Predigt über Lukas 9, 10-17 von Winfried Klotz
9,10

Predigt über Lukas 9, 10-17 von Winfried Klotz

Die Speisung der Fünftausend (Mt 14,13-21; Mk 6,31-44; Joh 6,1-13)
  10 Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida.
  11 Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften.
  12 Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste.
  13 Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen.
  14 Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Laßt sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig.
  15 Und sie taten das und ließen alle sich setzen.
  16 Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten.
  17 Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll.
Liebe Gemeinde!
So ungewöhnlich ist das nicht, was uns hier erzählt wird! So ungewöhnlich ist das nicht, dass einer zu Gott die Hände erhebt, ihn lobt und das Wenige segnet, und unter dem Segen aus dem Wenigen viel wird. Ich entsinne mich, dass die Kollektenkasse in meiner zweiten Gemeinde ziemlich leer war als ich hinkam. Aber wir haben im Lauf der neun Jahre dort die Kirche außen saniert, ein Gemeindehaus gebaut, das Pfarrhaus außen erneuert und dazu musste die Gemeinde jeweils einen Anteil aufbringen. Es ging, es reichte und das sage ich nicht zu meiner Ehre. Gott hat das Nötige gegeben durch die Hände vieler Gemeindeglieder.
So kann es gehen, so kann Gottes Reich sichtbar werden. Genau das geschieht nach dem Bericht unseres Bibelwortes aus Lukas 9. Gottes Reich und seine Fülle werden sichtbar. Das beginnt schon bei der Rückkehr der Apostel. Jesus hat sie losgeschickt, Gottes mächtiges Handeln zu verkünden und sie ausgerüstet mit Vollmacht, damit sie Menschen von zerstörerischen Bindungen befreien und heilen. Erfüllt von dem, was sie erlebt haben, kommen die Jünger zurück und berichten Jesus, was sie getan haben. Was er ihnen aufgetragen hat, haben sie ausgeführt, nein, besser, das ist geschehen, das hat sich als wahr und wirklich erwiesen. Gottes Frieden ist durch sie zu Menschen gekommen, die Zeichen des Reiches Gottes sind geschehen.
Jetzt ist es Zeit zum Aufatmen, Erholen, sich Sammeln vor Gott und in der Gemeinschaft. Gott soll gelobt und angebetet werden für seine Macht. Jesus zieht sich mit den Aposteln in Richtung Betsaida, es liegt nordöstlich am See Genezareth, zurück. Aber Zeit zum Gebet, zur Gemeinschaft, zur Lehre finden sie nicht. Viele Menschen suchen Jesus. Sie suchen ihn nicht, weil er so schön predigt, sondern weil er Gottes Wort sagt und dieses Wort ihnen Hilfe bringt. Jesus weist die nicht ab, die ihn suchen, obwohl er und die Apostel jetzt Ruhe brauchen. Aber wie kann man in der Erntezeit ausruhen?
So müht sich Jesus um die Menschen, es geht darum, dass sie heil werden nach Leib und Seele. Es geht nicht zuerst um Regeln, Gesetze; um das, was sie tun sollen; es geht nicht um irgendeine Hoffnung, weil Gott irgendwann Menschen und Welt erneuern wird. Es geht um Hoffnung und Frieden, um Ganz - und Heilwerden jetzt, jetzt in der Gegenwart Gottes, die mit Jesus da ist. Jetzt tritt Jesus in das Leben von Menschen, jetzt erfahren sie Hilfe.
In der Gegenwart Jesu geschieht es bis heute, dass Menschen von Grund auf neu werden. Diese Gegenwart erbitten, dieser Gegenwart im Wort des Evangeliums und im Mahl unseres Herren glauben, durch diese Gegenwart Jesu sich selbst in Frage stellen lassen und umkehren, so geschieht Reich Gottes auch unter uns. Sind wir noch hungrig nach der Gegenwart Jesu unter uns?
