Predigt zu 1. Petrus 4,7-11 von Rudolf Rengstorf
4,7-11

Predigt zu 1. Petrus 4,7-11 von Rudolf Rengstorf

Es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet .Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Liebe Leserin, lieber Leser!
"Es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge."
Gemeint ist hier ursprünglich das Weltende, das man in der ersten Christenheit als unmittelbar bevorstehend erwartet hatte. Diese Erwartung hat getrogen. Gott allein weiß und bestimmt, wann es ein Ende hat mit allem und die Welt anbricht, in der er allein das Sagen hat.
Doch das Gefühl, nicht endlos Zeit zu haben und die Befürchtung, wesentliches in der  immer knapper werdenden Zeit zu verpassen, das ist uns nur allzu gut bekannt. Was können wir tun, damit wir am Ende nicht feststellen müssen: Du hast deine Zeit vertan. Du hättest vieles ganz anders anfangen müssen, um am Ende nicht  alles verloren zu haben?
Was können wir tun, um dem begegnen zu können, der am ende allein das letzte Wort über unser Leben hat? Gewiss, seine Barmherzigkeit wird dabei die entscheidende Rolle spielen.  Aber wie lebt man, wenn man das erhofft? Welche Konsequenzen hat meine Hoffnung für  meinen Alltag? Denn  wie soll meine Hoffnung tragen, wenn sie  sich nicht auf mein Leben auswirkt?  Dazu gibt der heutige Predigttext  klare und konkrete Handlungsanweisungen. Sehen wir uns die der Reihe nach an:

1. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet!
Wörtlich müsste man übersetzen: Nehmt eure Sinne zusammen und seid so nüchtern, dass ihr betet! Landläufig besteht ja die Meinung: Das Gebet beginne erst, wenn man mit dem Verstand am Ende ist und es setze sich weltfremd über die Wirklichkeit hinweg. Das hängt wohl damit zusammen, dass Beter bisweilen dazu neigen, vor Gott infantil zu werden und so zu reden, als könnten wir nichts und deshalb müsse Gott alles tun. Stattdessen heißt es hier: Betet mit Sinn und Verstand als Leute, die mit der Realität vertraut sind. Ihr wisst doch, dass Gott seine Welt den Menschen anvertraut und in ihre Hand gelegt hat, was geschieht. Ihr wisst aber auch, dass nach Gottes Willen nichts so bleiben wird, wie es ist: Krankheit und Leiden, Krieg und Hunger werden Menschen nicht ewig im Griff behalten, weil wir am Ende nur noch den lebendigen Gott vor uns haben.
Davon lasst euer Gebet ausgehen, um dann vor Gottes Angesicht nüchtern zu bedenken, wie sein heilsamer Wille unter den gegebenen Umständen umgesetzt werden kann. Wo man euch beten hört, soll keiner mitleidig lächeln können über Wünsche, die an der Wirklichkeit vorbeigehen. Wer euch beten hört, soll der Wirklichkeit voll begegnen und gleichzeitig staunen über den Geist, der sich nicht abfindet mit dem, was Menschen klein macht und sie leiden lässt. Wer euch beten hört, soll staunen, wie ihr euch öffnet, euch leiten und ansprechen lasst  von  einer  Macht, die dem Menschen unantastbare Würde zuspricht.
Das muss eine Welt mitbekommen, die von Menschenwürde redet, aber nicht sagen kann, woher sie kommt.

2. Haltet daran fest, einander Liebe zu erweisen. Denn die Liebe vermag Sünden zuzudecken,  so viele es ihrer auch sind.
Die Mahnung, an der Liebe festzuhalten, klingt zunächst sehr allgemein. Doch dann kommt sogleich  der konkrete und  auch aufschlussreiche Hinweis darauf, was Liebe tut. Sie tut etwas für andere, was keiner für sich selbst tun kann: Sie deckt zu, womit Menschen sich unmöglich gemacht haben.
Das heißt nun sicher nicht: Seht zu, dass alle Fehler und Gemeinheiten unter der Decke bleiben. Zudecken kann man ja nur, was vorher aufgedeckt war. Am Aufdecken von Schuld und Versagen führt kein Weg vorbei, damit Änderungen möglich werden. Doch sorgt dafür,  dass dieses Aufdecken nicht gnadenlos geschieht, dass die notwendige Enthüllung den Schuldiggewordenen nicht bloßgestellt da stehen lässt.. Um das Zudecken kümmert euch. Um das: Schluss jetzt!  Um den Schutz und die Wärme, die  jeder Mensch braucht, um wieder in den Spiegel blicken  und neu beginnen zu können.
Was für eine Aufgabe in einer Öffentlichkeit, die gelenkt durch die Medien nur darauf zu warten scheint, , dass ein Guttenberg oder ein Wulf, eine  Schwarzer oder eine Hadertauer  wegen eines Fehlers an den Pranger gestellt werden und sie davon nie wieder los kommen.
 
