Predigt zu 1. Korinther 9,24-27 von Bert Hitzegrad
9,24-27

Liebe Gemeinde!

Die Gegner haben sich durchgesetzt. Hamburg wird sich nicht bewerben für die Olympischen Spiele 2024. Die einen jubeln, die anderen sagen: Verpasste Chance. Trotzdem wird das Olympische Feuer nicht verlöschen – Budapest, Paris, Los Angeles und Rom sind noch im Rennen. Sicher ist, dass wir 2020 die Wettkämpfe via Satellit  aus Tokio ins Wohnzimmer geschaltet bekommen. Aber bereits 2016 ist ja ein Olympia-Jahr. Die Blicke richten sich auf die Stadt am Zuckerhut. Rio de Janeiro ist in diesem Jahr Austragungsort.

Vom 5. Bis 21. August geht es wieder um Medaillen und Höchstleitungen. Auf den Internetseiten gibt es den Countdown mit Tagen, Minuten und Sekunden – 194 Tage (am 24.1.2016) noch und die Flamme wird entfacht. Schneller, höher, weiter, das werden dann die Meldungen im August sein, wenn neue Weltrekorde gelaufen, geschwommen und gesprungen werden.

Wer dann die Sieger auf dem Podest sieht, mit Freudentränen in den Augen, wenn die Nationalhymne gesungen wird und die Medaille feierlich übereicht wird, wer das sieht, wird kaum an die mühe- und entbehrungsvollen Wochen und Monate davor denken, in denen sich die Sportler vorbereitet haben, unter einem ungeheuren Leistungsdruck, mit eiserner Disziplin und einem klar gesteckten Ziel. „Dabei sein ist alles!“ – das mag zwar für viele stimmen, aber letztendlich geht es doch um Sieg und Niederlage, um Medaillensegen oder den Frust des Verlierers.  

Hochleistungstraining, sportlicher Wettkampf, Medaillenhunger, Siegerpose - Sie werden sich wundern, was das in der Predigt an einem entspannten Sonntagmorgen zu suchen hat, was das mit unserem Glauben zu tun hat …

Paulus sagt in unserem Predigttext: Sehr viel hat beides miteinander zu tun. Wenn Christen sich so hineingeben würden in ihr christliches Leben wie eben ein Sportler und Wettkämpfer, dann wäre es besser um den christlichen Glauben und um seine Verkündigung bestellt.

Wir hören den Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem 1. Korintherbrief im neunten Kapitel - und fragen natürlich: Deckt Paulus damit alle Aspekte des Evangeliums Jesu Christi ab!?

24 Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den  Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt.
25  Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen  unvergänglichen.
26 Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt,
27 sondern  ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.
Und Gott segne dieses sein Wort an uns und lasse es durch uns zu einem Segen werden!

Paulus schreibt uns Christen ins Stammbuch: "Strengt Euch an, lauft so, dass Ihr gewinnt!" Christliches Leben, das Verkünden der frohen Botschaft Gottes als ein Wettkampf mit einer Siegesprämie, dem Kranz oder der Goldmedaille im Himmel und einer Leibeszüchtigung als Trainingsprogramm - das ist schon ziemlich harter Stoff.

Leistung nun auch in der Kirche - statt der von Luther so viel gerühmten und verteidigten Gnade und Rechtfertigung ohne Werke? Werden hier nicht weltliche Kategorien und christliche Werte durcheinandergeworfen? Wo bleiben z.B. die Verlierer, die, die im Schatten der drei Medaillen-Gewinner stehen? Die, die sich ärgern, dass es wieder einmal nicht gereicht hat? Die, die dem psychischen und physischen Stress nicht gewachsen waren? Die, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, sich mit unerlaubten Mitteln zu dopen? Die, die erst gar nicht das Ticket nach Rio erhalten haben oder die, die eben keine Sponsoren gefunden haben, um die lange Trainingsphase auch finanziell zu überstehen ...? Kennt Paulus diese Seite des Lebens nicht? Die der Verlierer, der Looser, derer, die eben immer die Verliererkarte ziehen?

Paulus kennt sie, er kennt das Wort vom Kreuz, das eben nicht im Medaillengold glänzt, sondern an dem die Spuren von Leiden, Tod und Sterben kleben. Er kennt es an sich selbst, wie oft ist er selbst verspottet worden und stand auf der Verliererseite. 

Nein, er weiß, dass Gottes Wort von der Barmherzigkeit Christi handelt und nicht von Leistungsdruck und Erfolgserwartungen. Gerade er betont die Gnade, die unverdiente Gnade, und nur die Gnade, die uns den reichen Lohn des Himmelreiches schenkt. Das ist doch gerade die Größe und Souveränität Gottes, dass er nicht – wie sonst in unserem Leben – auf Leistung und Erfolg pocht. Bei ihm gilt gerade die Umkehrung der Werte: Die Ersten werden die Letzten sein und die Ersten die Letzten … Sie haben vielleicht noch die Worte des Weinbergbesitzers im heutigen Evangelium in den Ohren. Was wäre das für ein Wettkampf! Was wären das für Olympische Spiele. Aber – und das will Jeus mit seinem Gleichnis sagen: So ist Gottes Maßstab - befreiend und erlösend, entlastend und entspannend! Du musst nicht mehr erster oder zweiter, dritter oder vierter sein - das zählt gar nicht, sondern nun wirklich gut sportlich heißt es: „Dabei sein ist alles!“ Dann gehört der Sieg, der Lohn Dir schon ganz. Dabei sein - dabei in der Liebe Gottes, in der Gemeinschaft der Heiligen, der Gläubigen, in der Nachfolge Jesu Christi.

