Die dritte Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung
31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.
32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden,
33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.
34 Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.
Die Heilung eines Blinden bei Jericho
35 Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und bettelte.
36 Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre.
37 Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei.
38 Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!
39 Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!
40 Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn:
41 Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann.
42 Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen.
43 Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.
Auf dem Stuhl am Fenster sitzt eine alte Frau. Ihre knotigen, kantigen, für diese zierliche Frau viel zu großen Hände liegen vor ihr in ihrem Schoß. Mit diesen Händen hat sie Trümmer weggeräumt. Sie hat den Schutt aus den zerstörten Städten getragen, Eisenträger aus den Trümmern geholt, hat sich die Tränen über die Schmerzen im Rücken und in der Seele aus dem staubigen Gesicht gewischt. Es war hart, sagt ihr Sohn. Die Zeit nach der Stunde null. Der Mann, kurz nach dem er zurückgekehrt war, an Entkräftung gestorben, zu sechst in der kleinen Zweizimmerwohnung. Zu viele Menschen, für zu wenig Raum. Es musste jemand gehen. Ich musste gehen, sagt ihr Sohn. Für sie war es hart, sagt er, die Zeit hat sie hart gemacht. Lange Zeit war da nichts mehr zwischen Mutter und Sohn, wenig Worte, keine Berührung, seltene Besuche. Jetzt sitzt er neben ihr am Fenster im Altersheim, seine Hand in ihrer großen alten Hand.
Später sagt der Sohn: Es mussten Jahre vergehen, bis sie das Bedürfnis nach Berührung zulassen konnte, sich öffnete für die eigene Empfindsamkeit, sich ihrer unerfüllte Sehnsucht bewusst werden konnte. Sie haben diese Frau alt werden lassen, bevor sie einen Weg der Verständigung finden durfte. Es sind, sagt er, am Ende besondere Augenblicke, für die ich dankbar bin.
Ein Bild, das mir nachgegangen ist und ich auch nach einigen Jahren nicht aus den Gedanken verloren habe. Ich habe das Empfinden mitgenommen, dass dem Geschehen von Gnade nahe sein zu dürfen, in dem zwei Menschen, über Schuld und über Versäumtes hinweg, Frieden erfahren konnten.
Unser heutiger Predigttext erzählt in zwei ganz unterschiedlichen Geschichten vom Verstehen, vom Erkennen und vom Berührtwerden. Eine davon geht so:
Am Tor vor Jerusalem sitzt ein Bettler. Wie lange mag er dort schon gesessen haben, wie viele Menschen an ihm vorbei gegangen sein, wie viele Male mag er nicht beachtet, zurück gewiesen, verschämt gewesen sein? In einem Moment erfasst er seine einzige Chance, sein Leben zu ändern und mit dem Mut des Verzweifelten lösen sich die Fesseln der Jahre und er schreit alle seine Not aus sich heraus. Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner.
Es ist der Schrei eines Menschen zu Gott, sich nahe zu zeigen, wo andere verstummen. Es ist die Bitte an den, der die Not nicht übersieht, sondern sich gnädig erweist und in den Schmerz der Verzweiflung die Saat der Hoffnung legt, dass es so etwas wie Heilung gibt. Es ist die Hoffnung, dass es so etwas wie Heil gibt auch jenseits aller Wunden.
Und Jesus öffnet sich diesem Schrei. Er lässt den Blinden zu sich führen und spricht ihn an mit Worten, die von einer Gabe zeugen, sich in die Not des Bittenden einzufühlen, und in ihm eine Kraft zu lösen, mit der er das Unmögliche zu bitten, zu hoffen wagt: sehend zu werden. Es ist diese Kraft, sagt Jesus, als das Wunder geschehen ist, die Kraft des Glaubens, die der Grund für alles weitere gewesen ist. Als sich der Blinde zu dieser Kraft hindurch ringen konnte, da war Dunkle durchdrungen von Licht.
Eine Geschichte von gestern und eine von heute, haben uns auf unterschiedliche Weise von der tief in uns Menschen gründenden Sehnsucht nach Verstehen, nach Klarheit erzählt.
Im merkwürdigen Kontrast dazu befinden sich die Jünger um Jesus, denen man zu allererst eine Nähe zum Denken und Empfinden Jesu zutrauen mag. Mit völligem Unverständnis reagieren sie, als Jesus von seinem bevorstehenden Leidensweg in seinen letzten Tagen in Jerusalem erzählt. Auch der Hinweis, dass die Schrift einen solchen Weg des Gerechten vorzeichnet, schließt im Jüngerkreis kein Verstehen auf. Sowohl die Abschnitte im Buch des Jesaja als auch die Berichte vom Propheten Jeremia erzählen Schicksale von verfolgten Propheten. Sie gehören zur Geschichte des jüdischen Volkes. Jesus stellt sich und seine Geschichte in eine Linie mit den leidenden Gerechten. Doch die Jünger können das Gesagte in keinen Zusammenhang bringen mit dem Lebensweg, den sie in den zurückliegenden Monaten vom See Genezareth her mit Jesus gegangen sind.