3. Gewährt einander Gastfreundschaft, ohne zu murren.
Dass man mit Leuten, die man kennt und mag, gastfreundlich umgeht, ist eine Selbstverständlichkeit und keiner denkt daran, darüber zu murren. Es sei denn, Schwiegermutter benimmt sich nicht als Gast, sondern als Hausherrin. Nein, hier geht es um Menschen, die wir nicht kennen, die fremd sind in unserem Ort, weil sie hier als Ausländer hergekommen oder aufgewachsen sind. Ihnen Raum zu geben und Chancen, hier heimisch zu werden, ist mühsam, erfordert viel Phantasie und Einfühlungsvermögen. Hinzu kommt:  Das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Die Beschaffung von Wohnungen für größere Familien, Sprachunterricht, zusätzliches Training an Arbeitsplätzen, Integration in Kindergärten und Schulen.  Das kostet Steuergelder. Da kommt man schnell ins Murren und Protestieren mit dem Tenor:: Das Boot ist voll! Grenzen bei uns und in den Nachbarländern dicht machen!
Nein, wir unterstützen in unseren Gemeinden alle Bemühungen, den Fremden ein neues Zuhause  und Bürgerrechte zu geben. Wir tun das, weil die Fremden in der Bibel durchgehend Achtung genießen bis dahin, dass Jesus unseren Umgang mit Fremden zum Maßstab dafür gemacht hat, wie wir mit ihm umgehen.

4. Und schließlich: Dient einander ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat als die Haushalter der vielfältigen Gnade Gottes.
Zugegeben, bisher haben die Handlungsanweisungen etwas anstrengend geklungen: Achtet auf Euer Beten, dass es mit Sinn und Verstand und Nüchternheit geschieht. Sorgt dafür, dass die Schuldiggewordenen in Würde weiterleben können. Seid gastfrei gegenüber Fremden. In der Tat, was uns hier als Gemeinde abverlangt wird, kostet Mühe. Auch Streit und Konflikte sind für  eine christliche Gemeinde unumgänglich.
Ausgesprochen charmant aber wird es, wenn es nun am Ende darum geht, was jeder einzelne in seinem Umfeld tun kann, wie er mit seinen Pfunden wuchern, seine Talente zeigen kann. Hört sich zwar zunächst auch eher trocken und gar beschwerlich an: "Dient einander - hm - ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat." Doch anstelle des blassen Wortes "Gabe" wäre das Wort Charme viel treffender. Denn im griechischen Urtext steht da Charisma auf französisch Charme. Leicht und fröhlich klingt das, auch nach Schmunzeln und  Augenzwinkern, denn in dem Wort charisma steckt das griechische Wort für Freude ganz unmittelbar mit drin. Und wenn man das weiß, und das tun Sie jetzt, dann wird deutlich und deshalb habe ich Ihnen das zugemutet: dann wird deutlich, was genau gemeint ist mit der Gabe, die jedem mitgegeben ist: Meine und Ihre Gabe ist das, was Sie und mich erfreulich macht für andere. Gott hat Ihnen und mir etwas mitgegeben, das Ihren und meinen Mitmenschen  Freude macht. Und es wäre doch ein Jammer, wenn wir davon keinen Gebrauch machten! Darum also geht es, mit unserem Christentum charmant zu werden, unseren Mitmenschen liebenswürdig und erfreulich zu begegnen. Damit erkennbar  wird, was in einer vergehenden Welt Zukunft hat: die Freundlichkeit und Güte Gottes. Amen.
 

Perikope
Datum 17.08.2014
Bibelbuch: 1. Petrus
Kapitel / Verse: 4,7-11
Wochenlied: 497
Wochenspruch: Lk 12,48