Predigt zu 1. Korinther 15, 50-58 von Werner Klän
15,50
Liebe Schwestern in Christus, liebe Brüder im Herrn!
Großartige Aussichten für uns! Großartige Aussichten, die ihren Grund haben; denn Jesus Christus ist auferweckt von den Toten und lebt in Ewigkeit. Großartige Aussichten, die begründete Hoffnung geben; denn auch wir sollen den Tod überleben. Großartige Aussichten, die Mut machen und Kraft verleihen, uns heute die Anforderungen des Lebens bestehen. Großartige Aussichten: Wir sollen überwinden, was uns klein macht, bedrängt und bedrückt: Denn Christus hat den Tod besiegt. Und wir gehören auf die Seite des Siegers. Wir haben allen Grund, Siegeslieder anzustimmen. Denn der Tod ist erledigt, fertig. Obwohl wir dem Tod entgegensehen und entgegengehen: Er wird uns am Ende nichts anhaben können. Mit dieser Zukunftsgewissheit stellen wir uns der Herausforderung, als Christen in dieser Zeit und Welt zu leben.
So betrachten wir heute Morgen die großartigen Aussichten, die in der Osterwirklichkeit begründet liegen:
Ein neues Leben jenseits der Todesgrenze erwartet uns. Und wir sind es, die Gott in diesem neuen Leben in Empfang nimmt.
Ein neues Leben ist uns in Jesus Christus vor-gegeben. Wir gehören jetzt schon zu seiner siegreichen Schar.
Die Aussicht auf das neue Leben strahlt aus auf unser Dasein im Hier und Heute. Wir leben als Mitarbeiter Gottes in dieser Welt
B 1] Ein neues Leben jenseits der Todesgrenze erwartet uns. Und wir sind es, die Gott in diesem neuen Leben in Empfang nimmt.
„We shall overcome!“ ist ein Hoffnungs-Hymnus der unterdrückten schwarzen Bevölkerung in Nordamerika, der sie Leid und Elend aushalten und ertragen lässt; denn die Überzeugung, dass Gott endlich helfen und retten wird, ist unerschütterlich. Wir werden überwinden, was uns niederdrückt und niederhält, was uns gebeugt und gebückt durchs Leben gehen. Die bestimmende Wirklichkeit, die solche Wirkung auf uns ausübt, ist die Tatsache, dass wir vergänglich sind. Wir sind sterblich, unser Leben ist endlich. Unser Dasein ist begrenzt, und das in vieler Hinsicht. Unsere Zeit auf dieser Welt ist bemessen, unterschiedlich, und wir wissen nicht wie lange. Unsere Möglichkeiten sind beschränkt: wir haben nicht endlos Kraft, wir sind nicht unbegrenzt handlungsfähig, wir haben nicht unendlich Zeit. Vieles, was wir uns vorgenommen hatten, bleibt unerledigt; manches, was wir so gern noch erledigt hätten, schaffen wir dann doch nicht. Wenn wir jung sind, spüren wir das noch nicht so deutlich, aber wenn wir heranwachsen und älter werden, wird immer klarer, dass uns Grenzen gesetzt sind und Beschränkungen auferlegt sind, die wir nicht überschreiten können. Die Todesgrenze ist jene letzte, unübersteigbare Mauer, die wir mit eigener Anstrengung nicht überwinden können. Spätestens beim Tod gelangen wir mit unseren Fähigkeiten und Bemühungen ans Ende.
