Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Heinz Behrends
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Heinz Behrends

Nachdem Christus auferstanden ist, werdet auch Ihr alle auferstehen, sagt Paulus.

Möchtest Du das überhaupt? Weiterleben nach dem Tod?

Etliche antworten mir auf diese Frage: „Interessiert mich nicht“. Vor allem die Intellektuellen in meiner Lebenswelt. Ich bin dann immer verdutzt. Seit 43 Jahren predige ich Ostern von der Kraft der Auferstehung und viele wollen gar nicht.

„Dass nichts mehr von Dir bleibt? Dass alles egal ist, was Du gemacht hast? Glaubst Du das?“

Nein.

Aber Du glaubst nicht an ein Leben nach dem Tod?

„Glaubst du an ein Leben nach dem Tod“, fragt Friedrich Dönhoff seine Großtante Marion kurz vor ihrem Tod. Und die kernige Ostpreußin und große alte Dame des Journalismus antwortet: „Ich gehe davon aus, dass da etwas kommt“.

Das Weiterleben scheint am Ende eine Ursehnsucht in der Menschheitsgeschichte zu sein.

Mehr als 35 % aller Kirchenmitglieder glauben daran, dass sie einmal in anderer Gestalt wieder auf die Erde kommen. Der Tod ist eine Kränkung des Selbstbewusstseins, so dass es für ihn undenkbar erscheint, es gäbe ihn einmal nicht mehr, sagen die Psychoanalytiker.

„Einige sagen unter euch, es gibt keine Auferstehung“.

Aber alle Kulturen kennen das, dass es nach dem Tod etwas gibt, egal wann und wo die Menschen gelebt haben. Schon die Ägypter nennen das Grab den „Ort, wo man aufsteht“. Die Germanen kennen den Totenkult, die Indianer. Sie füllen die Gräber mit Reiseproviant. Schon zur  Zeit Jesu war der Gedanke an die Auferstehung sehr lebendig. Jesus ist damit groß geworden. Im 2. Lobpreis des 18-Bitten-Gebetes hat er es schon in der Synagoge gelernt. „Gepriesen seist du, Herr, der du die Toten auferweckst.“

Der Streit der Pharisäer und Sadduzäer belegt: Auferstehung war damals im Gespräch und keine Unmöglichkeit. Die oft viel geschmähten Pharisäer glaubten an die Auferstehung.

Wie kann man heute aber die Auferstehung Jesu mit unseren Mitteln des Verstandes verstehen?

 Ich muss dafür noch einmal einen Bogen von Karfreitag her spannen. Jesus lebte in der Gedankenwelt des Alten Testamentes, eng verbunden mit Gott. Er hatte eine Vorstellung vom Leben, wie es gelingen kann und gut ist. Er hat das nicht mit den Zehn Geboten begründet, sondern mit den Seligpreisungen. Barmherzigkeit, Sanftmut, Gerechtigkeit, Friede, geistliche Armut. Die Herrschenden fühlten sich angegriffen. Die einfachen Leute hat das fasziniert. Einigen ließen alles liegen und folgten ihm. Der Weg führte konsequent in seine Hinrichtung. Aber Jesu Vertrauen auf seinen Vater war größer als seine Angst. Er wird getötet. Nach dem ersten Schock besinnen sich die Jünger nach drei Tagen. Die Frauen zuerst, dann viele andere. Sie spüren förmlich. Er lebt. Er erscheint ihnen. Sie sehen ihn. Dann suchen sie für das, was sie erlebt haben, eine Sprache. Sie stammeln, sie fürchten sich. Sie entsetzen sich, sie staunen. Aber sie merken: Dieses Leben, das er gelebt hat, das ist die Wahrheit, das ist es, was Gott von uns will. So hat er gedacht. Dieses Leben, dies Vertrauen ist nicht tot zu kriegen. Später kamen dann die weiteren Erzählungen dazu. Die Geschichte vom leeren Grab zum Beispiel. Bis in unsere Tage hinein hat sich der Osterglaube daran fest gebissen. Ich finde das überflüssig, weil er dem Ostergedanken nicht gerecht wird. Mir ist die Frage nach dem leeren Grab nicht wichtig. Wenn ich es auf den Punkt bringen sollte, sag ich: Das Grab war nicht leer. Wenn ich übersetzen soll, was damit gesagt werden sollte, müsste ich sagen: Der alte Körper hat seinen Dienst getan. Er verwest. „Und es wird verwesen das Verwesliche“, sagt Paulus im Kontext unseres Predigttextes. Ein neuer Körper steht auf. Warum war das für einige in der Bibel so wichtig, sich das leiblich vorzustellen?  Weil für den jüdischen Menschen der Körper nicht von der Seele zu trennen ist. Die Griechen spalten den Menschen in Körper und Seele, nicht die Juden. Weil der Körper immer die Ganzheit - wir würden heute sagen- die Identität des Menschen ausdrückt. So können sich die Juden damals die Auferstehung nur körperlich vorstellen, weil sie Gott sei Dank nicht trennen zwischen Leib und Seele, Körper und Geist. Ein Denken, das uns als postmodernen Menschen sehr nahe ist.

Wichtig aber bleibt nicht die Topographie des Grabes in Jerusalem, sondern meine Erfahrung. Was sagt Jesus zu den Leuten, als er ihnen erscheint? „Friede sei mit Euch“. Das bedeutet: Stoßt Eure Köpfe nicht wund an der Angst vor dem Tod und der Zukunft.

Aus diesem Erleben heraus kamen sie damals weiter ins Nachdenken. Sie merkten, Gottes Wille ist verkörpert in Jesus.

