Predigt zu 1. Korinther 3,9-15 von Christian Stasch
3,9-15

Predigt zu 1. Korinther 3,9-15 von Christian Stasch

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

1.
Es riecht muffig, sagt meine Frau Anfang April.
Wir müssen mehr lüften, sage ich.
Wir lüften doch schon viel. Sagt sie.
Ja, halt noch mehr.
Es bringt aber nichts.

Es riecht immer noch muffig, sagt meine Frau Anfang Mai,
Wir müssen die Teppiche rausschmeißen, sage ich.
Die sind doch recht neu, sagt sie.
Versuchen wir es.
Es bringt aber nichts.

Es riecht immer noch muffig, sagen wir beide, Anfang Juni, und merken:
Die Tapeten sind von innen nass, in einem Zimmer, nein, in zweien, schau mal: auch da, ja und dort auch. Nasse Wände in vier Zimmern, jetzt wundert uns gar nichts mehr.
Den Leckorter anrufen, der sucht, prüft, forscht, probiert. Nach drei Stunden mühsamer Arbeit hat er es: Ein Leck im Bad, in einer Kaltwasserleitung, ganz klein, ca. 10 mal so klein wie ein Fingernagel. Kleine Urschache, großer Schaden. „Das kann schon ein Jahr lang hinter den Fliesen gelaufen sein, ohne dass Sie was bemerken konnten“, sagt uns der Fachmann.
 
Das Wasser läuft vom Leck aus in der Wand herunter, es sammelt sich unten auf dem Fundamentboden, läuft darauf weiter, und steigt hier und da, wo es ihm gefällt, die Wände wieder hoch.  Die Wände und Zimmertüren, nass, schimmelig, reparaturbedürftig, das haben wir jetzt hinter uns, hat runde drei Monate gedauert, mit den brummenden Trocknungsmaschinen und den Maler, Fliesenleger – und Tischlerarbeiten.  Das Fundament des Hauses aber, das war nicht angegriffen. Dem konnte das alles nichts anhaben. Das stand und steht wie eine Eins. Guter Grund. Zum Glück.

Na ja, ein weiters „Fundament“ ist bei so etwas eine Wohngebäudeversicherung, die den Schaden aufnimmt, einem Mut zuspricht für die nervigen kommenden Wochen  und den Schaden reguliert. „Auf uns als Versicherung können Sie sich fest verlassen.“ Fest.

2.
Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
Vollmundig klingt das. Ganz fest !! Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Stolz und robust wie eine Eiche.
Paulus erinnert die Korinther an das Zugrundeliegende.
Nicht wahr, darin sind wir uns doch wohl einig, oder ?
Das sagt er den christlichen Teilgruppen, den Anhängerschaften in der damals jungen und wachsenden Gemeinde Korinth. Er findet, dass sie auseinander driften – und betont die Einheit.
Es gibt Anhänger des Missionars Apollos, durch ihn zum Glauben gekommen, nennen wir sie Apollospartei. Es gibt Anhänger des Missionars Paulus, durch ihn zum Glauben gekommen, nennen wir sie Pauluspartei. Diese Aufteilungen sind, so sagt Paulus, nichts wert, verglichen mit der Basis, dem Fundament, auf dem wir doch alle stehen. Erst das Fundament, dann erst die Aufbauten darauf, von unterschiedlichen Leuten ausgeführt, mit unterschiedlichen Materialien, und man wird erst am Ende sehen, was dieser oder jener Bauabschnitt so gebracht hat. Noch mal: Macht euch immer wieder und zuallererst das Fundament bewusst..

CDU oder SPD; Grüne oder  Linke, das ist zweitrangig, wenn es um Grundlegendes geht, das die ganze Nation berührt.
FC Bayern, Borussia Dortmund oder Hannover 96, das ist zweitrangig, wenn man gemeinsam der Nationalmannschaft die Daumen drückt.
Vergesst das gemeinsame Fundament nicht.

Die Aufteilungen in der Kirche heute, Lutheraner, Reformierte, Freikirchler, Katholiken.
Na klar gibt es Unterschiede, na klar möchten wir Evangelischen keinen römischen Papst über uns haben und sind froh, dass Pastorinnen und Pastoren heiraten dürfen und: dass es Pastorinnen überhaupt gibt, Frauen in jeder Ebene der Kirche – dennoch tut es den christlichen Gruppierungen auch heute gut, das Verbindende, das Gemeinsame zu sehen, auf dem alles andere aufbaut.
 

3.
Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Sind wir uns über diesen Grund einig, liebe Loccumerinnen, liebe Loccumer, liebe Gäste?
Was ist dieser Grund, Christus, genau?
Wir als Christinnen und Christen heute im Jahr 2014,
Da wir nach „Christus“ heißen (Christen), geht es um ihn,
aber: Was heißt das genau? Wer ist Christus?
Im Glaubensbekenntis sprechen wir: gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben. Kurz zuvor heißt es: Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria. Und ich kenne nicht wenige, die sprechen das zwar mit aus Respekt vor der Tradition, hängen ihr Herz aber weiß Gott nicht daran: denn die Rede von der Jungfrauengeburt scheint für den Glauben doch entbehrlich.
Also:  wer ist das für mich, für dich? Christus: Das Kind in der Krippe, elend, nackt und bloß, schutzlos, in diese Welt geworfen, solidarisch.
Holder Knabe mit lockigem Haar oder der der alle Krankheit trug?
Ein Wunderheiler, Magier, Herrscher über Dämonen und die Stürme des Meeres?
Der Sohn Gottes?
Das Opferlamm?
Ein Rabbi und Gesetzeslehrer?
Ein Provokateur und ein Kritiker der Gesetzlichkeit?
Ein guter Hirte?
Der Gründer der Kirche?
Der Weltenherrscher?
Den Menschen nah oder den Menschen fern?
Ein zärtlicher Freund, sanftmütiger Bruder?
Vorbild für andere, v.a. in Sachen Friedfertigkeit?
Gegner des Leidens, oder Erdulder des Leidens?

