Predigt zu 1. Thessalonicher 4, 13-14 von Martina Janßen
4,13

Predigt zu 1. Thessalonicher 4, 13-14 von Martina Janßen

Liebe Gemeinde!
Vor ein paar Tagen rollte mir ein Ei vor’s  Rad, knallgelb mit einem Bändchen dran.  Ich bremste ab, sprang vom Sattel und versuchte es einzufangen, was nicht einfach war. Denn das Ei war leicht, aus dünnem Plastik, und draußen tobte ein Unwetter. Ein grauer Tag, regenverhangen der Himmel, kein Sonnenstrahl zu sehen, und ein typisch norddeutscher Sturm wirbelte alles auf.  Eine ältere Frau eilte aus ihrem Garten auf die Straße und gemeinsam gelang es uns, dieses im Wind  tanzende Ei  einzufangen.  Die Frau lachte, und versuchte vergeblich, ihre Locken zu bändigen, die der Sturm ihr ins Gesicht wehte. „Vielen Dank! Ich mache gerade den Osterschmuck, und da ist mir das hier entwischt!“ Ich warf einen Blick in ihren Garten und entdeckte einen halb fertig  geschmückten Strauch, der sich im Wind auf und ab wiegte. „Na, da haben sie sich ja das richtige Wetter ausgesucht – ganz schön mutig von Ihnen!“  -„Ach was“, winkte die die Frau mit einem Lächeln ab, „Ostern kommt ja nächste Woche, dann werden wir hier im Frühlingsgarten sitzen und die Sonne genießen. Warten Sie nur ab! Da ändert das Schietwetter heute auch nichts dran.“  Als ich wieder auf dem Fahrrad saß und gegen den Wind ankämpfte,  musste ich schmunzeln.  Eigentlich hat sie ja Recht, diese Frau.  Egal wie ungemütlich es jetzt auch ist, Ostern steht vor der Tür und der Frühling auch. Das ist so sicher wie das Licht der Sonne, auch wenn es  hinter einer grauen Wolkenwand versteckt ist. Selbst wenn das Unwetter um einen herum tobt und wütet, wird die Sonne hinter den Wolken hervorkommen -  vielleicht schon bald,  aber irgendwann ganz sicher.  Das zu wissen macht Mut, und man kann trotz Gegenwind und grauem Nieselwetter ein Lächeln wagen und sein Herz der Sonne und dem Licht entgegenstrecken. 
Taizélied: „Im Dunkel unsrer Nacht, entzünde das Feuer, das nie mehr verlischt, niemals mehr verlischt.“ (2x)
Ostern ist der Mut zum Leben, auch wenn der Tod um uns wütet.  Paulus wusste das.  Als er seinen Brief an die Gemeinde von  Thessaloniki schrieb, herrschte dort große Verunsicherung.  Die Christen damals glaubten, Jesus würde bald – noch zu ihren Lebzeiten-  wiederkommen und mit seiner Ankunft würde das Reich Gottes Wirklichkeit werden.  Doch die Zeit verging und die ersten Menschen, die an das neue Leben glaubten,  starben.  Und mit ihnen starb  auch ein wenig die Hoffnung, dass das Reich Gottes kommen würde. Vielleicht  war ja alles doch nur eine Illusion? Waren die Toten nicht der beste Beweis dafür?  Kommt für sie das Reich Gottes nicht zu spät? Kommt es überhaupt? Doch Paulus hält an der Hoffnung fest und schreibt an die verunsicherte Gemeinde:  „Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht in Unwissenheit lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen. (1Thess 4,13-14)“
Paulus weiß: Weil Jesus auferstanden ist und lebt, hat das Leben über den Tod gesiegt – das gilt auch für die Toten. Sie leben bei  Jesus. Davon ist Paulus überzeugt und das macht ihn mutig - mutig genug, an seiner Hoffnung festzuhalten, auch wenn er alte Vorstellungen aufgeben und sich von seinen Erwartungen verabschieden muss. Zu seinen Lebzeiten wird Jesus nicht wieder kommen - das muss Paulus sich eingestehen -  aber Jesus  kommt und mit ihm das neue Leben in Fülle. Auch wenn es anders aussehen mag, auch wenn es anders und zu anderen Zeiten kommt als man erhofft und erwartet - das Reich Gottes ist im Kommen. Diese Gewissheit ist für Paulus größer als alle Stürme und  Schatten in seinem Leben. Auch wenn es zurzeit nicht so aussieht - Gottes neue Welt ist da,  verdunkelt, verborgen, versteckt vielleicht, aber voller Kraft und Licht und Leben.
Taizélied: „Im Dunkel unsrer Nacht, entzünde das Feuer, das nie mehr verlischt, niemals mehr verlischt.“ (2x)
Liebe Gemeinde!