Um diese große Nähe der beiden auszudrücken, sagen sie dann, er war Sohn Gottes. Wie kann man eine Identität und Nähe besser ausdrücken. Sie sagen: Diese Botschaft muss die ganze Welt erfassen. Das darf nicht bei uns bleiben, dieser Frieden, dieser Aufbruch. Sie fangen an, die Auferstehung intellektuell zu deuten. Sie geht über das persönliche Erleben hinaus. „Hoffen wir allein in diesem Leben, dann sind wir die elendesten unter den Menschen.“ Christus soll mit dieser Lebenshaltung überall und alle Zeit herrschen. Es entsteht bald, ein paar Jahrzehnte nach Ostern, das Bild des Christus, der die Welt beherrscht mit Barmherzigkeit und Sanftmut.
Wer so sehr auf die Zukunft setzt wie er, der kann auch den letzten Feind besiegen, den Tod. Damit ist nicht nur der leibliche Tod gemeint, wenn die Gehirnströme nicht mehr messbar sind. Tod ist auch schon dort, wo ein Mensch keine Zukunft mehr sieht, sich hingelegt hat, um nicht mehr aufzustehen.

Als ehemaliger Pharisäer kann Paulus sich das nicht anders als in einer gewissen Ordnung vorstellen. Zuerst steht  Christus auf, dann alle, die auf ihn gehofft haben, dann das Ende. Wie soll das aussehen?
Ich weiß es nicht, ist mir auch nicht wichtig. Ich weiß allerdings, dass im Glaubensbekenntnis bewusst der Satz „Auferstehung des Fleisches“ ersetzt wurde durch „Auferstehung der Toten“.  Weil der Glaube nicht am Fleisch hängt.

Wie ich mir das vorstelle?

Jörg Zink leuchtet mir da mit seinem Oster-Gedanken ein: Du hast ein Leben auf zwei Ebenen, sagt er. Die eine fängt mit deiner Geburt an und hört mit deinem Tod auf.

Die andere fängt irgendwann in deinem Leben an und reicht bis in die Ewigkeit. Sie fängt an, wenn du dich verwandelt hast in einen inneren, neuen Menschen.

Ostern stellt dich auf diese andere Ebene. Es reicht, wenn du es erst im Alter erreichst, Hauptsache, es geschieht. Es geschieht in einem Prozess wie auf einem Weg nach Emmaus.

Ich werde durch die Grenze des Todes eine andere Welt wahrnehmen. Wir sind Schauende, dann werden wir Wissende sein. Und ich werde Gott meine kritischen Fragen stellen. Vielleicht auch nichts mehr fragen müssen. Sie merken, ich taste. Wie  kann ich von dem ganz anderen anders sprechen als in der Sprache dieser Welt!

Eines ist wichtig. Der letzte Feind ist der Tod. Das heißt ja wohl, er wird uns bis zum Ende beschäftigen.

Für mich bedeutet das: Räumt dem Tod unter euch nicht so viel Macht ein. Wenn der Tod für einen Menschen das Letzte ist, dann muss er in seinem irdischen Leben alle auf eine Karte setzen.  Krampfhafte Lebensbejahung bei gleichgültiger Lebensverachtung kommt dabei raus.

Wieviel Raum wird dem Tod unter uns gegeben! Es ist erschütternd, welche Macht die Selbstmordattentäter dem Tod geben. Wir mussten noch in der Realschule jeden Morgen ein Gedicht von Goethe aufsagen, ein Gedicht von der Ganzheit und Schönheit des Lebens. Unsere Kinder lernen, was Strahlenschäden sind, dass Glyphosat ein krebserregendes Mittel, lernen wie Waffen gebaut werden. Todeswissen lernen sie. Unsere ganze Erlebniskultur bewegt sich bewusst am Rande des Todes, um das Gefühl zu vermitteln, ich lebe noch. Im Formel 1 der Automobile fahren sie 70mal einen 4km-Kurs im Kreis, am Ende hat einer mit 1/100 Sekunden-Vorsprung gewonnen und alle jubeln. Welch ein Schwachsinn! Der Rennfahrer Alonso überschlägt sich im Rennen in Melbourne dreimal und entsteigt dem völlig demolierten Auto unverletzt. Viele verfolgen das auf ihrem kleinen Bildschirm. Siehalten die Luft an und sind fasziniert. Eine erlebnishungrige und sinnentleerte Gesellschaft vergötzt den Tod, weil sie meint, nur dieses eine Leben zu haben.

Dagegen steht die Botschaft vom Auferstandenen. Welch Perspektive hat dieses Leben von Sanftmut und Gerechtigkeit! Und geistlicher Armut, dem Wissen um die Bedürftigkeit. Da baut Gott eine große Perspektive für uns in Christus auf. Sie mündet in das Leben nach dem Tod. Aber nur wer dieses Leben liebt, kann die Auferstehung glauben.

Wer auferstehen will, muss das Leben lieben.

Bonhoeffer schreibt es in seinen Gefängnisbriefen: „Nur wenn man das Leben und die Erde liebt, dass mit ihr alles verloren und am Ende zu sein scheint, darf man an die Auferstehung und eine neue  Welt glauben.“ Wenn wir das Leben nicht lieben, taugt unser Reden von Auferstehung nichts. Also keine Vertröstung, sondern volle power.

Glaubst du es immer noch nicht? Nein?

„Ich auch nicht“, sagte der Sänger Hermann van Veen in einem Konzert, „aber ich würde die Zahnbürste mitnehmen.“