Auch wenn Sie vielleicht sagen: „Na ja, da sind mehrere Beschreibungen dabei, die ich passend finde, und die nebeneinander stehen können.“
Geschenkt. Aber jedenfalls ist die Schwerpunktsetzung unterschiedlich. Und unsere Christusbilder sind es offensichtlich auch.
Das finde ich auch nicht schlimm. Es macht uns als Christen bunt, vielstimmig, facettenreich.
Und es ist kein Widerspruch zu der Feststellung des Paulus:
Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
Einen Grund gefunden zu haben, ist ein Glück und ein Segen. Eine Basis fürs Leben. Wie Grundvertrauen. Etwas, das hält und trägt, wenn es mir gut geht und auch wenn es mir dreckig geht. Wenn mir Dinge gelingen und auch wenn alles schief läuft.
„Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält.
Der Grund, der unbeweglich steht, wenn Erd und Himmel untergeht.“
„Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich. So oft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich.“
Der Junge, der mit 15 Jahren das Elternhaus verlässt, seinen Freundeskreis aufgibt, die Kleinstadt, die er kennt, sich aufmacht ins Unbekannte, weil er eine besondere Chance wittert, Sport-Internat in Thüringen, vielleicht kann ich mich stark weiter entwickeln, vielleicht schaffe ich es, den geliebten Sport zum Beruf machen. Vielleicht. Ungewiss natürlich. Was gewiss ist, trägt er um den Hals und legt es in all den Jahren nie ab: ein Kreuz.
„Such wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden. Mein herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen.“
„Alles vergehet, Gott aber stehet, ohn alles Wanken. Seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund.“
 

4.
Fundiert. gefestigt, stabil sein, die Ruhe bewahren, sich nicht aus der Bahn werfen lassen – so können Früchte des Glaubens aussehen, Früchte der Zugehörigkeit zu Christus – solche Früchte sind aber kein Automatismus. Manchmal bleibt es auch nur ein Wunsch und eine Sehnsucht danach. Eine Bitte.
Wunsch, Sehnsucht, Bitte, das klingt nun etwas zurückgenommen, vorsichtig und leise.
Manche, die den Grund gefunden zu haben meinen und für sich in Anspruch nehmen, ganz besonders fest auf diesem Fundament zu stehen, sprechen lauter, offensiver.
Und sind der Meinung, dass dieses Fundament nicht nur für sie selbst, sondern für jeden Menschen verbindlich sein muss. Alles andere ist vom Teufel, ist Abfall, Sünde und Gottlosigkeit. Deshalb wollen sie ihr Glaubensfundament zur allgemeinen Richtschnur machen und das alltägliche private Leben und das gesellschaftliche Zusammensein mit strengen religiösen Regeln und Vorschriften überziehen. Die Regeln entstammen der Heiligen Schrift, egal ob Bibel oder Koran, sind angeblich eindeutig und nicht hinterfragbar oder diskutierbar. Es ist ein ins Maßlose gesteigerter Umgang mit dem Glaubensfundament, es ist Fundamentalismus. Es gibt ihn bei frommen christlichen Kreisen in Deutschland und in den USA, es gibt ihn bei der Bewegung „Islamischer Staat“. Bei beiden Ausprägungen gibt es nichts zu deuteln und schon gar nichts zu lachen. Um Wahrheit wird nicht gerungen, sondern Wahrheit steht fest bzw. wird von oben festgelegt.
Fundamentalismus ist es, wenn jemand das Fundament, das ihm wichtig ist, zur Allgemeinnorm erhebt, und wenn er anderen abspricht, dass ihr ganz anderes Fundament auch seine Berechtigung hat. Und weil das ja so schön einfach und übersichtlich ist, wächst der Einfluss von Fundamentalisten. Und ihre Bedrohung. Leider.   

5.
Wollen mal sehen, was dabei rauskommt. Alle werden sich am Ende für ihr Tun verantworten müssen. Dinge werden ans Licht kommen, die Folgen des Tuns werden klar. Jeder wird sich dann zumindest ein paar Fragen gefallen lassen müssen. Die Fundamentalisten, genau wie diejenigen, die konstruktiv-kritisch ihr Fundament bewahren und auch die, die das Fundament für nicht mehr so tragfähig halten.
Paulus denkt sich das so:
„Wenn jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 
so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klarmachen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. 
Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 
Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden.“

Ich will nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Was ich einmal präsentiert bekomme und welche Fragen mir von Gott gestellt werden, und er dazu dann ein Feuer braucht oder nicht, weiß ich nicht.

Was ich nur weiß: Ich bin ich dankbar für den Grund, auf dem ich stehen kann. Der stabiler ist als die  Wasserschäden des Lebens. Und mich nicht einigelt, sondern mir Freiheit schenkt.

Amen.