Predigt über Lukas 14, 25-33 von Jörg Coburger
14,25

Predigt über Lukas 14, 25-33 von Jörg Coburger

Voller Bewunderung bin ich! Viele Gestalten aus der Geschichte der Kirche stehen mir vor Augen, die in ihrem Leben mit ganzem Ernst den Ruf in die Nachfolge mit allen Konsequenzen angenommen haben. 1913 zum Beispiel begann für Albert Schweitzer alles in Lambarene am Ogowe in Afrika. Aber auch wie viele, von denen ich gar nichts weiß, stille Personen, oft einsame Frauen und Männer, die in den Geschichtsbüchern nicht vorkommen und meist auch nicht wollten. Und wenn ich von Besuchen in Häusern komme, um zu runden Geburtstagen zu gratulieren, oft gehe ich einen Tag später, wenn wieder mehr Ruhe ist, sage ich denen, die es vielleicht noch könnten: „Bitte, das müssen sie einmal aufschreiben.“ Und gehe tief beeindruckt und beschenkt nach Hause. Mehrmals lud ich in den verschiedenen Gemeinden Menschen ein, ihr Leben vor Konfirmanden oder in einem anderen Personenkreis zu erzählen. Ja, es gab und es gibt solche Menschen, die um Jesu willen alles verloren haben, die Seinen, das Seine und sich selbst riskierten. Der Hebräerbrief nennt sie die „Wolke von Zeugen“. Und fast immer waren es eher leise, demütige Menschen, die aber eine Menge mit Vollmacht zu sagen hatten und eben das erzählten, was mir den Abschnitt überhaupt ausmacht.
  
  Dass wir mit unserem ganzen Leben, so wie wir eben täglich mit aller Kraft können,
  für den christlichen Glauben einstehen!
  
  Nicht wie Albert Schweitzer, nicht wie Dietrich Bonhoeffer, nicht wie Dorothee Sölle, nein; aber wenig besorgt um mich selbst. So, wie du eben mit Charismen begabt bist. Was bedeutet diese geharnischte Warnung, scheinbar wenig einladend und auch nicht geeignet, die aktuelle kirchliche Standardrede „vom gelingenden Leben“ an die Menschen zu bringen. Ist es das wirklich, was Jesus verspricht? Jesus macht kein niedrigschwelliges Angebot, pädagogisch vollkommen daneben, von Motivation gar nicht erst zu reden.
  Sie kann bedeutet:
  Sei nicht besorgt um dich!
  Kusche nicht!
  Bleibe kenntlich!
  
  Alles dreht sich um die Frage der Bindungen und Prioritäten.
  Wie viel Angst und Anpassungssucht macht meine Kirche gerade durch!
  Wem sind wir gehorsam? Um wessen Applaus bewerben wir uns?
  
  Warum knickt meine theologische Wissenschaft immer so schnell, wenn andere Wissenschaften ihre neuesten Ergebnisse präsentieren? comon sense oder political correctness scheint wichtiger als jedes Bekenntnis.
  
  Und Hauptsache den Hühnern geht es in der Bodenhaltung gut, dort laut zu schreien kostet nichts, aber um die 106800 Kinder, ( Stat. Jahrbuch der Bundesregierung ) die nicht leben durften, kräht kein Hahn.
  
  Wie viel Dummheit und Lächerlichkeit war in meinem eigenen Leben, als ich nach den schlimmen DDR- Erfahrung von Verhöhnung und Diskrimierung 1989 die Sehnsucht hatte, endlich einmal ausgesöhnt und in Frieden mit den Mächtigen leben zu können. Und das christliche Spielverderbertum um das 3. Gebot und die Ladenöffnungszeiten nimmt kein Ende. Wieder bin ich „auf der falschen Seite“
  
  Und noch eine Erfahrung haben wir als ganze Familie erlebt und durch gute Freunde, die schon immer im Westen lebten, nolens volens reflektiert bekamen:
  