Und diese letzte Grenze wirkt zurück auf unser Leben hier und heute. Weil wir es nicht ertragen, so eingegrenzt und eingeengt zu sein, gehen wir ständig dagegen an. Wir streben nach Grenzüberschreitungen, und denken, wir streben nach „Freiheit“ – oder dem, was wir darunter verstehen. Wir geben uns nicht mit dem zufrieden, was uns gegeben und gegönnt ist. Darum wollen wir immer mehr, immer anderes, immer neues. Wenn wir nur immer ein besseres Leben erreichen, ein Mehr an Besitz anhäufen, wenn wir Gewinn, Genuss erhöhen, dann, so meinen viele, weiten wir unsere Möglichkeiten aus. Nun ist nichts dagegen einzuwenden, dass wir Armut und Hunger bekämpfen, Krankheit und Elend einzudämmen versuchen, Lebensmöglichkeiten, Bildungschancen und ausgleichende Gerechtigkeit in dieser Welt fördern. Wenn aber solches Streben und Drängen sich von der Vorstellung nährt – wie es nicht selten der Fall ist –, wir könnten auf diese Weise unserer Vergänglichkeit entgehen, dann ist Einspruch zu erheben. Denn dies ist der Versuch, die von Gott gesetzten Grenzen niederzureißen, zu überrennen, auszulöschen. Darum wählt Paulus hier sehr bedacht den Ausdruck, dass „der Stachel des Todes die Sünde“ ist. Sie ist diejenige Kraft, die uns anstachelt, gegen Gott und seine Weisungen aufzubegehren. Sünde ist diejenige Macht, die uns aufstachelt, dass wir unsere Grenzen überschreiten. Und wir tun das auf Kosten anderer, indem wir uns den Grenzziehungen und Bestimmungen Gottes widersetzen und die Schutzzäune und Schutzräume, die Gott für unsere Mitmenschen vorgesehen hat, übersehen, übergehen, oder rücksichtslos niederwalzen. Dann aber trifft uns die Anklage des göttlichen Gesetzes, die schon das Urteil bei sich hat: Du lebst nicht, wie Gottes Maßstäbe es besagen. Und dieses dein Versagen spricht dich schuldig vor Gott. Dieses Urteil könnten wir nicht überleben.
Dagegen nun wird uns von Gott ein neues Leben jenseits dieser Grenzen, Wälle, Mauern und Beschränkungen versprochen und zugesagt. Vergänglichkeit, Beschränktheit, Sterben und Verwesen werden in jenem Leben keinen Platz mehr haben. Stattdessen werden wir teilhaben an Gottes ewigem Leben, ungetrübte Gemeinschaft haben mit ihm. Not und Tod, Krankheit und Schwäche, werden uns dann und dort nicht mehr bedrohen. Ungefährdet von Rückfällen in die alte, aufbegehrende, rebellische Daseinsweise, werden wir bei Gott geborgen sein. Das ist schwer vorstellbar ist für uns Menschen, die mit ihrem Verstand an Raum und Zeit gebunden sind, das ist offenkundig. Deshalb versucht Paulus, den Christen in Korinth und uns eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie das zugehen kann: Die Sprachbilder, die der Apostel hier benutzt, reden von Verwandlung und von neuen Kleidern. Alle, sei es die, die am Jüngsten Tag schon in den Gräbern liegen, sie es, dass sie auf Erden leben, alle werden verwandelt werden. So, wie wir uns hier erleben und erfahren, werden wir nicht bleiben: Was vergänglich ist, vergeht; was verweslich ist, verwest; was hinfällig ist, geht zugrunde. Das irdisch, erdgebundene, erdverhaftete Dasein kommt ans Ende. Jenseits dieses Endes aber wird uns neues Leben geschenkt. Dieses neue Leben, dieses gott-geschenkte Dasein wird unser altes Leben umhüllen wie ein neues Kleid, einhüllen in ein neues Gewand, umgeben mit einer neuen, himmlischen Garderobe. Dieses Bild ist sehr tröstlich, denn es zeigt und besagt: Unverwechselbar werden wir es sein, die im neuen Leben bei Gott ankommen, allerdings neu ausgestattet, neu gewandet, neu eingekleidet. Wir werden durch diese Verwandlung ins ewige Leben nicht verschwinden, uns auflösen und vernichtet werden. Vielmehr wird Gott dich und mich, unverwechselbar die Menschen, als die er uns einst gemeint und geschaffen und in der heiligen Taufe zu seinen Kindern gemacht hat, jetzt, neu geschaffen willkommen heißen und, verwandelt in das Bild, das er von uns schon immer hatte, bei sich leben lassen.
B 2] Dieses neue Leben ist uns in Jesus Christus vor-gegeben. Wir gehören jetzt schon zu seiner siegreichen Schar.
