anderen leben können.
Ohne es zu wissen, redet Kaiphas prophetisch. Wenn Jesus der Gesandte Gottes ist, dann wird er sich für sein Volk dahingeben; denn er ist sich dessen gewiß, dass seine Sendung den Tod überwindet.
Die Welt, in der wir Angst haben, wird er hinter sich lassen und denen einen Weg bereiten, die von seinem Geist erfüllt sind.
Man merkt dem Johannes das Erstaunen an, wenn er schreibt: Das sagte Kaiphas aber nicht aus eigener Einsicht. Er war in diesem Jahr Hoherpriester und redete, was Gott ihm eingab, ohne es zu wissen: daß nämlich in der Tat Jesus für das Volk sterben würde.
Jesus war aber nicht nur ein Bauernopfer, damals in einer politisch brenzligen Situation, ein Opfer, um die Römer zu beschwichtigen.
Seine Kreuzigung wird von Johannes und denen, die ihm glauben als Erhöhung zu Gott hin gedeutet und sein Tod als Heimgang zu Gott, dorthin, von wo er in die Welt kam.
Und wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.(12,32)
Jesus zieht nicht nach unten, er zieht nach oben.
In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen...Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.
Jesus stirbt nicht in den Tod, sondern ins Leben bei Gott. Für alle bereitet er dort die Wohnungen. Er geht nicht ins Unbekannte, sondern zurück in seine Heimat.
Man bekommt Lust, ihm zu glauben!
In dem Buch „Oskar und die Dame in Rosa“ wird geschildert, wie solcher Glaube entstehen kann. Oma Rosa, eine rosa Dame im Krankenhaus, begleitet Oskar, einen 10jährigen Jungen in seinen letzten Tagen. Als er einmal besonders erschöpft ist, schlägt sie ihm vor: „...‘Wollen wir nicht den lieben Gott besuchen?‘ ‚Ach haben sie seine Adresse rausgekriegt?‘ ‚Ich glaube, er ist in der Kapelle.‘....
Ich habe natürlich einen Riesenschreck bekommen, als ich Dich dort hängen sah, als ich dich in deinem Zustand gesehen habe, fast nackt, ganz mager an Deinem Kreuz, überall Wunden...und der Kopf, der Dir nicht mal mehr gerade auf den Schultern saß. Das hat mich an mich selbst erinnert. Ich war empört. Wär ich der liebe Gott, wie Du, ich hätte mir das nicht gefallen lassen.
‚Oma Rosa, im Ernst: Sie werden doch so einem nicht vertrauen!‘.....‘Denk nach, Oskar. Wem fühlst du dich näher? Einem Gott, der nichts fühlt, oder einem Gott der Schmerzen hat?‘ ‚Einem der Schmerzen hat, natürlich. Aber wenn ich er wäre, wenn ich der liebe Gott wäre, wenn ich so wie er alle Möglichkeiten hätte, würde ich mich um die Schmerzen drücken.‘ ‚Niemand kann sich um Schmerzen drücken. Weder Gott noch di. Weder deine Eltern noch ich.‘ ‚Gut, einverstanden. Aber wozu gibt es überhaupt Schmerzen?‘ ‚Jetzt kommen wir der Sache näher. Es gibt Schmerzen und Schmerzen. Schau dir mal sein Gesicht an. Schau mal ganz genau hin. Sieht er aus, als ob er Schmerzen hätte?‘ ‚Nee. Komisch. Er sieht nicht so aus, als ob ihm etwas weh täte.‘
‚Eben. Siehst du, Oskar, man muß zwischen zwei Arten von Schmerz unterscheiden, dem körperlichen und dem seelischen Schmerz. Den körperlichen Schmerz hat man zu ertragen. Den seelischen Schmerz hat man sich selbst ausgewählt.‘
‚Versteh ich nicht.‘
‚Wenn man dir Nägel in die Hände haut oder in die Füße, dann kannst du nicht verhindern, daß dir das weh tut. Das mußt du aushalten. Dagegen muß der Gedanke zu sterben nicht weh tun. Du weißt ja nicht, was das bedeutet. Also hängt es ganz allein von dir ab.........Die Menschen haben Angst vor dem Tod, weil sie Angst vor dem Unbekannten haben. Aber was ist eigentlich das Unbekannte? Ich würde dir empfehlen, keine Angst zu haben, Oskar, sondern Vertrauen. Schau dir mal das Gesicht von Gott da am Kreuz an: Den körperlichen Schmerz muß er ertragen, aber er empfindet keinen seelischen Schmerz, denn er hat Vertrauen. Deshalb bereiten ihm die Nägel nicht so große Schmerzen. Er sagt sich immer wieder: Ich leide zwar Schmerzen, aber das kann kein Leid sein. Siehst du! Darin liegt der Vorteil, wenn man glaubt. Das wollte ich dir zeigen.'
‚Okay, Oma Rosa, wenn ich mal Schiß kriege, werde ich mich dazu zwingen, Vertrauen zu haben.‘
Sie gab mir einen Kuß. Eigentlich war es sehr schön in dieser leeren Kirche mit Dir, lieber Gott, weil Du so friedlich ausgesehen hast.“(Eric-Emmanuel Schmitt, Oskar und die Dame in Rosa, Zürich, 2003, S.63ff).
Man bekommt Lust, ihm zu glauben!
„Gelt, Sophie: Jesus.“ hatte die Mutter zu ihrer zum Tod verurteilten Tochter gesagt. „Aber du auch!“ hat Sophie geantwortet.
Und wir auch, denn auch wir gehören zu den verstreuten Kindern Gottes, die sein Tod zusammengebracht hat.
Perikope
Datum 17.03.2013
Reihe: 2012/2013 Reihe 5
Bibelbuch: Johannes
Kapitel / Verse: 11,46
Wochenlied: 76
Wochenspruch: Mt 20,28