Predigt zu 1. Korinther 3,9-15 von Martina Janßen
3,9-15

Predigt zu 1. Korinther 3,9-15 von Martina Janßen

Liebe Gemeinde!

Ich sitze am Schreibtisch und sehe die Post durch. Rundverfügungen. Evaluationsbögen. Werbeprospekte: Für Fundraising. Für Ehrenamt. Für Gemeindeaufbau. Ich ordne alles zu kleinen Häufchen zusammen und seufze. Immer dieser Papierkram! Was denken die sich als nächstes aus? Bald kommt vielleicht ein Evaluationsbogen für Gemeindeaufbau! So was würde mich als Pastorin – oder um im Bild zu bleiben: als Baumeisterin einer Gemeinde - unter Druck setzen, denn auch in unserer Gemeinde gibt es viele Baustellen. Mir fällt die KV-Sitzung von gestern Abend ein: Auf was bauen wir im Miteinander? Was ist unsere Vision? Steht die Tür unseres Hauses allen offen oder mauern wir uns ein? Gemeinden sind wie Häuser. Einladend oder abweisend. Und weiter: Unsere Gemeinde ist ja nicht das einzige Haus in der Region. Wir haben Nachbarn. Lässt lokale Kirchenentwicklung auch in Zukunft noch Raum für unser Haus? Wie hoch wird man unsere Immobilie bewerten? Sind wir denkmalgeschützt oder abbruchreif?

Nein, heute möchte ich weder über die Feinheiten unserer fragilen gemeindlichen Beziehungsarchitektur noch über die kirchlichen Bebauungspläne für die Zukunft nachdenken. Lieber was Erbauliches tun. Lieber die Predigt für Sonntag schreiben. In der Hoffnung auf Ablenkung lese ich den Predigttext. Na, toll! Seufzend klappe ich die Bibel wieder zu. Auch du, Paulus, auch du!

Lesung 1 Kor 3,9-15

Liebe Gemeinde! „Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau (1 Kor 3,9)!“ Auch Paulus schreibt über Gemeindeaufbau. Gemeinden sind wie Häuser. Das Fundament ist gelegt. „Ein jeder sehe aber zu, wie er darauf baut!“ Wenn das keine Aufforderung zum Gemeindeaufbau vom Rohbau bis zum letzten Nagel in der Wand ist- was dann sonst? Bauen wir unser Haus! Schön und liebevoll. Nachhaltig und zukunftsfähig. Als Heimat für viele und Zuflucht für Fremde. Sicher, da knallt schon mal eine Tür, da lässt schon mal einer was liegen und der Rasen müsste auch mal wieder gemäht werden. Aber die Räume sind voller Leben. Gemeinden sind wie Häuser. Sie geben Schutz und müssen selbst geschützt werden. Von außen und von innen. Damit kein Orkan das Dach abdeckt und keiner im Streit von innen die Tür eintritt. Achtsamkeit ist gefragt. Man muss lüften, damit es nicht muffig wird. Doch die Fenster müssen dicht sein, wenn Sturm und Regen kommen.

Gemeinden sind wie Häuser. Das Fundament ist gelegt. „Ein jeder sehe aber zu, wie er darauf baut (1 Kor 3,10)! “ Es braucht jede Hand beim Hausbau. Jeder nach seinen Gaben. Pflastern und Streichen. Chorsingen und Gitarre am Lagerfeuer. Zimmern und Montieren. Kuchenbacken und Geschichten erzählen. Bohren und Schleifen. Eine Hand halten und Sehnsucht wecken. Sägen und Fräsen. Glauben stärken und Tränen trocknen. Alles ist nötig. Gemeinden baut man wie Häuser. Jeder wird gebraucht. Der eine legt den Grund, der andere baut weiter. Der eine gießt Beton, der andere schmückt die Wand. Der eine organisiert ein Fest, der andere besucht die Kranken. Jeder nach seinen Gaben. Nur gemeinsam kann es gelingen, Hand in Hand, mit Herz und Verstand. Sind wir ein gutes Team? Oft, aber nicht immer. Da gibt es schon Konkurrenz im Haus: Wer ist hier die tragende Säule? Wer der Fußabtreter? Wer hat das Sagen auf der Baustelle, wer schleppt die Steine und wessen Pläne werden umgesetzt? Manchmal scheiden sich auch die Geschmäcker und manchmal widersprechen sich die Kompetenzen. Dann streiten wir. Das ist beim Gemeindeaufbau nicht anders als im Bauausschuss. Sanieren wir das Dach von innen oder von außen? Investieren wir ins Jugendcamp oder in die Palliativarbeit? Welche Akzente setzen wir in der Inneneinrichtung?

„Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau (1 Kor 3,9)!“ Gemeinden sind wie Häuser. Dass die einzelnen Häuser verschieden sind, macht den Charme einer Stadt oder eines Dorfes aus. Nur Villen, nur Plattenbauten, nur die ewig gleichen Geschäftsgebäude – wie langweilig! Sowohl für die Stadtentwicklung als auch für die kirchliche Landschaft. Luxusloft, Fachwerkhaus mit Jägerzaun, Jugendstilvilla, der Bauwagenplatz – alle bunt und vereint auf einem Fundament. Das wäre eine Stadt Gottes, das wäre eine Kirche ganz nach meinem Geschmack! Das Fundament ist gelegt.  „Ein jeder sehe aber zu, wie er darauf baut (1 Kor 3,10)!“

Gemeinden sind wie Häuser. Sie sind nie fertig. Immer geht etwas kaputt und muss repariert werden. Zugegeben – ein undichtes Fenster ist einfacher heil zu machen als eine verletzte Seele. In Gemeinden und Häusern muss immer wieder alles gepflegt und angepasst werden. Und das möglichst ohne Leichen im Keller zu hinterlassen oder dass jemand den Notausgang nimmt. Häuser und Gemeinden leben und wandeln sich. Immer ist etwas im Bau. Und Baustellen können gefährlich sein. Man kann sich selbst oder andere verletzen, man kann die Kraft, die Lust und in all dem Kleinklein auch den Blick für’s Ganze verlieren. Dann muss man sich fragen, was und warum man es tut. Es gibt eine schöne Geschichte. „Drei Steinmetze arbeiten auf einer Baustelle. Ein Passant fragt sie danach, was sie tun. Der erste Steinmetz räumt mürrisch Steine zusammen und sagt: ‚Ich verdiene meinen Lebensunterhalt.‘ Der zweite Steinmetz klopft mit wichtiger Miene weiter auf seinen Stein, während er antwortet: ‚Ich liefere die beste Steinmetzarbeit weit und breit.‘ Der dritte Steinmetz aber schaut den Fragenden ruhig und mit glänzenden Augen an und sagt: ‚Ich baue eine Kathedrale.‘ (http://studieren.de/auszeit.0.html)“ Warum und wofür bauen wir? Für Brot und Geld? Für’s eigene Ego? Für eine Sehnsucht, einen Traum…

Liebe Gemeinde! „Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau (1 Kor 3,9)!“ Paulus schreibt den Korinthern über Gemeindeaufbau. Er hat allen Grund dazu. Es gibt Streit in der Gemeinde in Korinth. Parteiungen haben sich gebildet. Das Bauprojekt scheint gefährdet zu sein. Die einen sagen, sie gehören zu Apollos, die anderen sagen, sie gehören zu Paulus. Solches Verhalten zerstört mehr als dass es aufbaut. Darum spricht Paulus der Gemeinde ins Gewissen. Baut euer Haus! Am Ende zeigt sich, ob es Bestand haben wird. Am Ende wird evaluiert. „Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen (1 Kor 3 13)!“ Da scheidet sich dann professionelle Wertarbeit vom Baupfusch. Wie ist das mit uns? Bestehen wir die Feuerprobe oder bleibt kein Stein auf dem anderen? „Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden (1 Kor 3,12).“ Ich stelle mir so einen Evaluationsbogen zum Gemeindeaufbau vor, so einen, wo man sich selbst einschätzen muss. Was sind wir? Palast oder Hütte? Oder so dazwischen? Sind wir ein Haus aus „Gold, Silber, Edelstein“, eine Leuchtfeuergemeinde, best-practise-Beispiel, zukunftsfähig und vorbildlich  – könnte ich da für uns das Kreuz machen? Oder sind wir eher ein Haus aus „Holz, Heu, Stroh“, ein kleines Licht, allenfalls ausbaufähig, vielleicht sogar ein Kandidat für eine kirchenaufsichtliche Baubegehung – muss ich etwa da das Kreuz für uns machen? „Der Tag des Gerichts wird’s klar machen, denn mit Feuer wird er sich offenbaren (1 Kor 3,13).“ Immerhin. Ich muss das nicht entscheiden und die Landeskirche auch nicht. Immerhin. Ganz so offensichtlich ist es nach außen nicht mit dem Gold, Silber, Edelstein, Holz, Heu und Stroh, mit der Beständigkeit und der Baufälligkeit. Am Baumaterial hängt nicht alles, auch nicht am schönen Schein. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und bekanntlich gilt: „Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar (F. Schiller)“. So einfach ist die Entscheidung nicht. Ein Evaluationsbogen bringt nicht wirklich ans Licht, ob eine Gemeinde eine Traumvilla oder ein Trümmerhaufen ist, ob alles auf Sand gebaut, ob die Architektur stimmig ist oder ob die Säulen tragen. Da braucht es schon den Tag des Herrn, damit die Wahrheit offenbar wird. Palast oder Hütte? Bestandsschutz oder Abbruch? Heimat oder Ruine? Darüber entscheidet Gott - und kein Auswertungsbogen, keine landeskirchliche Bauaufsicht und kein Perspektivgespräch!

Liebe Gemeinde!

Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau (1 Kor 3,9)!“ Bauen wir an unserem Haus nach bestem Wissen und Gewissen! Mit unserer kleinen Kraft und großen Sehnsucht! Vieles kann gelingen, einiges bleibt vielleicht auf ewig eine Baustelle und das ein oder andere kann auch wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Wir können scheitern, das ist wahr, gewiss. „Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch (1 Kor 3,15).“ Doch auch wenn die Mauern brüchig werden, die Wände einstürzen und uns das Dach auf den Kopf fällt, wir selbst werden leben. Und können neu beginnen. Immer wieder neu. Denn wir haben einen Grund, der uns alle trägt, unerschütterlich und ewig, „der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus (1 Kor 3,11).“

Amen