Am Ostermorgen hat Gott Christus, den gekreuzigten, gefolterten, dahingeschlachteten, zu Tode gebrachten, ermordeten und dann ins Grab gelegten Jesus, aus dem Grab und aus dem Tod herausgeholt. Damit ist die Grundlage für die welt-überwindende Gewissheit schon längst gelegt. Denn was am ersten Ostern mit Christus geschah, ist grundlegend auch für unsere Hoffnung. Weil unser himmlischer Bruder und Menschenfreund den Kampf gegen den Tod aufgenommen hat und – obwohl es so schien, als hätte der Tod ihn ums Leben gebracht – am Ende das Gegenteil wahr und wirklich wurde: Christus hat dem Tod den Garaus gemacht; weil Christus der Sieger über den Tod ist, weil der Tod auf ganzer Linie verloren hat, weil im Kampf zwischen Leben und Tod die Macht des Lebens sich als stärker erwies als die Mächte des Untergangs, der Finsternis und den Verderbens; darum ist das neue, göttliche, ewige Leben allerwirklichste Wirklichkeit schon jetzt. Denn Christus lebt, und er ist dem Tod nicht nur entronnen und von der Schippe gesprungen, sondern hat ihn mächtig und siegreich niedergerungen und entmachtet. Martin Luther malt in manchen Predigten seinen Zuhörern den Tod als ein alles verschlingendes Ungeheuer vor Augen, das sich alles einverleibt und vernichtet. Aber als der Tod Christus ebenso verschlingen wollte, und sich am Kreuz in den ewigen Gottessohn verbissen hat, hat er sich an Christus verschluckt und ist an dem, wie Luther sagt, „niedlichen Bisslein“ erstickt. Denn der Überlegenheit des göttlichen Lebens, das Christus selber ist, war der Tod nicht gewachsen. So musste er an seinem Karfreitags- Scheinsieg eingehen und in der Auseinandersetzung mit Gottes Lebendigkeit untergehen: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg.“
Mit der Auferweckung seines Sohnes von den Toten hat Gott uns allen Grund gegeben, den von Christus bezwungenen Tod auszulachen:“Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ In dieser Hinsicht dürfen wir ruhig spöttisch sein, und auf den Tod verächtlich herabsehen. Er ist der große Verlierer von Ostern. Und es geschieht dem Tod ganz recht, von Christus so zugrunde gerichtet zu werden. Denn der Tod steht gegen Gott, der das Leben ist. Und er versucht, seinen Spielraum zu nutzen, um Gott der Menschen zu berauben, die Gott für sich geschaffen und zu Gemeinschaft mit sich bestimmt hatte. Die Auferweckung unseres Herrn Jesus Christus zeigt uns, dass Gott dem Tod das Feld und die Welt nicht kampflos überlässt. Der auferstandene Christus führt uns vor Augen, dass Gott erst recht seine Menschen nicht aufgibt und den Mächten der Vernichtung preisgibt. Vielmehr entreißt er sie der Todesmacht und holt sie heraus aus der Todesfinsternis und bringt uns zurück ans Licht und ins Leben. Mit seinem Sohn Jesus Christus hat Gott den Anfang gemacht.
Ihm zu Ehren stimmen wir Siegeslieder und Danklieder an. Darin preisen wir den, der alles eingesetzt hat, um diesen Sieg über den Tod zu erringen. Darin danken ihm dafür, dass er uns Anteil gibt an seinem Sieg und teilhaben lässt an den Früchten dieses Sieges; in der Tat: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“ Der Jesus, der uns so hautnah gekommen ist; der Jesus, der uns in seine am Kreuz ausgebreiteten Arme schließt, dieser Jesus hört erst recht nach Ostern nicht auf, uns nahe zu sein und uns bei sich haben zu wollen. Der Jesus, der auf dieser Erde als einer von uns lebte; der Jesus, der unser Geschick so völlig teilte, dass er sogar den Tod auf sich nahm, dieser Jesus bleibt auch und gerade der österliche, der auferstandene Jesus, der, zur Rechten des Vater erhöht, nun unermüdlich und unaufhörlich daran arbeitet, dass wir bei ihm bleiben und endlich ganz zu ihm gehören.
Grundlegend ist unsere Verbindung mit ihm ja dadurch gegeben, dass wir in der Taufe hineingenommen wurden in seine Gemeinschaft und einbezogen wurden in sein Geschick. Da hat er uns beteiligt an seinem Ostersieg; da hat er uns seine Lebenskraft ausgeteilt; da hat er uns göttliches Leben zugeteilt. Christus eröffnet uns durch seine Auferweckung den Zugang zum ewigen Leben. Denn er hat die Todesmauer durchbrochen und eine Bresche hineingeschlagen, durch die hindurch wir ins Leben gelangen. Er vermittelt uns durch unsere heilige Taufe die Zugangsberechtigung zu Gottes eigener, ewiger Welt. So nimmt er uns auf in seine Schar, zählt er uns zu seinen Leuten, rechnet er uns unter die, die mit ihm den Ostersieg davontragen.