Der Sinn von Leiden und Sterben als eine innere Fortsetzung dieses Weges bleibt ihnen verschlossen.
In dieser Situation, in der sie noch so unmittelbar von den großen Augenblicken der Erfüllung, die von Jesus ausgehen, berührt sind, haben sie noch keine Fragen, kennen sie noch nicht den Moment, da eine sich ihnen verkehrenden Welt das Vertraute unter Füßen hinweg ziehen wird und der Zweifel sie in die blanke Not der Offenheit stellt. Erst später werden sie verstehen, erst als sie die Trauer als Schmerz körperlich spüren, als sie in anderer Weise empfindsam geworden sind, auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus, da wird ihnen ein Licht des Trostes die Dunkelheit nehmen, die sich seit der Leidensankündigung Jesu nach und nach auf ihr Verstehen legt.
Wir kehren noch einmal zurück, aus der Zeit damals in unsere Zeit heute: Viele ihrer Freunde haben nicht verstanden, warum im Jahr 2001 die Journalistin Anna Stepanowna Politkowskaja aus ihrem sicheren Zufluchtsort Österreich wieder nach Russland zurück kehrt. Ausgestattet mit einem amerikanischen Pass, hätte sie sogar ihr Leben als anerkannte, mit hohen Auszeichnungen bedachte mutige Aktivistin sorglos in den USA verbringen können. Aber sie zog es erneut dorthin, wo sie ihre Lebensaufgabe am dringlichsten sah: über die Wahrheit zu berichten. Nach Moskau, um in den wenigen verbleibenden unabhängigen Zeitungen über die Gräueltaten des russischen Militärs in Tschetschenien zu schreiben, über das Klima der Angst in einer zunehmend um sich greifenden staatlichen Repression. Am 7. Oktober 2006 wird sie in Moskau mit vier Schüssen aus einer Pistole getötet. Trotz späterer Gerichtsverfahren sind bis heute die Hintermänner dieses Mordes unbekannt.
Es ist so sinnlos, dass ihr Leben so abrupt von anderen zerstört wurde. Anna Stepanowna Politkoskaja war durchdrungen von der Aufgabe, Wahrheit ans Licht zu bringen. Sie sah auch die Gefahren dieses Weges, aber sie musste ihn wagen auf der Suche nach Klarheit in einer ihr sich aufdrängenden Dunkelheit.
Darin findet ihre Geschichte eine Berührung zu den Geschichten, die wir zuvor erzählt haben. Sie blättern vor uns Blickwinkel auf das Leben auf.
In ihnen sind auch Teile von uns wahr. Die Sehnsucht nach Wahrheit, nach Klarheit, der Mut, diesen Weg zu gehen wie auch das Versagen. Die Härte, die das Leben fordert, wie auch das Geschehen, dass sich einer erbarmt und uns Verstehen verspricht.
Die Worte Jesu erinnern uns daran. Die Aufmerksamkeit gilt dem Leben, gilt ganz und gar dem Leben. Gott ist ein Gott des Lebens. Begreifbar mit seiner Schöpfergüte in der Schönheit dieser Welt. Spürbar mit seinem Geist in der Kraft, die er zum Schaffen und Ordnen gegeben hat. Sichtbar in der Gestalt seines Sohnes, durch den er zur wahren Menschenliebe führt.
Doch sein Hinweis auf seinen Weg des Leidens erinnert uns auch daran, dass er vor anderen her den Weg des Leidens geht. Das Kreuz Jesu steht nicht nur auf Golgatha. Es steht genau da, wo Menschen Leid tragen müssen. Es steht, wo Menschen sich hingeben um der Liebe willen.
Dass wir berührt werden von der Sehnsucht nach Licht, nach Klarheit, aus sind zu erfahren, ja: ich bin gemeint, das ist Rettung.
Wenn wir uns dieser Geschichten heute erinnern, an den Mut und an die Not, spüren wir selbst dieser Sehnsucht nach Rettung nach, suchen wir die Vergewisserung, dass wir eine Sehnsucht in uns tragen. Das ist für heute genug. Der Weg, der uns gewiesen wird, den werden wir finden, aber vor allem führt uns das Vertrauen darauf, dass wir auf diesem Weg eine Stimme hören werden, die auf uns zukommt und sagt:
„Was willst du, dass ich für dich tun soll?“
Wenn wir darauf hören, wird unser Weg richtig sein.
