Predigt über Offenbarung 3, 14-22 von Peter Schuchardt
3,14

Predigt über Offenbarung 3, 14-22 von Peter Schuchardt

Liebe Schwestern und Brüder!
Buße bedeutet Umkehr. Umkehr von einem falschen Weg. Umkehr hin zum Leben. Buße bedeutet: Gott selbst ruft uns, von unserem falschen Weg umzukehren hin zu ihm, dem wahren Leben. Buße bedeutet Umkehr zu Gott.
Buße bedeutet nicht: Ich muss mich klein machen vor Gott, damit er mich liebt. Buße bedeutet: Ich muss mich selbst so sehen, wie ich bin, so wie Gott mich schon längst sieht. Der Bußtag ist der Tag der Ehrlichkeit.
Darum ist der Buß- und Bettag ein so wichtiger Tag. Denn genau das möchten wir ja nicht so gerne. Wir haben doch unser Leben im Griff. Wir leben doch so gut. Wir haben doch so viel! Wenn ich den Ruf der Buße, den Ruf zur Umkehr höre und dann wirklich umkehre, dann bedeutet das ja: Das, was ich vorher gemacht, gedacht, getan habe, war falsch. Jetzt will ich versuchen, meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Wer gibt das schon ehrlich zu? Natürlich, liebe Schwestern und Brüder: Wer offensichtlich einen Fehler gemacht hat, der bereut und sagt das auch offen. Der Verkehrssünder etwa: Ja, ich bin zu schnell gefahren. Ich werde mich bessern. Der Dieb, der Gesetzesübertreter: Ja, das war verkehrt, ich werde nicht mehr stehlen. Der Beziehungssünder: Nein, Liebling, ich werde nicht mehr mit andern Frauen oder Männern herummachen. Das alles kennen wir von manchen öffentlichen Beichten im Fernsehen, vielleicht sogar aus dem eigenem Erleben. Das ist eine akzeptierte und erwartete Buße. Eine Buße, eine Umkehr, bei der wir dann auch Taten sehen wollen. Derjenige soll sich auch wirklich ändern, nur noch die erlaubte Geschwindigkeit fahren, für alles bezahlen, was im Einkaufskorb liegt, nur noch Augen und Herz für den eigenen Partner haben.
Doch was ist mit denen, bei denen doch eigentlich alles gut läuft? Was ist mit uns, die – oberflächlich betrachtet – doch auf einem guten Weg sind? Der Bußtag, der Aufruf zur Umkehr richtet sich an alle, auch an uns, die wir meinen, alles richtig und gut zu machen. Denn es ist der Aufruf, sich selbst ehrlich anzusehen. Also, liebe Schwestern und Brüder, wir sollen uns so ansehen, wie wir wirklich sind. Können wir das aushalten? „Ich suche jemanden, der mich so nimmt, wie ich bin“, ist manchmal in Kontaktanzeigen in der Zeitung zu lesen. Das klingt offen und ehrlich, und doch geht es ja gerade am Beginn einer Beziehung darum, den andern zu beeindrucken, für sich zu gewinnen durch die eigene Schokoladenseite. Wer von uns würde das Gespräch mit jemanden, den er für sich gewinnen will, beginnen mit dem Satz: „Ich stecke voller Selbstzweifel. Ich traue mir nichts zu. Meine Schuld quält mich. Ich kann nachts vor Angst nicht einschlafen.“ Nein, wir zeigen doch lieber, wie charmant, wie nett, wie witzig, wie überlegen wir sind – oder besser: wir erwecken lieber diesen Anschein. Wir zeigen uns lieber, wie wir sein wollen, und nicht, wie wir sind. Es braucht viel Vertrauen, um auch die andere Seite in einer Beziehung zeigen zu können. Es braucht Mut, die Oberfläche aufzubrechen und die eigenen Lebensabgründe anzusehen – und noch mehr, einen anderen da hineinblicken zu lassen. Es braucht vor allem Liebe. Denn die Liebe öffnet uns den Schutzraum, in dem wir wirklich so sein können, wie wir sind, mit allem Strahlen, mit allem Dunklen, mit allem Versagen, mit aller Schuld. Das ist schwer. Denn wir leben in einer lieblosen Zeit. Keiner darf einen Fehler machen. Keiner darf meine Fehler und meine Schuld sehen, weil das dann gnadenlos ausgeschlachtet wird. Ja, oft wird dieser Mensch dann gnadenlos ausgeschlachtet. Darum ist der Bußtag heute so wichtig. Denn er lädt uns ein, ehrlich zu sein, vor uns selbst und vor Gott. Und Gott ist es doch, der uns bedingungslos liebt. ER lädt uns heute wieder in den Raum seiner Liebe ein, vor seine Gegenwart. Wir können heute ehrlich sein, weil ER gnadenvoll und liebevoll ist.