B 3] Die Aussicht auf das neue Leben strahlt aus auf unser Dasein im Hier und Heute. Wir leben als Mitarbeiter Gottes und Mitstreiter des Herrn Christus in dieser Welt
Freilich ist es eine Herausforderung, als Christen in dieser Welt zu leben, als Menschen, die im Grunde schon zu einer anderen Welt, zu Gottes Welt gehören und dennoch diese Welt nicht einfach hinter sich lassen können. In diesem „Doppelleben“ bleiben Spannungen nicht aus. Ausgerichtet auf die großartigen Aussichten, auf die wir warten und die auf uns warten, sind wir dennoch von Gott an dieses Leben, an die Welt, and unsere Mitmenschen gewiesen. In gewisser Hinsicht leben wir wie alle Menschen, was unser irdischen Dasein betrifft, wir arbeiten, essen, wohnen, haben Freund, Bekannte, haben Sorgen und Nöte wie viele andere auch. Und doch sind wir besonders, eben weil wir mit Rückblick auf Ostern, in der Freude und Dankbarkeit über Ostern, und erfüllt von österlicher Hoffnung, einen andern Blick auf diese Erde und das Leben hier haben. Wir wissen, dass dies nicht das Letzte ist, was von uns, was von den Menschen, was von dieser Zeit und Welt zu sagen ist. So sehr wir mit diesem Planeten und unseren Mitgeschöpfen verbunden sind, weil wir selbst Geschöpfe Gottes sind, so wenig sind wir im letzten an sie gebunden.
In dieser Lage werden wir ermuntert und ermutigt, bei der großartigen Grundlage unseres neuen Lebens zu bleiben. Paulus ermahnt die Christen in Korinth und uns, uns nicht umtreiben zu lassen von allem möglichen Gedanken und Erwägungen. Die Festigkeit und Unerschütterlichkeit, die er uns nahelegt, meint in erster Linie, dass wir uns auf Gottes festes Versprechen verlassen, er will uns am Ende siegreich sein lassen, und dass wir unerschütterlich auf seine Zusage vertrauen, dass er für unser Überleben nach dem Tod einsteht. Diese Rückbindung an das, was Gott längst für uns getan hat, und einst für uns bereithält, ist eine ständige Einübung ins christliche Leben: Im immer erneuten Rückgang auf Gottes Einsatz zu unsern Gunsten, wie er in Christus anschaulich und greifbar ist; in steter Rückbesinnung darauf, dass Gott, wie wir an Jesus sehen, uns wohlgesinnt ist; in wiederholtem Rückgriff darauf, dass Gott uns seine geliebten Kinder nennt und sein lässt, gestaltet sich unser christliches Leben hier und jetzt. Darum feiern wir Gottesdienst, weil uns hier vergegenwärtigt wird, was Gott uns zugute getan hat und weiter tut. Darum hören und lesen wir sein Wort in der Heiligen Schrift, weil es uns erinnert und nahebringt, was Gott von uns will und was er mit uns vorhat; dass er uns trotz all unseres Versagens nicht dem Sterbemüssen und dem Tod überlassen will, sondern zum Leben bestimmt hat in seiner Nähe. Darum feiern wir das Sakrament des Altars, in dem uns ausgeteilt wird, was Christus eingesetzt hat, um das neue Leben für uns zu erringen – sein wahrer Leib, sein wahres Blut.
In solchem Gedenken und durch solche Gaben gestärkt und gekräftigt, sind wir geeignet und gerüstet, als Gottes Mitarbeiter und Gottes Mitstreiter in unserer Welt zu leben. Das heißt nicht, dass solches Leben „einfach“ ist oder „leicht“; Paulus redet von Werk und Arbeit. Ja, es kann anstrengend sein, mit Ernst Christ sein zu wollen. Es kann Zeit und Kraft und Mühe kosten, Gott dienen zu wollen. Aber in Verbindung mit Christus, in Verbundenheit mit unserm Herrn und Heiland sind wir gewiss, dass es sich lohnt. Schon allein deswegen, weil wir mit ihm verbunden sind und in die Reihen seiner Leute gehören. Schon aus diesem Grund kann nicht vergeblich sein, was wir als seine Menschengeschwister im Glauben tun. Denn es wird immer durchscheinen lassen, woher wir kommen und worauf wir hoffen.
C] Weil nun Jesus Christus, zu dem wir kraft unserer heiligen Taufe gehören, der Gewinner von Ostern ist, hängen wir uns an ihn. Im Glauben halten wir uns vertrauensvoll an ihn, und er zieht uns hinter sich her in diese neue, göttlich Wirklichkeit jenseits des Todes. Er ist und bleibt auch an unserer Seite, so dass wir uns als seine Zeugen bewähren. Amen.