Auch in unserer Welt wütet der Tod, der große und die vielen kleinen Tode. Wem steht das nicht vor Augen?  Manchmal kann man den Glauben an das Gute schon verlieren. Da reicht oft schon ein  Blick in die Tageszeitung.  Und doch gibt es immer wieder Menschen, die den Mut aufbringen, gegen die vielen Todesmaschinerien  dieser Welt anzugehen. Manchmal kommt einem das vielleicht nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein vor, aber es sind Zeichen der Hoffnung, und mögen sie noch so unscheinbar und zerbrechlich sein. 
Mitten in unser aller Leben wütet der Tod, der und die vielen kleinen.   Wer wüsste davon nicht ein Lied zu singen? Von seiner Trauer und seiner Angst, von den großen und den kleinen Abschieden, von dem Dunkel, das über uns hereinbrechen kann in nur einer Nacht?  Und doch machen wir uns immer wieder auf, finden den Weg zurück ins Leben mit neuen Liedern voller Leben und Zuversicht auf den Lippen.
Als Jugendliche hat mich ein Lied besonders beeindruckt. Kurz nach dem Krebstod meines Vaters hat mir eine Freundin eine Platte geschenkt, auf der das Lied zu hören  war.  „Ton, Steine, Scherben“ hieß die Band, den Text des Liedes hat Rio Reiser geschrieben, als ein Freund von ihm nach einem schweren Unfall im Krankenhaus lag und um sein Leben kämpfte. Da heißt es:
  „Manchmal bin ich kalt und schwer wie ein Sack mit Steinen.
  Kann nicht lachen und auch nicht weinen.
  Seh' keine Sonne, seh' keine Sterne,
  und das Land, das wir suchen, liegt in weiter Ferne.
  Doch wir werden diesen Weg zu Ende geh'n,
  und ich weiß, wir werden die Sonne sehn!
  Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten.“
Mich haben diese Worte in meiner Trauer getröstet:  Irgendwann schlägt das Dunkel um in Licht, und wir werden die Sonne sehen und die, die wir lieben. Im Gesangbuch findet man Rio Reisers Lied nicht,  und „Ton, Steine, Scherben“ sind auch kein Kirchenchor, sondern eine deutsche Punkrockband der 70er. Trotzdem – für mich war und ist das ein Osterlied! Dennes singt vom Mut zum Leben,  auch wenn der Tod um uns wütet.  Für mich ist das kein uneinsichtiger Trotz und auch nicht der Mut der Verzweiflung, sondern mein Mut speist sich aus der Zuversicht, dass das Leben nicht verlieren kann. Der Tod ist überwunden und das Leben kommt ans Licht  – das ist das Geheimnis von Ostern und manchmal wird es in unserem Leben offenbar.  Dieses Wissen um den Sieg des Lebens lebt in mir – subversiv und instinktiv – und es gibt mir immer wieder neu den Mut, im Dunkel ein Lied von der Sonne anzustimmen und mitten im Wüten des Todes meinen Weg zu gehen der Sonne und dem Licht entgegen.
Taizélied: „Im Dunkel unsrer Nacht, entzünde das Feuer, das nie mehr verlischt, niemals mehr verlischt.“ (2x)
Liebe Gemeinde!
Wir alle tragen solche Geschichten in uns, Geschichten davon, wie wir der Angst und dem Dunkel in und um uns die Stirn geboten haben, weil wir den Mut hatten, an das Leben zu glauben. Das können lange und schwere Geschichten sein, für die wir nur mühsam die richtigen Worte finden. Das können kleine Geschichten sein, die uns leicht und mit einem Lächeln in den Augen über die Lippen gehen. Wir alle tragen solche Ostergeschichten wie einen Schatz im unserem Herzen. Erzählen wir einander von diesem  Mut zum Leben, auch wenn der Tod um uns wütet.  Schmücken wir unser  Leben mit diesen Geschichten. Sie geben Farbe und Licht, wo es dunkel  ist. Ein bisschen so wie diese bunten Eier an einem grauen, stürmischen Vorostertag. Mutig  trotzen sie dem Sturm,  tanzen leichtfüßig  auf den Böen so  als wollten sie die Sonnenstrahlen herauskitzeln und mit ihnen die Wärme und das Licht - richtige Ostereier eben mit dem Mut  zu leuchten  und zu tanzen mitten im Sturm, in jedes Dunkel hinein.
Amen
Taizélied: „Im Dunkel unsrer Nacht, entzünde das Feuer, das nie mehr verlischt, niemals mehr verlischt.“ (2x)
Perikope
Datum 07.04.2012
Bibelbuch: 1. Thessalonicher
Kapitel / Verse: 4,13
Wochenlied: 99
Wochenspruch: Offb 1,18