  Wie sehr wir fasziniert ( gefangen, festgehalten ) von der neuen bunten Klitzerwelt des Westens in einem Maße uns anfingen Sorgen um unseren Wohlstand, Karrieren der Kinder, Autos, Reisen, Wohnungen, Kleidung zu machen, bis wir, auch etwas beschämt, wieder aufwachten. Was war mit uns geschehen? Jesus Christus hatte uns durch andere Menschen zurückgerufen von dem, wo wir uns von einem geistlichen und diakonischen Leben entfernt hatten, ständig besorgt um uns selbst, uns wieder auf den Kern unserer Aufgabe mit den Menschen intensiv zu konzentrieren. Wohlstand ist gefährlich. Die ernste Geschichte vom reichen Kornbauer gehört hier in diesem Zusammenhang. ( Lk. 12 ) Niemand lebt davon, dass er viel hat. Nicht Religion ist Opium, im Gegenteil, sondern Sattheit und unsere Besitzstandwahrung, denn sie ist Gier. Wir haben aber als Familie durch dieses unfreiwillige Aufwachen zehn Freunde verloren und zwanzig andere gewonnen.
  
  Offenbar ruft Jesus aus alten Bindungen heraus und in neue Bindungen hinein.
  Jesus warnt gerade gegen jede moderne Sektenstrategie vom harmlosen, netten und vor allem schnellen Einstiegen in Sekten oder billigen Tricks bei eiligen Vertragsunterzeichnungen mit Krediten oder Versicherungen etc. gegen ein übereiltes und unüberlegtes Handeln. Bei einer Sekte könnte man sagen: „Schnell herein aber schwer wieder heraus“ Bei Jesu Warnung vielleicht so: „Schwerer herein und viel leichter wieder heraus.“ Das Evangelium ist keine Schleuderware und wir handeln in der Nachfolge mit Jesus keinen Rabbatvertrag aus. Die Warnung vor übereilter Nachfolge erweist sich bei näherem Hinschauen gerade als erneuter Ruf in die Nachfolge.
  
  Da spielt meine Familie eine Rolle, meine Freunde, meine eigenen Wünsche und Ziele. Glaube kann viel kosten. Wir wollen allzu oft – ressentimentgeladen bis in den Hals –
  in spöttischer Distanz ausharren, uns bis zum Sanknimmerleinstag mir ständig alle Optionen offen haltend von der verrückten und auch verwirrten Kirche bitteschön in der dritten Person reden.
  
  Jesus will nicht ein ständig neurotisch zerstrittenes Konfliktverhalten. Weh uns, wir suchten den Streit aus eigensüchtigen Motiven. So viel Streit ist unter uns, der sich mitnichten auf die Nachfolge, sondern eher auf Neid und Konkurrenzdenken berufen kann. Aber Jesus weiß und sagt es von Vornherein, dass der Konflikt, die Polarisierung quer durch die Freundschaften, quer durch die Ehen und Familien gehen kann und gehen wird. Es wird von einer neuen Rangordnung gesprochen. Jesus ist der Herr. Der will nicht etwas von mir. Der will mich mit meinem ganzen Leben.
  
  Man könnte auch als Beispiel sagen: Ständig hat Jesus solche Dinge des Alltags wieder auf die richtigen Füße gestellt. Um es mit einem anderen Beispiel zu sagen. In der Frage der Steuern und Zinsgroschens bedeutet er konkret: Gib dem Kaiser nicht, was Gott gehört! ( Lk. 20,20ff ) Der Glaube wagt sich mitten in aller Frustration auf Gottes Wort hin hinaus: „Aber auf dein Wort.“ ( Evangelium Lk. 5 ) Und immer mehr Sätze sehe ich jetzt bei Lukas gebündelt, wo der Aufbruch und das vorher nötige Loslassenmüssen im Zusammenhang der Nachfolge stehen: „Wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut… „ ( Lk. 9) bekommt keine Ernte hin, weil die Furchen von Beginn an verdorben sind. Dahin will er uns haben, diese Art von Karriere und Erfolg war wohl gemeint: Dass wir nicht umsonst gelebt, geliebt, gehütet, geschwiegen, geschuftet haben. Die Ernte des Lebens soll nicht in Gefahr geraten. Dafür aber müssen wir Loslassen, auch wenn es wehtut. Sei nicht besorgt um dich! Kusche nicht! Bleibe kenntlich!