Großartige Aussichten für uns! Großartige Aussichten, die ihren Grund haben; denn Jesus Christus ist auferweckt von den Toten und lebt in Ewigkeit. Großartige Aussichten, die begründete Hoffnung geben; denn auch wir sollen den Tod überleben. Großartige Aussichten, die Mut machen und Kraft verleihen, uns heute die Anforderungen des Lebens bestehen. Großartige Aussichten: Wir sollen überwinden, was uns klein macht, bedrängt und bedrückt: Denn Christus hat den Tod besiegt. Und wir gehören auf die Seite des Siegers. Wir haben allen Grund, Siegeslieder anzustimmen. Denn der Tod ist erledigt, fertig. Obwohl wir dem Tod entgegensehen und entgegengehen: Er wird uns am Ende nichts anhaben können. Mit dieser Zukunftsgewissheit stellen wir uns der Herausforderung, als Christen in dieser Zeit und Welt zu leben.
So betrachten wir heute Morgen die großartigen Aussichten, die in der Osterwirklichkeit begründet liegen:
Ein neues Leben jenseits der Todesgrenze erwartet uns. Und wir sind es, die Gott in diesem neuen Leben in Empfang nimmt.
Ein neues Leben ist uns in Jesus Christus vor-gegeben. Wir gehören jetzt schon zu seiner siegreichen Schar.
Die Aussicht auf das neue Leben strahlt aus auf unser Dasein im Hier und Heute. Wir leben als Mitarbeiter Gottes in dieser Welt
B 1] Ein neues Leben jenseits der Todesgrenze erwartet uns. Und wir sind es, die Gott in diesem neuen Leben in Empfang nimmt.
„We shall overcome!“ ist ein Hoffnungs-Hymnus der unterdrückten schwarzen Bevölkerung in Nordamerika, der sie Leid und Elend aushalten und ertragen lässt; denn die Überzeugung, dass Gott endlich helfen und retten wird, ist unerschütterlich. Wir werden überwinden, was uns niederdrückt und niederhält, was uns gebeugt und gebückt durchs Leben gehen. Die bestimmende Wirklichkeit, die solche Wirkung auf uns ausübt, ist die Tatsache, dass wir vergänglich sind. Wir sind sterblich, unser Leben ist endlich. Unser Dasein ist begrenzt, und das in vieler Hinsicht. Unsere Zeit auf dieser Welt ist bemessen, unterschiedlich, und wir wissen nicht wie lange. Unsere Möglichkeiten sind beschränkt: wir haben nicht endlos Kraft, wir sind nicht unbegrenzt handlungsfähig, wir haben nicht unendlich Zeit. Vieles, was wir uns vorgenommen hatten, bleibt unerledigt; manches, was wir so gern noch erledigt hätten, schaffen wir dann doch nicht. Wenn wir jung sind, spüren wir das noch nicht so deutlich, aber wenn wir heranwachsen und älter werden, wird immer klarer, dass uns Grenzen gesetzt sind und Beschränkungen auferlegt sind, die wir nicht überschreiten können. Die Todesgrenze ist jene letzte, unübersteigbare Mauer, die wir mit eigener Anstrengung nicht überwinden können. Spätestens beim Tod gelangen wir mit unseren Fähigkeiten und Bemühungen ans Ende.
Und diese letzte Grenze wirkt zurück auf unser Leben hier und heute. Weil wir es nicht ertragen, so eingegrenzt und eingeengt zu sein, gehen wir ständig dagegen an. Wir streben nach Grenzüberschreitungen, und denken, wir streben nach „Freiheit“ – oder dem, was wir darunter verstehen. Wir geben uns nicht mit dem zufrieden, was uns gegeben und gegönnt ist. Darum wollen wir immer mehr, immer anderes, immer neues. Wenn wir nur immer ein besseres Leben erreichen, ein Mehr an Besitz anhäufen, wenn wir Gewinn, Genuss erhöhen, dann, so meinen viele, weiten wir unsere Möglichkeiten aus. Nun ist nichts dagegen einzuwenden, dass wir Armut und Hunger bekämpfen, Krankheit und Elend einzudämmen versuchen, Lebensmöglichkeiten, Bildungschancen und ausgleichende Gerechtigkeit in dieser Welt fördern. Wenn aber solches Streben und Drängen sich von der Vorstellung nährt – wie es nicht selten der Fall ist –, wir könnten auf diese Weise unserer Vergänglichkeit entgehen, dann ist Einspruch zu erheben. Denn dies ist der Versuch, die von Gott gesetzten Grenzen niederzureißen, zu überrennen, auszulöschen. Darum wählt Paulus hier sehr bedacht den Ausdruck, dass „der Stachel des Todes die Sünde“ ist. Sie ist diejenige Kraft, die uns anstachelt, gegen Gott und seine Weisungen aufzubegehren. Sünde ist diejenige Macht, die uns aufstachelt, dass wir unsere Grenzen überschreiten. Und wir tun das auf Kosten anderer, indem wir uns den Grenzziehungen und Bestimmungen Gottes widersetzen und die Schutzzäune und Schutzräume, die Gott für unsere Mitmenschen vorgesehen hat, übersehen, übergehen, oder rücksichtslos niederwalzen. Dann aber trifft uns die Anklage des göttlichen Gesetzes, die schon das Urteil bei sich hat: Du lebst nicht, wie Gottes Maßstäbe es besagen. Und dieses dein Versagen spricht dich schuldig vor Gott. Dieses Urteil könnten wir nicht überleben.