Davon erzählt uns der Predigttext aus dem 3. Kapitel der Johannesoffenbarung. Der Seher Johannes lebt in schwerer Zeit auf der Insel Patmos als Verbannter. Die Christen werden grausam verfolgt. Dort, fern von seinen Schwestern und Brüdern, erlebt er eine Vision. Der Auferstandene Christus erscheint ihm. Er fordert ihn auf, an seine Gemeinden Briefe zu schreiben. Briefe voller Ehrlichkeit und Liebe. Briefe, die den Zustand genau in den Blick nehmen, Missstände aufdecken und einen neuen Weg weisen. Es sind richtige Bußtagsbriefe. Heute hören wir den an die Gemeinde in Laodizea. Das ist eine blühende Handelsstadt, reich, bekannt für ihre Tuchindustrie, berühmt wegen ihrer Augensalbe, durch die wieder neuer Reichtum in die Stadt gekommen ist. Eine Stadt, wie man sie sich in unseren Tagen wohl auch wünscht, voller Leben, voller Geld, wirtschaftlich blühend. Nun schreibt Johannes an die Gemeinde dort:
14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:
15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. 17 Du sprichst: „Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“ und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. 19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! 20Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. 21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. 22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!
Liebe Schwestern und Brüder, diese Stadt Laodizea ist so, wie ihr Name im Deutschen klingt: sie ist lau, weder heiß noch kalt. Sie ist so, wie wir oft sind. Oberflächlich betrachtet geht es ihr gut, sehr gut sogar: „Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“ Sie hat Geld ohne Ende und kostbare Kleider, rühmt sich ihrer Augensalbe – und ist doch in Wirklichkeit arm, blind, nackt und bloß. Laodizea ist so, wie wir oft sind: ungeschützt und erbärmlich, auf Erbarmen angewiesen.
Kann die Gemeinde diese Worte hören? Sie sind hart und ehrlich und vor allem liebevoll. Denn der sie sagt, liebt sie doch: Weil ich dich liebe, weise ich dich zurecht. Der das sagt, ist Christus selbst, der Anfang der Schöpfung Gottes, der den Namen „Amen“, so ist es, trägt. ER, der das Leben erkundet hat, von der Geburt bis zum Tod, er kennt diese Stadt mit ihren lauen Werken genau. Er ist es, der jeden und jede von uns genau kennt und unserer Lauheit sieht. Ja, so oft haben wir es uns gemütlich gemacht in unserem Leben. Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben, freuen uns an unserem Wohlstand, genießen das Leben mit seinen Freuden. Doch wie sieht es mit unserem Glauben, unserem Vertrauen zu Gott aus? Unser Glaube ist Ausdruck für das eigentliche Leben, das Leben jenseits der schicken Klamotten und der großen Autos und Häuser. Unser Glaube fragt nach unserem Herzen, nach unserer Seele, nach unserer Sehnsucht, nach unserer Schuld. Unser Glaube spielt oftmals keine großem Rolle. „Ach, wenn du doch heiß oder kalt wärest!“ Wärst du doch durchdrungen vom Glauben oder auch durchdrungen von der Ablehnung des Glaubens. Dann könnte Gott etwa mit uns anfangen. Aber diese laue Unentschiedenheit, ein bisschen ja, ein bisschen nein und ganz viel „ich weiß nicht so richtig“, das ist es, was Christus so aufregt, dass er die Stadt ausspeien möchte. Uns auch? Denn dieses laue Leben hilft uns doch in den Schwierigkeiten, in den Anfechtungen und Bedrängnissen nicht weiter. So geht es der Gemeinde in Laodizea in ihrer Verfolgung. So geht es uns mit unserer Schuld mit unserem Versagen, in unseren Abgründen. Kein Geld, keine Medizin, keine Stufe der Karriereleiter tröstet uns dann, sondern nur der eine, der am Anfang der Schöpfung war, der ans Kreuz geht für uns und uns auch jetzt mit seinen liebevollen Händen hält. Allein Christus ist unser Trost und unsere Hoffnung. Und er steht vor unserer Tür und klopft an. Selbst diese Gemeinde in Laodizea liegt ihm am Herzen. Er will so gern, dass sie umkehrt und sich ihm öffnet. Selbst wir in unserer Lauheit, unserer Lebens- und Glaubensunentschiedenheit liegen ihm am Herzen, jeder einzelne von uns. Und gerade darum sagt er uns heute: Tu Buße! Kehr um in deinem Leben. Sieh ehrlich auf dich und deinen Weg. Wenn du entdeckst, dass es falsch läuft, dann kehr um und ändere deinen Weg! Du kannst es. Das ist ja der große Trost des Bußtags. Du kannst umkehren. Du kannst Christus die Herzenstür öffnen. Und er will uns so gerne nahe sein. Er will  uns so gerne erfüllen mit seinem Trost und mit seiner Lebensfreude.
An diesem Tag der Ehrlichkeit dürfen wir seine Liebe, sein Werben um uns schmecken und sehen. Das Abendmahl, das wir ins einem Namen miteinander feiern, ist immer Ausdruck dafür: So nahe will Christus uns sein. So eng verbunden will er uns begleiten. Weil er auf uns wartet, sollten wir gerade heute mit offenen Ohren und Herzen auf ihn hören. Tut Buße! Lasst den in euer Herz und euer Leben, der euch von Grund auf kennt und liebt. Und er wird euch zum wahren Leben führen. Aus aller Lauheit hin zur glühenden Freude. Er wird uns den wahren Reichtum schenken, seinen Trost und seine Vergebung. Er wird uns die Augen öffnen für das Leben, das bei ihm, unserem Herrn geborgen ist in aller Schuld, in aller Verzweiflung, in allem Versagen.
Heute ist Bußtag, der Tag der Ehrlichkeit. Der Tag, um zu Gott umzukehren und zu dem, was wirklich im Leben und vor Gott zählt. Wir sollten es tun. Er wartet schon auf uns.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen