Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Frank Zeeb
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Frank Zeeb

Liebe Gemeinde,

jetzt, in den Ostertagen haben viele von uns Zeit, das zu tun, was im Alltag liegen geblieben ist. Es wird Frühling, wir haben Zeit, die Sonne scheint, man könnte Bäume ausreißen, so schön ist das Leben. Ich weiß nicht, was Sie sich vorgenommen in diesen Tagen. Ich für mein Teil mag viel lesen. Und ich verrate Ihnen auch, was: Ich liebe Romane mit historischem Bezug, vor allem, wenn sie voller Spannung sind. Ich nenne Ihnen „Das Markus-Komplott“, von Paul L. Maier. Kurz die Handlung: Ein Archäologe wird in den Vatikan gerufen, um eine uralte Handschrift zu untersuchen. Schnell wird klar, dass es sich um ein Original des Markusevangeliums handelt. Aber der Text weist zum biblischen einige Unterschiede auf, die Zweifel daran wecken, ob Jesus tatsächlich auferstanden ist … Als dann in Israel noch eine Leiche gefunden wird, bei der es sich allem Anschein nach um die Überreste Jesu von Nazareth handelt, nimmt die Geschichte an Fahrt auf … Nun gut, das ist ein Roman, fantastisch zu lesen und höchstspannend, aber was, wenn Jesus tatsächlich nicht auferstanden wäre. Dieser Zweifel wird immer wieder in unsere Herzen gesät. Sie erinnern sich an die Bezweiflung der Auferstehung durch den Theologen Gert Lüdemann vor einigen Jahren und an den sensationellen Grabfund mit der Inschrift Jesus, Sohn des Josef. Steht unser Bekenntnis „Jesus von Nazareth, wahr Mensch und wahrer Gott, gekreuzigt, gestorben und begraben, auferstanden von den Toten“ womöglich auf tönernen Füßen?

Ich stelle die Frage noch einmal – diesmal aus ganz aktuellem Anlass. Nach den Ereignissen von Brüssel -- ist es angesichts der Grausamkeit der Welt, angesichts des Terrors in Europa, angesichts des Leidens überall realistisch, von einer Hoffnung zu reden, die über dieses Leben hinausreicht. Oder ist es töricht, solche Gedanken zu hegen, die letztlich von einer Erfahrung ausgehen, die jenseits aller menschlichen Wirklichkeit sind. Wäre es nicht gescheiter, sich ganz auf dieses Leben zu konzentrieren, wo wir doch sehen, wie gefährdet dieses Leben ist?

Hören Sie, was der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth schreibt, in der genau dieser Zweifel aufgekommen war:

—Predigttext: 1. Kor 15,12-20

Wir wissen ziemlich genau, was dahinter stand. In der kleinen Gemeinde in Korinth war die Auferstehung fraglich geworden und großer Streit erhob sich um die Fragen: Ist Christus tatsächlich auferstanden? Und wenn ja – nur er, oder die anderen Sterblichen auch? Verschiedene Positionen wurden vertreten:

Nüchterne, rationale Menschen argumentierten: Tot ist tot. Wenn Jesus von Nazareth gestorben ist, dann kann er nicht wieder lebendig geworden sein, das ist gegen alle Vernunft. Wir glauben, dass in Jesus Gott selbst auf die Welt gekommen ist, auch wenn das schwer genug ist. Er hat viel Gutes getan, das ist wahr, aber er ist nun einmal gestorben. Wir wollen ihn verehren als unseren Meister, den guten Menschen, der uns gezeigt hat, wie Leben gelingen kann.

Anderen war das zu wenig: Wenn Jesus nur ein guter Mensch war, was soll dann der christliche Glaube bewirken, gute Menschen gibt es genug in der Geschichte, denen wir nachfolgen können. Es muss die Auferstehung gegeben haben, aber es ist eben die Auferstehung des einen Menschen, das ist ein ganz besonderer Fall. Das ist auch nur deshalb geschehen, weil Jesus Gottes Sohn war, aber mit unserem Leben hat das nichts zu tun. Wir werden gleichwohl sterben, wie alle anderen auch. Es kommt darauf an, dieses Leben christlich zu füllen …

Und wieder andere hatten Freude an der philosophischen Auseinandersetzung: Ihr Argument richtete sich gegen allzu einfache Antworten. Es sei ja schließlich zu unterscheiden zwischen dem Leib Jesu, der wurde freilich begraben, aber seine unsterbliche Seele sei selbstverständlich auferstanden. Deshalb – so diese Denkrichtung – sei die Frage nicht angemessen, ob das Grab Jesu leer gewesen, im Gegenteil. Was aus dem Leib geworden sei, sei völlig belanglos, es kommt auf die Seele und die Seele Jesu, quasi seine göttliche Natur, sei nun bei Gott und wir können von Jesus lernen, als gute Menschen seinem leiblichen Wandel nachzufolgen und unsere unsterbliche Seele zu pflegen, damit sie dereinst sich mit der des Herrn vereine.

Und dann gab es noch Menschen – wir würden sie heute vielleicht Charismatiker nennen – die bestritten die Auferstehung Jesu vollends ganz, weil Gott Geist sei und deshalb eigentlich gar keinen Leib gehabt haben kann, sei er ja im Geist gegenwärtig und wirkt durch diesen seine Geist in uns. Damit sei auch der Mensch aller Weltlichkeit enthoben, dann ist es auch egal, was wir in dieser Welt tun, wir sind ja schon gerettet durch den Geist.

Ich erlaube mir an dieser Stelle die Zwischenfrage, ob das alles nur die Denkweise der Korinther ist, oder ob uns vielleicht der Glaubenssatz von der Auferstehung der Toten genauso fremd geworden wie diesen frühen Christen.

Jedenfalls sagt Paulus, „Stop. Hier geht ja alles wild durcheinander“. Was ihr treibt, sind hoch interessante Gedankenspiele, philosophisch von höchstem Niveau und gut begründet, aber es hat nichts mit der Heiligen Schrift zu tun und mit der Erfahrung der ersten Zeugen. Hunderten von Menschen hat sich der Auferstandene bezeugt, das kann man nicht mit irgendwelchen Denkspielen hinwegdiskutieren. Und sowieso: hier ist mit Erklärungen von Details nichts geholfen, hier geht es um Ganze. Hier geht es darum, was der Mensch ist, und was der Sinn seines Lebens ist. Ist Christus nicht auferstanden und wenn es keine leibliche Auferstehung gibt, dann ist alles andere sinnlos, was wir verkündigen und was wir glauben. Ja, dann wäre es alles erstunken und erlogen, unsere Verkündigung, unser Leben, unser Glaube. Das ist freilich ein Glaubenssatz, beweisen lässt er sich nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaft …

Lassen Sie uns also an der Stelle neu ansetzen. Der Tod ist eine finstere Realität in unserem Leben, auch wenn wir ihn heutzutage gerne verdrängen. Ein durchschnittlicher Jugendlicher hat in seiner Medienbiographie bis zu seinem 18. Geburtstag ungefähr 16.000 Morde gesehen, aber er kann sich nicht vorstellen, dass er selbst, seine Familie, seine Freunde … auch sterblich sind und irgendwann einmal mit dem Tod konfrontiert sein werden. Um so schlimmer, wenn das dann doch geschieht, völlig unvermutet der Tod eines lieben Menschen in die Wirklichkeit einbricht, alle alltägliche Gewohnheit mit einem Mal zunichte wird. Wir erleben das in diesen Tagen, wo plötzlich mitten in Europa der Terror sich Bahn bricht und Menschen von einer Sekunde auf die andere aus dem Leben gerissen werden. Wie damit umgehen?

Frühere Zeiten hatten einen einfachen Umgang mit dem Tod. Für sie war das Sterben eine alltägliche Erfahrung. Die Verstorbenen wurden im Haus aufgebahrt und die Hinterbliebenen hatten Zeit, Abschied zu nehmen. Es gab die sogenannten Totentänze, die allen klar machten: Niemand kann sich dem Tod entziehen. Vielleicht haben ja auch wir genau deswegen solche Schwierigkeiten mit der Auferstehung, weil wir den Tod aus dem Leben verdrängt haben.

Christ ist erstanden, so das feste Bekenntnis des Paulus. Er ist nicht im Tod geblieben, sondern er hat den Tod besiegt. Das ist das Ereignis von Ostern, die Zeitenwende. Vor Ostern gab es das Leben, das zum Tode führt. Seit Ostern ist uns eine neue Erkenntnis offenbart. Der Tod hat nicht das letzte Wort, die letzte Deutungshoheit über unser Leben. Wäre Christus nicht auferstanden, so wäre nicht nur der Tod eine düstere Realität, sondern unser ganzes Leben. Unsere Verkündigung, unser Glaube, unser ganzes Leben quasi eine Lüge, eine falsche Prophetie, ein Selbstbetrug. Wir könnten uns zwar an Christi guten Taten auferbauen, aber es wäre alles sinnlos. Unsere Vergänglichkeit, unsere Sünden würden am Ende obsiegen, und es gäbe auch keine Hoffnung für die, die uns vorausgegangen sind. Wir müssten uns an vagen Gedanken Genüge sein lassen, womöglich gar nach dem Motto, nur aus dem Tode kann das Leben entstehen, das sehen wir, wenn nach einem langen Winter wieder der Frühling kommt und die dürren Äste zu neuem Leben erwachen. Dann aber wird es wirklich wichtig, wie ein Mensch begraben wird, aber was ist das für ein Menschenbild, wenn alles, was vom Menschen bleibt, darin besteht, dass nach seinem Tod ein Baum aus seinem Körper neue Nahrung zur Blatt- und Blütenbildung saugen kann.

Ostern, liebe Gemeinde, ist demgegenüber ein Signal der Hoffnung. Jesus ist auferstanden, nicht nur der Seele nach, sondern nach seiner ganzen Person, mit Geist, Leib und Seele. Und er ist der Erstling der Auferstehung. Im antiken Judentum wurden am 16. Nisan die Erstlinge der Ernte dargebracht, in der Vorfreude, dass den ersten Früchten eine reiche Ernte folgt. So versteht Paulus das Ostergeschehen: es ist ein Anfang, aus dem das Leben die Fülle kommt, auf diesem Urereignis ruht die Verheißung, dass es eine wunderbare Ernte geben, dass alle Anteil haben, an dem Überfluß des Lebens, das Gott schenkt – und Gott gibt reichlich.

Christ ist erstanden. Seine Auferstehung ist ein Sog des Lebens, der uns hineinzieht in das pralle Leben. Der Totentanz wird ersetzt durch den Freudentanz des Lebens. Wir sind eben nicht mehr die elendsten unter allen Menschen, weil wir die Hoffnung haben, dass das Leben sich Bahn bricht – über den Tod hinaus. Das nimmt dem Tode nicht die Macht. Er bleibt eine schreckliche Realität. Aber er hat eben nicht das letzte Wort. Das hat Jesus Christus und es heißt. „Ich lebe – und ihr sollt auch leben“. Das ist in diesen Tagen besonders denen gesagt, die Trauer tragen um die Opfer von Krieg und Gewalt, von Terror und Verblendung. Niemand darf die Trauer zerreden, aber die Botschaft von der Auferstehung, vom Sieg über den Tod darf auch lautwerden, sie muss laut werden, vielleicht erst ganz leise, wie ein leises Frühlingssignal -- aber sie ist ein mächtiges Wort, das in die Trauer hineinspricht. Und uns anderen ist sie gesagt als eine Botin gegen Angst und Unsicherheit. Fanatiker, die den Tod lieber haben als das Leben und alles daran setzen, uns in Sorge zu versetzen, um ihre eigene Agenda durchzusetzen – die werden mit ihren finsteren Plänen scheitern. Wir lassen uns nicht in den Strudel des Todes und der Finsternis hineinziehen, denn wir sind ergriffen vom Sog des Lebens – egal was passiert und welche Mächte Gottes Willen entgegenstehen. Christus ist Sieger – er ist erstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.