Dagegen nun wird uns von Gott ein neues Leben jenseits dieser Grenzen, Wälle, Mauern und Beschränkungen versprochen und zugesagt. Vergänglichkeit, Beschränktheit, Sterben und Verwesen werden in jenem Leben keinen Platz mehr haben. Stattdessen werden wir teilhaben an Gottes ewigem Leben, ungetrübte Gemeinschaft haben mit ihm. Not und Tod, Krankheit und Schwäche, werden uns dann und dort nicht mehr bedrohen. Ungefährdet von Rückfällen in die alte, aufbegehrende, rebellische Daseinsweise, werden wir bei Gott geborgen sein. Das ist schwer vorstellbar ist für uns Menschen, die mit ihrem Verstand an Raum und Zeit gebunden sind, das ist offenkundig. Deshalb versucht Paulus, den Christen in Korinth und uns eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie das zugehen kann: Die Sprachbilder, die der Apostel hier benutzt, reden von Verwandlung und von neuen Kleidern. Alle, sei es die, die am Jüngsten Tag schon in den Gräbern liegen, sie es, dass sie auf Erden leben, alle werden verwandelt werden. So, wie wir uns hier erleben und erfahren, werden wir nicht bleiben: Was vergänglich ist, vergeht; was verweslich ist, verwest; was hinfällig ist, geht zugrunde. Das irdisch, erdgebundene, erdverhaftete Dasein kommt ans Ende. Jenseits dieses Endes aber wird uns neues Leben geschenkt. Dieses neue Leben, dieses gott-geschenkte Dasein wird unser altes Leben umhüllen wie ein neues Kleid, einhüllen in ein neues Gewand, umgeben mit einer neuen, himmlischen Garderobe. Dieses Bild ist sehr tröstlich, denn es zeigt und besagt: Unverwechselbar werden wir es sein, die im neuen Leben bei Gott ankommen, allerdings neu ausgestattet, neu gewandet, neu eingekleidet. Wir werden durch diese Verwandlung ins ewige Leben nicht verschwinden, uns auflösen und vernichtet werden. Vielmehr wird Gott dich und mich, unverwechselbar die Menschen, als die er uns einst gemeint und geschaffen und in der heiligen Taufe zu seinen Kindern gemacht hat, jetzt, neu geschaffen willkommen heißen und, verwandelt in das Bild, das er von uns schon immer hatte, bei sich leben lassen.
B 2] Dieses neue Leben ist uns in Jesus Christus vor-gegeben. Wir gehören jetzt schon zu seiner siegreichen Schar.