Amen.
31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.
32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden,
33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.
34 Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.
Die Heilung eines Blinden bei Jericho
35 Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und bettelte.
36 Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre.
37 Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei.
38 Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!
39 Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!
40 Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn:
41 Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann.
42 Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen.
43 Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.
Auf dem Stuhl am Fenster sitzt eine alte Frau. Ihre knotigen, kantigen, für diese zierliche Frau viel zu großen Hände liegen vor ihr in ihrem Schoß. Mit diesen Händen hat sie Trümmer weggeräumt. Sie hat den Schutt aus den zerstörten Städten getragen, Eisenträger aus den Trümmern geholt, hat sich die Tränen über die Schmerzen im Rücken und in der Seele aus dem staubigen Gesicht gewischt. Es war hart, sagt ihr Sohn. Die Zeit nach der Stunde null. Der Mann, kurz nach dem er zurückgekehrt war, an Entkräftung gestorben, zu sechst in der kleinen Zweizimmerwohnung. Zu viele Menschen, für zu wenig Raum. Es musste jemand gehen. Ich musste gehen, sagt ihr Sohn. Für sie war es hart, sagt er, die Zeit hat sie hart gemacht. Lange Zeit war da nichts mehr zwischen Mutter und Sohn, wenig Worte, keine Berührung, seltene Besuche. Jetzt sitzt er neben ihr am Fenster im Altersheim, seine Hand in ihrer großen alten Hand.
Später sagt der Sohn: Es mussten Jahre vergehen, bis sie das Bedürfnis nach Berührung zulassen konnte, sich öffnete für die eigene Empfindsamkeit, sich ihrer unerfüllte Sehnsucht bewusst werden konnte. Sie haben diese Frau alt werden lassen, bevor sie einen Weg der Verständigung finden durfte. Es sind, sagt er, am Ende besondere Augenblicke, für die ich dankbar bin.
Ein Bild, das mir nachgegangen ist und ich auch nach einigen Jahren nicht aus den Gedanken verloren habe. Ich habe das Empfinden mitgenommen, dass dem Geschehen von Gnade nahe sein zu dürfen, in dem zwei Menschen, über Schuld und über Versäumtes hinweg, Frieden erfahren konnten.
Unser heutiger Predigttext erzählt in zwei ganz unterschiedlichen Geschichten vom Verstehen, vom Erkennen und vom Berührtwerden. Eine davon geht so:
Am Tor vor Jerusalem sitzt ein Bettler. Wie lange mag er dort schon gesessen haben, wie viele Menschen an ihm vorbei gegangen sein, wie viele Male mag er nicht beachtet, zurück gewiesen, verschämt gewesen sein? In einem Moment erfasst er seine einzige Chance, sein Leben zu ändern und mit dem Mut des Verzweifelten lösen sich die Fesseln der Jahre und er schreit alle seine Not aus sich heraus. Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner.
Es ist der Schrei eines Menschen zu Gott, sich nahe zu zeigen, wo andere verstummen. Es ist die Bitte an den, der die Not nicht übersieht, sondern sich gnädig erweist und in den Schmerz der Verzweiflung die Saat der Hoffnung legt, dass es so etwas wie Heilung gibt. Es ist die Hoffnung, dass es so etwas wie Heil gibt auch jenseits aller Wunden.
Und Jesus öffnet sich diesem Schrei. Er lässt den Blinden zu sich führen und spricht ihn an mit Worten, die von einer Gabe zeugen, sich in die Not des Bittenden einzufühlen, und in ihm eine Kraft zu lösen, mit der er das Unmögliche zu bitten, zu hoffen wagt: sehend zu werden. Es ist diese Kraft, sagt Jesus, als das Wunder geschehen ist, die Kraft des Glaubens, die der Grund für alles weitere gewesen ist. Als sich der Blinde zu dieser Kraft hindurch ringen konnte, da war Dunkle durchdrungen von Licht.
Eine Geschichte von gestern und eine von heute, haben uns auf unterschiedliche Weise von der tief in uns Menschen gründenden Sehnsucht nach Verstehen, nach Klarheit erzählt.
Im merkwürdigen Kontrast dazu befinden sich die Jünger um Jesus, denen man zu allererst eine Nähe zum Denken und Empfinden Jesu zutrauen mag. Mit völligem Unverständnis reagieren sie, als Jesus von seinem bevorstehenden Leidensweg in seinen letzten Tagen in Jerusalem erzählt. Auch der Hinweis, dass die Schrift einen solchen Weg des Gerechten vorzeichnet, schließt im Jüngerkreis kein Verstehen auf. Sowohl die Abschnitte im Buch des Jesaja als auch die Berichte vom Propheten Jeremia erzählen Schicksale von verfolgten Propheten. Sie gehören zur Geschichte des jüdischen Volkes. Jesus stellt sich und seine Geschichte in eine Linie mit den leidenden Gerechten. Doch die Jünger können das Gesagte in keinen Zusammenhang bringen mit dem Lebensweg, den sie in den zurückliegenden Monaten vom See Genezareth her mit Jesus gegangen sind.