Hunger ist das Stichwort für den nächsten Abschnitt des Bibelwortes. Der Tag neigt sich, es wird Abend. Wer in Israel war, weiß, wie schnell und wie früh es dunkel wird. Auf freiem Feld übernachten ohne Abendessen- das geht nicht. Die Jünger erkennen frühzeitig das Problem und raten Jesus, die Menschenmenge doch wegzuschicken in die umliegenden Dörfer und Höfe, damit die dort übernachten und etwas zu essen bekommen. Die Gegend ist keine Wüste, aber einsam und karg nördlich oder östlich von Betsaida. -
Ein Gedanke, der mir neben einkommt: Die Sammlung und Erneuerung des Volkes Gottes geschieht in der Einsamkeit, in der Wüste. Siehe die Geschichten vom Auszug aus Ägypten und Hosea 2, 16, wo Gott durch den Propheten sagt: „Darum siehe, ich will sie locken und will sie in die Wüste führen und freundlich mit ihr reden.“ Es brauchte damals und braucht auch heute die Wüstensituation, damit der Hunger spürbar wird und Menschen umkehren zu Gott. Persönliche Wüstensituationen, wie es eine Krankheit, ein Scheitern, aber auch eine Einkehrzeit im Kloster sein kann, dürfen wir nicht fürchten und zuschütten mit Ablenkung oder für unnütz halten, weil wir ja gerade nichts leisten. -
Doch zurück: die Apostel geben Jesus einen guten Rat, es ist ein Rat nach Menschenverstand, ein verständlicher, akzeptabler Rat, aber nicht der Weg Gottes. So wie die Jünger die Frauen mit den kleinen Kindern wegschicken wollen, weil Kinder nichts bei Jesus zu suchen haben (Lk 18, 15), so soll Jesus jetzt am späten Nachmittag die Menschenmenge wegschicken. Die Jünger geben einen vernünftigen Rat, genauso geschieht es landauf - landab in den Gemeinden und Kirchen. Die eigenen Möglichkeiten werden bedacht, es wird gezählt und gerechnet, aber haben wir auch geglaubt und gebetet? Haben wir nach Gottes Möglichkeiten und seinem Willen gefragt?
Die Apostel geben Jesus einen guten Rat, er aber stellt sie vor die Aufgabe Gastgeber zu sein. „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Das ist für die Apostel eine Unmöglichkeit, wie ihre Antwort zeigt, und doch gibt Jesus ihnen diesen Auftrag. Aber das gewiss nicht nur, um ihnen zu zeigen, dass sie von ihm überfordert sind. Jesus selbst wird die große Menschenmenge speisen, aber er beteiligt seine Apostel dabei. Er nimmt die fünf Brote und zwei Fische von ihnen, das Wenige, was da ist; er lässt sie darum sorgen, dass die Menge sich in Tischgruppen lagert; er reicht ihnen Brot und Fisch, damit sie es an die Menschen austeilen. Jesus beteiligt seine Jünger und macht damit deutlich, dass auch dies zum Auftrag seiner Nachfolger gehört: Gastgeber sein, als Gemeinde Jesu Ort der Tischgemeinschaft, die im Abendmahl ihren Höhepunkt findet. Jesus beteiligt seine Jünger an der Speisung der großen Menge, er steht im Zentrum, die Jünger teilen nur aus, was er gibt. So war es damals, anders kann es auch heute in der Gemeinde Jesu nicht gehen. All unser Wirken kann nur Austeilen dessen sein, was Jesus heute gibt.
Jesus speist die große Menschenmenge, wir müssen nicht erklären, wie das geht, mit fünf Broten und zwei Fischen so viele Menschen satt zu machen. Es geht auch nicht darum, dass auf einmal alle entdeckt haben, dass sie in der Tasche doch noch ein Stück Brot haben, das sie mit ihren Nächsten in der Tischgruppe teilen können, dazu bereit gemacht durch die Predigt Jesu und durch den Segen über dem Wenigen. Es geht aber ganz gewiss darum, dass Gott reich ist für alle, die ihn anrufen, dass bei ihm kein Mangel, sondern Überfluss ist und dies durch Jesus, den Christus, sichtbar wird. Gottes Handeln ist keine abstrakte Idee, sein Reich geschieht doch auch heute da und dort. Gewiss auch da, wo Menschen großzügig von ihrem Besitz abgeben, mit anderen teilen. Aber Gottes Reich geschieht manchmal auch durch Mittel, die uns nicht zur Verfügung stehen, durch „Zufälle“ und Fügungen, durch die Gott seine Macht erweist. Wichtig ist, dass wir an Gottes Handeln beteiligt sind, so wie Jesus seine Jünger beteiligt. Das wir glaubend und betend uns die Hände füllen lassen und nicht mit unserer Menschenklugheit Gottes Plan verhindern. Nur durch das Vertrauen auf Jesus können wir Gottes Werk tun.
Die Menschen essen und werden alle satt, sagt unser Bibelwort. Satte Wohlstandsmenschen wissen das nicht zu schätzen, wie ganz und rund für diese Menschen der Abend war, als Jesus sie mit Brot und gesalzenem Fisch satt gemacht hat. Im Wort Jesu und durch Brot und Fisch haben sie Gottes Fürsorge erfahren. Stärkung für ihren Weg durch ein manchmal angefochtenes Leben, Ermutigung für Zeiten des Mangels. Der Apostel Paulus schreibt: „Ich kann Not leiden, ich kann im Wohlstand leben; mit jeder Lage bin ich vertraut. Ich kenne Sattsein und Hungern, ich kenne Mangel und Überfluss. Allem bin ich gewachsen durch den, der mich stark macht.“ (Phil. 4, 12-13) Amen.
Perikope
Datum 14.07.2013
Bibelbuch: Lukas
Kapitel / Verse: 9,10
Wochenlied: 221 326
Wochenspruch: Eph 2,19