Predigt zu 1. Petrus 4,7-11 von Christine Hubka
4,7-11

Die Welt ist voller Ermahnungen:
Als Kind habe ich gehört: Lauf nicht so schnell, sonst fällst du hin.
Gib schön die Hand und mach einen Knicks.
Pass auf, wenn du über die Straße gehst.

Selbst wenn Menschen, die einander mögen und schätzen, sich voneinander verabschieden höre ich Ermahnungen:
Machs gut. Pass auf dich auf. Melde dich bald.

Ich mag keine Ermahnungen.
Schließlich bin ich erwachsen und passe auch auf mich auf, wenn mir das niemand nachruft.
Ich bin erwachsen genug, um das, was ich mache, so gut zu machen, wie ich eben kann.
Ich bin erwachsen genug, um selber zu wissen, wann und wie und bei wem ich mich melde.

Ich, glaube auch, dass die meisten Ermahnungen an Kinder völlig sinnlos sind.
Denn Kinder können so laufen, dass sie in der Regel nicht hinfallen.

Wozu dann Ermahnungen?
Ich vermute, wer ermahnt, nützt am ehesten sich selber.
Denn wenn etwas passiert, kann er oder sie sich zurücklehnen, und sagen:
Ich habe gemahnt, gewarnt. Aber man hat ja nicht auf mich gehört.
Ich bin nicht schuld daran, dass sich das Kind das Knie aufgeschlagen hat.
Ich bin nicht schuld daran, dass die Beziehung irgendwie eingeschlafen ist.

Man kann aus Ermahnung aber auch viel über die aktuellen Verhältnisse erfahren:
Dort, wo jemand meint, ermahnen zu müssen, zu sollen und zu wollen,
passiert in der Regel genau das Gegenteil von dem, was die Ermahnung fordert.

Der heutige Predigtabschnitt strotzt vor Ermahnungen:
Ich lese aus dem 1. Brief des Petrus im 4. Kapitel: (Verse 7-11)

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.
So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet.
Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge.
Seid gastfei untereinander ohne Murren.
Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.
Wenn jemand predigt, dass er’s rede als Gottes Wort;
wenn jemand dient, dass er’s tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus.
Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!. Amen.


Wie schaut es also bei den Leuten, bei den Christen, in der Gemeinde aus,
an die sich die Ermahungen richten?

Schauen wir uns das an:
So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet, lautet die erste Ermahnung.
Wir dürfen also aus dieser Ermahnung schließen:
Diese Leute benehmen sich nicht besonnen, sondern verrückt. Vor lauter Geschäftigkeiten vergessen sie, dass der Mensch auch Zeiten der Ruhe und der Besinnung braucht. Dass es mir selber und meinen Anliegen gut tut, Pause zu machen.aufzuhören, loszulassen, abzugeben. Sie sind voller Aktionismus, tun dieses und jenes und agieren dabei kopflos und aufgeregt. Drehen sich selber immer schneller in einen Strudel hinein.

Die nächste Ermahnung wird mit einer besonderen Dringlichkeit eingeleitet. Es scheint sich hier also um ein besonders akutes Problem zu handeln, wenn die Ermahnung mit den Worten eingeleitet wird: Vor allen Dingen!
Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge.

Vor allen Dingen. Hier scheint der Briefschreiber den Finger auf eine ganz besonders wunde Stelle zu legen. Was ist das Gegenteil von beständiger Liebe untereinander und dem Zudecken von einer Menge Sünden?
Für mich ist es das beständige Aufkochen alter Geschichten. Damals hast du mir dieses und jenes angetan. … Wenn du damals nicht darauf bestanden hättest, wäre das alles nicht passiert … Ich weiß noch genau, dass ihr das so und so wolltet. Schaut, wohin uns das geführt hat… Hättest du vor sieben Jahren nicht  . Ich kann mich ganz genau erinnern … Jetzt merkst du, wie sich das anfühlt …
Gegen dieses Aufrechnen und Vorhalten alter Geschichten scheint die nächste Ermahnung nur eine Kleinigkeit anzusprechen:

Seid gastfei untereinander ohne Murren.