Der Sinn von Leiden und Sterben als eine innere Fortsetzung dieses Weges bleibt ihnen verschlossen.
In dieser Situation, in der sie noch so unmittelbar von den großen Augenblicken der Erfüllung, die von Jesus ausgehen, berührt sind, haben sie noch keine Fragen, kennen sie noch nicht den Moment, da eine sich ihnen verkehrenden Welt das Vertraute unter Füßen hinweg ziehen wird und der Zweifel sie in die blanke Not der Offenheit stellt. Erst später werden sie verstehen, erst als sie die Trauer als Schmerz körperlich spüren, als sie in anderer Weise empfindsam geworden sind, auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus, da wird ihnen ein Licht des Trostes die Dunkelheit nehmen, die sich seit der Leidensankündigung Jesu nach und nach auf ihr Verstehen legt.
Wir kehren noch einmal zurück, aus der Zeit damals in unsere Zeit heute: Viele ihrer Freunde haben nicht verstanden, warum im Jahr 2001 die Journalistin Anna Stepanowna Politkowskaja aus ihrem sicheren Zufluchtsort Österreich wieder nach Russland zurück kehrt. Ausgestattet mit einem amerikanischen Pass, hätte sie sogar ihr Leben als anerkannte, mit hohen Auszeichnungen bedachte mutige Aktivistin sorglos in den USA verbringen können. Aber sie zog es erneut dorthin, wo sie ihre Lebensaufgabe am dringlichsten sah: über die Wahrheit zu berichten. Nach Moskau, um in den wenigen verbleibenden unabhängigen Zeitungen über die Gräueltaten des russischen Militärs in Tschetschenien zu schreiben, über das Klima der Angst in einer zunehmend um sich greifenden staatlichen Repression. Am 7. Oktober 2006 wird sie in Moskau mit vier Schüssen aus einer Pistole getötet. Trotz späterer Gerichtsverfahren sind bis heute die Hintermänner dieses Mordes unbekannt.
Es ist so sinnlos, dass ihr Leben so abrupt von anderen zerstört wurde. Anna Stepanowna Politkoskaja war durchdrungen von der Aufgabe, Wahrheit ans Licht zu bringen. Sie sah auch die Gefahren dieses Weges, aber sie musste ihn wagen auf der Suche nach Klarheit in einer ihr sich aufdrängenden Dunkelheit.
Darin findet ihre Geschichte eine Berührung zu den Geschichten, die wir zuvor erzählt haben. Sie blättern vor uns Blickwinkel auf das Leben auf.
In ihnen sind auch Teile von uns wahr. Die Sehnsucht nach Wahrheit, nach Klarheit, der Mut, diesen Weg zu gehen wie auch das Versagen. Die Härte, die das Leben fordert, wie auch das Geschehen, dass sich einer erbarmt und uns Verstehen verspricht.
Die Worte Jesu erinnern uns daran. Die Aufmerksamkeit gilt dem Leben, gilt ganz und gar dem Leben. Gott ist ein Gott des Lebens. Begreifbar mit seiner Schöpfergüte in der Schönheit dieser Welt. Spürbar mit seinem Geist in der Kraft, die er zum Schaffen und Ordnen gegeben hat. Sichtbar in der Gestalt seines Sohnes, durch den er zur wahren Menschenliebe führt.
Doch sein Hinweis auf seinen Weg des Leidens erinnert uns auch daran, dass er vor anderen her den Weg des Leidens geht. Das Kreuz Jesu steht nicht nur auf Golgatha. Es steht genau da, wo Menschen Leid tragen müssen. Es steht, wo Menschen sich hingeben um der Liebe willen.
Dass wir berührt werden von der Sehnsucht nach Licht, nach Klarheit, aus sind zu erfahren, ja: ich bin gemeint, das ist Rettung.
Wenn wir uns dieser Geschichten heute erinnern, an den Mut und an die Not, spüren wir selbst dieser Sehnsucht nach Rettung nach, suchen wir die Vergewisserung, dass wir eine Sehnsucht in uns tragen. Das ist für heute genug. Der Weg, der uns gewiesen wird, den werden wir finden, aber vor allem führt uns das Vertrauen darauf, dass wir auf diesem Weg eine Stimme hören werden, die auf uns zukommt und sagt:
„Was willst du, dass ich für dich tun soll?“
Wenn wir darauf hören, wird unser Weg richtig sein.
Amen.
Perikope