Am Ostermorgen hat Gott Christus, den gekreuzigten, gefolterten, dahingeschlachteten, zu Tode gebrachten, ermordeten und dann ins Grab gelegten Jesus, aus dem Grab und aus dem Tod herausgeholt. Damit ist die Grundlage für die welt-überwindende Gewissheit schon längst gelegt. Denn was am ersten Ostern mit Christus geschah, ist grundlegend auch für unsere Hoffnung. Weil unser himmlischer Bruder und Menschenfreund den Kampf gegen den Tod aufgenommen hat und – obwohl es so schien, als hätte der Tod ihn ums Leben gebracht – am Ende das Gegenteil wahr und wirklich wurde: Christus hat dem Tod den Garaus gemacht; weil Christus der Sieger über den Tod ist, weil der Tod auf ganzer Linie verloren hat, weil im Kampf zwischen Leben und Tod die Macht des Lebens sich als stärker erwies als die Mächte des Untergangs, der Finsternis und den Verderbens; darum ist das neue, göttliche, ewige Leben allerwirklichste Wirklichkeit schon jetzt. Denn Christus lebt, und er ist dem Tod nicht nur entronnen und von der Schippe gesprungen, sondern hat ihn mächtig und siegreich niedergerungen und entmachtet. Martin Luther malt in manchen Predigten seinen Zuhörern den Tod als ein alles verschlingendes Ungeheuer vor Augen, das sich alles einverleibt und vernichtet. Aber als der Tod Christus ebenso verschlingen wollte, und sich am Kreuz in den ewigen Gottessohn verbissen hat, hat er sich an Christus verschluckt und ist an dem, wie Luther sagt, „niedlichen Bisslein“ erstickt. Denn der Überlegenheit des göttlichen Lebens, das Christus selber ist, war der Tod nicht gewachsen. So musste er an seinem Karfreitags- Scheinsieg eingehen und in der Auseinandersetzung mit Gottes Lebendigkeit untergehen: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg.“
Mit der Auferweckung seines Sohnes von den Toten hat Gott uns allen Grund gegeben, den von Christus bezwungenen Tod auszulachen:“Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ In dieser Hinsicht dürfen wir ruhig spöttisch sein, und auf den Tod verächtlich herabsehen. Er ist der große Verlierer von Ostern. Und es geschieht dem Tod ganz recht, von Christus so zugrunde gerichtet zu werden. Denn der Tod steht gegen Gott, der das Leben ist. Und er versucht, seinen Spielraum zu nutzen, um Gott der Menschen zu berauben, die Gott für sich geschaffen und zu Gemeinschaft mit sich bestimmt hatte. Die Auferweckung unseres Herrn Jesus Christus zeigt uns, dass Gott dem Tod das Feld und die Welt nicht kampflos überlässt. Der auferstandene Christus führt uns vor Augen, dass Gott erst recht seine Menschen nicht aufgibt und den Mächten der Vernichtung preisgibt. Vielmehr entreißt er sie der Todesmacht und holt sie heraus aus der Todesfinsternis und bringt uns zurück ans Licht und ins Leben. Mit seinem Sohn Jesus Christus hat Gott den Anfang gemacht.
Ihm zu Ehren stimmen wir Siegeslieder und Danklieder an. Darin preisen wir den, der alles eingesetzt hat, um diesen Sieg über den Tod zu erringen. Darin danken ihm dafür, dass er uns Anteil gibt an seinem Sieg und teilhaben lässt an den Früchten dieses Sieges; in der Tat: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“ Der Jesus, der uns so hautnah gekommen ist; der Jesus, der uns in seine am Kreuz ausgebreiteten Arme schließt, dieser Jesus hört erst recht nach Ostern nicht auf, uns nahe zu sein und uns bei sich haben zu wollen. Der Jesus, der auf dieser Erde als einer von uns lebte; der Jesus, der unser Geschick so völlig teilte, dass er sogar den Tod auf sich nahm, dieser Jesus bleibt auch und gerade der österliche, der auferstandene Jesus, der, zur Rechten des Vater erhöht, nun unermüdlich und unaufhörlich daran arbeitet, dass wir bei ihm bleiben und endlich ganz zu ihm gehören.
Grundlegend ist unsere Verbindung mit ihm ja dadurch gegeben, dass wir in der Taufe hineingenommen wurden in seine Gemeinschaft und einbezogen wurden in sein Geschick. Da hat er uns beteiligt an seinem Ostersieg; da hat er uns seine Lebenskraft ausgeteilt; da hat er uns göttliches Leben zugeteilt. Christus eröffnet uns durch seine Auferweckung den Zugang zum ewigen Leben. Denn er hat die Todesmauer durchbrochen und eine Bresche hineingeschlagen, durch die hindurch wir ins Leben gelangen. Er vermittelt uns durch unsere heilige Taufe die Zugangsberechtigung zu Gottes eigener, ewiger Welt. So nimmt er uns auf in seine Schar, zählt er uns zu seinen Leuten, rechnet er uns unter die, die mit ihm den Ostersieg davontragen.