Das Gegenteil davon, was zur Ermahnung veranlasst, wäre demnach:

Sie bleiben viel lieber unter sich, haben es kuschelweich miteinander. Jeder Fremde, jede Neue stört die vertraute Gemeinsamkeit. Denn wir haben uns aneinander gewöhnt, jeder hat ja so seine Eigenheiten. Es war schwer genug, sich zusammen zu raufen. Jeder Neue, jede Neue bringt wieder neue Eigenheiten mit. Da fängt die ganze Arbeit wieder von vorne an. Und manche Leute passen einfach nicht zu uns.
Da schauen sie aus dem Fenster und sehen Herrn X oder Frau Y kommen und verdrehen die Augen: O je, der schon wieder. Um Gottes Willen, die schon wieder. Diese Ungewaschene Gestalt. Dieser nervige Typ. Der kommt doch nur, um hier Kaffee und Kuchen zu essen.

Die nächste Ermahnung wendet sich an die, die engagiert mitarbeiten:

Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.

Es gibt dort wohl Leute, die eine Aufgabe in der Gemeinde übernehmen und die auch wunderbar erledigen. Und dann, eines Tages, übernehmen sie eine zweite Aufgabe, und eine dritte. Weil gerade keiner da ist, der das kann oder machen will. Und auf einmal machen solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel zu viel, und auch Dinge, die gar nicht ihres sind, die sie überfordern. Die Gemeinde übersieht, welche Gaben die anderen, die noch keine Aufgabe haben, einbringen und mitbringen. Mitarbeit wird zum Besitzstand, zum Herrschaftsbereich, den es zu vertreidigen gilt. Was ich nicht selber mache, wird nicht ordentlich gemacht, ist der Leitsatz. Einige wenige schupfen den ganzen Laden.

Auch die Prediger und Predigerinnen scheinen dort damals aus dem Gleis zu laufen. O ja, es gab schon in biblischen Zeiten auch Frauen, die das Evangelium verkündet haben. Diesen Leuten scheint es aber nicht immer nur ums Evangelium gegangen zu sein:

Wenn jemand predigt, dass er’s rede als Gottes Wort.

Was ist denn hier das Gegenteil? Die größte Gefahr für uns Prediger und Predigerinnen, ist es, uns zu schmücken mit klugen Reden, mit hochkarätigen Zitaten aus der Literatur. Mit geistreichen Wortspielen. Mit einfallsreichen Witzchen und einer Botschaft, die gefällig herüber kommt und niemanden kratzt und beißt.
Die größte Gefahr beim Predigen ist, aus Gottes Wort, das sich immer auch mit unserem eigenen Leben reibt, eine unverbindlich freundliche Angelegenheit zu machen. Eine Angelegenheit, die darauf reduziert wird, warme Gedanken und liebliche Gefühle zu erzeugen, statt uns zum Handeln herauszufordern im Hier und Jetzt.

Die letzte Ermahnung gilt allen, die sich in der Gemeinde engagieren, ganz gleich, ob sie Orgel spielen, Kaffee kochen, den Altar schmücken, Kindergottesdienst machen, Jugendarbeit oder sich um die Finanzen kümmern. Ehrenamtlich oder hauptamtlich.

Wenn jemand dient, dass er’s tue aus der Kraft, die Gott gewährt

Das Gegenteil ist hier für mich, die dauernde Müdigkeit, die Erschöpfung. Erschöpfte Mitarbeiter, fix und fertige Leute, die das, was sie tun nur noch aus Pflichtgefühl machen. Leute die sich aufreiben und aufopfern, aber aus ihrem Engagement keine Freude, keine Kraft mehr schöpfen. Leute, die sich selber und gegenseitig ständig überfordern, weil das, was sie von sich und anderen fordern, über ihre Kräfte geht.

So viele Ermahnungen an Menschen in längst vergangenen Zeit.
So viele Ermahnungen, an eine Gemeinde, eine Kirche vor Jahrhunderten.

Bei uns ist natürlich alles ganz anders.
Wir können über die dort und damals nur den Kopf schütteln.

Der Grund dieser Ermahnungen, die Einleitung, die das alles so dringlich macht, gilt aber auch uns:
Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.

Auch wenn wir nicht das baldige Ende der Welt erwarten, wann unsere Lebenszeit zu Ende ist, weiß keiner von uns.
Darum lohnt es sich, gelassen zu leben. Alte Geschichten nicht wieder neu aufzukochen. Kontakte zu pflegen und den Menschen entgegen zu kommen. Nicht mehr zu tun, als mir gut tut. Und was ich tue so zu machen, dass ich auch Freude daran habe.

Dass das alles  nicht nur erlaubt, sondern auch geboten ist,
dafür sei Gott Lob und Preis in Ewigkeit.

 

Perikope
17.08.2014
4,7-11