Aber genau da setzt Paulus nun an, da fordert er uns heraus und sagt uns: Strengt Euch an, lauft so, dass Ihr gewinnt. Setzt Euch ein, für eine Sache, die sich lohnt.

In Zeiten, da es auch für die Kirchen enger wird, finanziell und personell, werden solche Fragen nach Leistung, Wettkampf und Erfolg natürlich laut. Marktforschungsinstitute, die sonst Wirtschaftsunternehmen beraten, werden beauftragt, auch das Unternehmen Kirche auf seine Wettbewerbs- und Marktfähigkeit hin zu untersuchen. Das Produkt sei gut - sagen sie in ihrer Sprache - die Menschen suchen nach der Wahrheit des Evangeliums, nach Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, doch dieses Produkt der Kirche wird oftmals so eckig und kantig herübergebracht, so dass Menschen wie vor den Kopf gestoßen sind und keiner mehr zuhören mag und die Pastoren und Pastorinnen oftmals vor leeren Kirchenbänken kaum einen Siegeszug zu verzeichnen haben.

Deshalb: Strengt Euch an, lauft so, dass Ihr gewinnt!  Sagt das Evangelium so weiter, dass die Euch anvertrauten Menschen es hören und verstehen können. Und dafür sollte Euch keine Anstrengung zu groß, kein Weg zu weit und kein Trainingsprogramm zu hart sein. Für Paulus selbst bedeutet es: Glaubwürdig zu sein - und Glaubwürdigkeit wird dran gemessen, wie sich Wort und Tat, wie sich Reden und Handeln zueinander verhalten.

Paulus erinnert an den Wettkämpfer, der um der Leistung willen eben auch Verzicht übt, der sich eine harte Trainingsdisziplin auferlegt, um an das Ziel zu kommen.

Ich kann nicht von der Liebe Gottes zu den Menschen reden und dann Frauen allein lassen, die nicht wissen, ob sie jemals das Kind lieben können, das da in ihrem Bauch wächst.

Man kann nicht von Nächstenliebe und Gastfreundschaft sprechen und dann die Menschen, die aus Angst vor Terror und Krieg an unsere Tür klopfen, draußen vor dieser Tür stehen lassen .

Man kann nicht immer fordern „Kirche müsste doch“ und „Kirche sollte doch" und zugleich den christlichen Glauben für ein Konsumgut halten ohne Verpflichtungen und Konsequenzen.

Es geht um Glaubwürdigkeit, um ein Engagement, das vom unserem Glauben, unserer Hoffnung getrieben wird, das auch auf Erfolg aus ist, denn wir haben etwas zu bieten, wir können etwas weitergeben, für das sich der Einsatz lohnt. Doch das wird man nur spüren, wenn man auch die Schweißperlen auf der Stirn sieht, weil uns die Menschen am Herzen liegen, um die wir kämpfen und eifern.

Den Juden bin ich ein Jude geworden - so sagt Apostel kurz vor unserem Predigttext, den Schwachen, ein Schwacher, ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette!

Dem Jugendlichen ein Jugendlicher, dem Senioren ein Senior, dem Suchenden ein Wegbegleiter, dem Traurigen ein Halt, an dem er sich lehnen kann. Paulus würde sagen: Sagt den Menschen, die Euch anvertraut sind, das Evangelium so weiter, dass sie es gern hören und verstehen können, zeigt ihnen in Eurem Leben, was es bedeutet, zu Christus zu gehören - dafür strengt Euch an, lauft so, dass Ihr gewinnt, lauft so, dass Ihr einander gewinnt.

194 Tage müssen wir noch warten, bis in Rio de Janeiro der sportliche Wettkampf  beginnt. Er wird wieder Millionen, ja Milliarden Menschen weltweit fesseln und begeistern. Leistung und Siege sind gefragt. Der aktuelle Medaillenspiegel, täglich in der Tageszeitung abgedruckt, wird dann wieder zählen. Doch irgendwann wird der Rummel auch vergessen sein, der Goldtaumel wieder abgeflaut, das Glück des Sieges vergangen!

Und unser Siegespreis? Paulus sagt: Er ist unvergänglich, weil es ein Gewinn für das Leben ist, das Leben, das uns Christus schenkt, ein Leben im Licht des Evangeliums!

Wir werden wohl nicht gleich Millionen begeistern, aber wenn jemand in meinem Leben dieses Licht spürt, dann lohnt sich der volle Einsatz und die Anstrengung. Dann wird solch ein Sieg zum Segen. Amen!

Und der Friede Gottes, der höher ist alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.

Perikope
24.01.2016
9,24-27