B 3] Die Aussicht auf das neue Leben strahlt aus auf unser Dasein im Hier und Heute. Wir leben als Mitarbeiter Gottes und Mitstreiter des Herrn Christus in dieser Welt
Freilich ist es eine Herausforderung, als Christen in dieser Welt zu leben, als Menschen, die im Grunde schon zu einer anderen Welt, zu Gottes Welt gehören und dennoch diese Welt nicht einfach hinter sich lassen können. In diesem „Doppelleben“ bleiben Spannungen nicht aus. Ausgerichtet auf die großartigen Aussichten, auf die wir warten und die auf uns warten, sind wir dennoch von Gott an dieses Leben, an die Welt, and unsere Mitmenschen gewiesen. In gewisser Hinsicht leben wir wie alle Menschen, was unser irdischen Dasein betrifft, wir arbeiten, essen, wohnen, haben Freund, Bekannte, haben Sorgen und Nöte wie viele andere auch. Und doch sind wir besonders, eben weil wir mit Rückblick auf Ostern, in der Freude und Dankbarkeit über Ostern, und erfüllt von österlicher Hoffnung, einen andern Blick auf diese Erde und das Leben hier haben. Wir wissen, dass dies nicht das Letzte ist, was von uns, was von den Menschen, was von dieser Zeit und Welt zu sagen ist. So sehr wir mit diesem Planeten und unseren Mitgeschöpfen verbunden sind, weil wir selbst Geschöpfe Gottes sind, so wenig sind wir im letzten an sie gebunden.
In dieser Lage werden wir ermuntert und ermutigt, bei der großartigen Grundlage unseres neuen Lebens zu bleiben. Paulus ermahnt die Christen in Korinth und uns, uns nicht umtreiben zu lassen von allem möglichen Gedanken und Erwägungen. Die Festigkeit und Unerschütterlichkeit, die er uns nahelegt, meint in erster Linie, dass wir uns auf Gottes festes Versprechen verlassen, er will uns am Ende siegreich sein lassen, und dass wir unerschütterlich auf seine Zusage vertrauen, dass er für unser Überleben nach dem Tod einsteht. Diese Rückbindung an das, was Gott längst für uns getan hat, und einst für uns bereithält, ist eine ständige Einübung ins christliche Leben: Im immer erneuten Rückgang auf Gottes Einsatz zu unsern Gunsten, wie er in Christus anschaulich und greifbar ist; in steter Rückbesinnung darauf, dass Gott, wie wir an Jesus sehen, uns wohlgesinnt ist; in wiederholtem Rückgriff darauf, dass Gott uns seine geliebten Kinder nennt und sein lässt, gestaltet sich unser christliches Leben hier und jetzt. Darum feiern wir Gottesdienst, weil uns hier vergegenwärtigt wird, was Gott uns zugute getan hat und weiter tut. Darum hören und lesen wir sein Wort in der Heiligen Schrift, weil es uns erinnert und nahebringt, was Gott von uns will und was er mit uns vorhat; dass er uns trotz all unseres Versagens nicht dem Sterbemüssen und dem Tod überlassen will, sondern zum Leben bestimmt hat in seiner Nähe. Darum feiern wir das Sakrament des Altars, in dem uns ausgeteilt wird, was Christus eingesetzt hat, um das neue Leben für uns zu erringen – sein wahrer Leib, sein wahres Blut.
In solchem Gedenken und durch solche Gaben gestärkt und gekräftigt, sind wir geeignet und gerüstet, als Gottes Mitarbeiter und Gottes Mitstreiter in unserer Welt zu leben. Das heißt nicht, dass solches Leben „einfach“ ist oder „leicht“; Paulus redet von Werk und Arbeit. Ja, es kann anstrengend sein, mit Ernst Christ sein zu wollen. Es kann Zeit und Kraft und Mühe kosten, Gott dienen zu wollen. Aber in Verbindung mit Christus, in Verbundenheit mit unserm Herrn und Heiland sind wir gewiss, dass es sich lohnt. Schon allein deswegen, weil wir mit ihm verbunden sind und in die Reihen seiner Leute gehören. Schon aus diesem Grund kann nicht vergeblich sein, was wir als seine Menschengeschwister im Glauben tun. Denn es wird immer durchscheinen lassen, woher wir kommen und worauf wir hoffen.
C] Weil nun Jesus Christus, zu dem wir kraft unserer heiligen Taufe gehören, der Gewinner von Ostern ist, hängen wir uns an ihn. Im Glauben halten wir uns vertrauensvoll an ihn, und er zieht uns hinter sich her in diese neue, göttlich Wirklichkeit jenseits des Todes. Er ist und bleibt auch an unserer Seite, so dass wir uns als seine Zeugen bewähren. Amen.
Perikope