Predigt zu 1. Petrus 1,3 von Eugen Manser
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Predigt zu 1. Petrus 1,3 von Eugen Manser

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.

Liebe Gemeinde,
zu Ostern ist in Jesus etwas passiert, das noch gar nicht passiert sein kann und doch schon dankbar erinnert wird! Wir loben Gott dafür; wir feiern es mit den Christen in der ganzen Welt als ob es geschehen wäre. Es ist aber eigentlich kein Ereignis der Vergangenheit, das wir da feiern, sondern eher eine Erinnerung an die Zukunft.
Denn Unfriede, Ungerechtigkeit, Gewalt und Tod treiben in unserer Welt auch nach Jesus ihr Unwesen. Hier hat sich nichts verändert.
Was aber durch Jesus neu in diese Welt gekommen ist: Menschen sind wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung!

„Hoffnung“ – das Herkunftswörterbuch des Dudens vermutet, das Wort „hoffen“ sei vielleicht mit dem Wort „hüpfen“ verwandt und würde dann heißen: ‚vor Erwartung zappeln’, ‚aufgeregt umherhüpfen’ – so etwa wie Kinder vor der Bescherung oder Verliebte vor dem ersten Rendezvous.
Das ist Hoffnung!
Die Christen sind eine wartende und hoffende Gemeinschaft. Diese lebendige Hoffnung hat sie seit je attraktiv gemacht.

Worauf nun hoffen Christen?
Der Verfasser unseres Bibeltextes hofft ‚auf der Seelen Seligkeit’. Andere Bibelautoren hoffen auf einen ‚neuen Himmel und eine neue Erde in welchen Gerechtigkeit wohnt.’ Im Glaubensbekenntnis heißt es: „und die Auferstehung der Toten und das Leben in der zukünftigen Welt.“
Der Seher von Patmos verheißt: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein…“

Ich frage mich, wie viele Menschen in Europa und besonders wie viele unter uns Christen hoffen wirklich auf das Reich Gottes, Gottes zukünftige Welt?
Ich vermute, es sind nicht sehr viele, die durchdrungen sind von einer ungeduldigen, glühenden Erwartung einer gerechten Welt, in der Gott das Sagen hat. Man könnte annehmen, das liegt daran, dass der Glaube über die Jahrhunderte hin unter uns zu schwach geworden ist, dass wir’s Gott einfach nicht mehr zutrauen, sein Reich aufzurichten. Das mag sein.
Ich fürchte, es liegt noch an etwas anderem. Könnte es sein, dass wir gar nicht mehr auf ‚der Seelen Seligkeit’, auf die ‚zukünftige Welt Gottes’ hoffen, weil wir eigentlich gar kein Interesse haben an einer Verwandlung der Welt, weil wir an diesem Leben, so wie es jetzt ist, hängen?

Wir wünschen uns, dass alles noch recht lange so bleiben möge, wie es ist oder wir haben sogar die heimliche Hoffnung, dass manches wieder so wird wie es früher war. Als die Sonne in die Kindheit schien und die Welt lebenswerter war als jetzt.
Der Gedanke an die Zukunft ist für viele von uns eher etwas Bedrohliches als etwas Hoffnungsvolles. Die zukünftige Welt, die persönliche Zukunft mit Alter und Vergehen, ein Morgen, dass jederzeit einen neuen Terroranschlag bringen kann, immer mehr Menschen auf der Flucht, die morgens nicht wissen, wo sie abends ihr Haupt betten können – das alles ist für viele von uns beunruhigend und nicht hoffnungsvoll, auf keinen Fall etwas, das wir ungeduldig erwarten. Was kommt da auf uns zu?, fragen wir uns und sehen uns überfordert von Menschen, die bei uns Schutz suchen, bedroht durch Terroranschläge, erschreckt vom Klimawandel.

Bei denen in unserer Welt dagegen, die unter den Zuständen auf dieser Erde leiden, sieht es mit der lebendigen Hoffnung ganz anders aus. Die vom Krieg Vertriebenen, die von Milizen bedrohten in Afghanistan, die Durstenden in der Sahelzone. Sie alle hoffen inständig, dass ihr Leben nicht bleibt wie es ist.
Und Jesus macht ihnen ja auch Mut zu solcher Hoffnung.
Denn den Leidenden gilt seine Verheißung: ‚Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.

Vielleicht haben wir es in unseren satten, geordneten Verhältnissen wirklich schwerer mit der lebendigen Hoffnung auf Gottes neue, gerechte Welt als die Menschen, die in Mangel und Chaos leben müssen.
Wir hängen an unserer sozialen Sicherheit, an unserem kleinen Wohlstand.
Doch langsam merken wir, dass wir von der Armut anderer leben und dass wir dabei nicht glücklich sind. Auch in uns wächst die Sehnsucht nach einer Welt der Geschwisterlichkeit und der Gerechtigkeit.

Die Ankunft der vielen Geflüchteten in unserem Land zwingt uns jetzt, Farbe vor uns selbst zu bekennen. Oder wie es im ersten Petrusbrief an anderer Stelle heißt: Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.
Und ich muss mich jetzt fragen: Sind die Geflüchteten für mich eine Hoffnung auf ein geschwisterliches Leben, eine Chance, mein reiches Leben mit ihnen zu teilen oder sehe ich in ihnen eher eine Bedrohung meines Wohlstandes, eine Bedrohung meiner Sicherheit oder gar eine Bedrohung der Freiheit meines Denkens und Glaubens?
Ich mache die Beobachtung, dass für die meisten, die mit Geflüchteten zu tun haben, diese ein Glücksfall sind, ein kleines Ostern. Sie machen ihr Leben reicher, die Fähigkeit zum Mitleiden und Mitfreuen größer. Sie werden durch sie angeregt zu Barmherzigkeit und Offenheit, ihre Welt wird größer und heller, ihre Hoffnung auf das Gelingen des Projekts Menschheit wird größer. Sie sind wie wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung.
Ich glaube, Hoffung entsteht beim Tun. Etwas pathetisch gesagt: Erst, wenn ich das Kreuz geschultert habe, spüre ich, welche Kraft ich habe und wie weit ich es tragen kann.
Jesus ist mit seinem Tun bis zur Selbstaufopferung gegangen. Es ist fast lächerlich, es zu sagen aber von Selbstaufopferung sind wir noch meilenweit entfernt!

Was für strahlende Bilder der Hoffnung aber hat uns dieser sich selbst aufopfernde Jesus hinterlassen!
Das Bild von Ankunft im Vaterhaus und Heimkehr. Das Bild vom großen Festmahl. Das Bild von der Stadt auf dem Berge, die weithin für alle sichtbar ist. Das Bild vom kleinen Samenkorn, das zu einem riesigen Strauch heranwächst, in dem die Vögel nisten.
Wir sind mit unserer Barmherzigkeit an den Geflüchteten noch himmelweit von der Selbstaufopferung entfernt.
Und doch wächst auch aus unseren kleinen Beiträgen die lebendige Hoffnung, dass noch etwas wird aus unserer Welt.
Der Anfang unserer Hoffnung ist Jesus. Er hat jeden Menschen so ernst genommen wie Gott.
Tun wir es ihm nach!