Predigt zu 1. Thessalonicher 4, 13-14 von Wolfgang Vögele
4,13
Der Predigttext für diese Osternacht steht 1Thess 4,13-14:
„Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen.“
Liebe Gemeinde,
im dämmernden Morgen blinzelt der Schlaftrunkene im Sonnenlicht, das durch die halb geöffneten Fensterläden einströmt. Was ihn gerade zu dieser frühen Morgenstunde aufgeweckt hat, ein verwirrender Traum oder ein krähender Hahn, das ist nicht klar. Der aufwachende Schläfer muß es auch nicht wissen. Schwere Beine und Arme wollen sich noch nicht bewegen, wollen lieber liegen bleiben in der wohligen Wärme der dünnen Bettdecke. Schon so spät, fragt das schläfrige Ich und gestattet sich ein weiteres Blinzeln mit den Augen. Auf das Blinzeln folgen Bewegungen der Gliedmaßen, Beine und Arme strecken sich doch und dehnen die steifen Muskeln. Die Augenlider bleiben weiter geschlossen, damit das viele Licht nicht blendet. Die heftigen Szenen des letzten Traumes verschwinden unmerklich im Vergessen, wie sie im Schlaf den Träumenden zu Zorn und Lachen aufgerührt haben. Noch langsam versucht das Bewußtsein, sich zu fangen und einen Fetzen des Traumes für später in Erinnerung zu behalten. Aber das Sonnenlicht und der Tag fordern vom aufwachenden Schläfer eigene Aufmerksamkeit. Das träge Bewußtsein springt aus der Düsterkeit in die Routine hellen Alltags. Am Ende gibt sich der Schläfer einen Ruck und richtet sich auf, zunächst zum Sitzen. Er fröstelt an den nackten Füßen, spürt die Kälte des Morgens die Unterschenkel hinaufziehen und steht dann auf beiden Beinen, um sich durch Waschen, Anziehen und Frühstücken auf den Tag einzustellen.
Aufwachen und Auferstehen, Schlafen und Tod gehören zusammen. Der Tod ist „des Schlafes Bruder“, wie es im Gedicht heißt. Aufstehen und Auferstehen gehen ineinander über. Wer mit nachttrunkener Mühe in der Morgendämmerung aufwacht, der lernt ohne große Mühe am eigenen Leib, was der Glaube an die Auferstehung bedeuten kann. Das Alltägliche erklärt das Außergewöhnliche, das Besondere kommt aus dem Banalen, und aus der Routine lernen wir etwas über das Wunderbare, das wir sonst nicht mit Worten fassen können. Was wir nicht mit Worten fassen können, das haben wir in alten feierlichen Worten gehört: die Schöpfung, die Sintflut und die Auferstehung der Totengebeine. Das Wunder der Auferstehung wird von anderen Wundern begleitet.
Aus dem großartigen Schöpfungsbericht den Bibel ahnen wir den unsichtbaren Gott, der Tag für Tag für gut erklärt, was er an Vielfalt in der weiten Welt geschaffen hat. Vom kreisenden Elektron bis zum kreisenden Planeten, von der Knospe des Apfelbaums bis zu Mann und Frau gilt: Und siehe, es war sehr gut. Aus der Geschichte der Sintflut, der Arche und der Taube sprechen zu uns der brennende Zorn Gottes am Anfang und der Regenbogen, der neue Bund der Versöhnung am Ende. Die Taube bringt von ihrem Ausflug über die nicht enden wollende Wasseroberfläche den verheißungsvollen Ölzweig mit. Und beim Propheten Hesekiel entsteht vor unseren Augen die Vision von den toten Gebeinen, die durch den Geist Leben und Körperlichkeit zurückgewinnen.
Demgegenüber klingt der Predigttext sehr nüchtern, sehr sachlich, sehr formal, mehr Erklärung als enthusiastische Glaubensbegeisterung, schlichtere, kleinere Münze des Glaubens als die großen prophetischen Bilder vom Ende der Welt.
Und dennoch besitzt dieses kurze Briefstück hohen Rang und eigene Würde. Ist der 1.Thessalonicherbrief doch der älteste Brief des Apostels Paulus, der uns überliefert ist, ja das älteste Schriftstück des Neuen Testaments: Zum ersten Mal überhaupt äußert sich der Apostel hier über die Auferstehung Christi und über die Auferstehung der Toten. Sozusagen Auferstehung auf altem Briefpapier, wenn es Papier denn damals schon gegeben hätte.
Die Thessalonicher, die im Glauben noch unerfahrenen Menschen aus der neu gegründeten Gemeinde waren offensichtlich besorgt, weil es in der Gemeinde zu Todesfällen gekommen war. Sie rechneten damit, schon vor dem Tod in das ewige Reich Gottes entrückt zu werden. Nun sind dennoch Gemeindeglieder aus der Stadt gestorben. Diese Gemeindeglieder in Thessaloniki kann man sich heute gar nicht vorstellen: Sie hatten kein Neues Testament, keine Sammlung katholischer Enzykliken und evangelischer Denkschriften, keine Bekenntnisse, und sie wußten noch nichts von konfessionellen Lehrstreitigkeiten. Hätten sie das Internet zur Verfügung gehabt, sie hätten erfolglos gegoogelt. Was tun?
Man schrieb einen heute verlorenen, besorgten Brief an den apostolischen Lehrer, der die Gemeinde gegründet hatte. Und Paulus gibt drei Antworten in zwei Sätzen, das, was wir als Predigttext gehört haben.
An einer Tatsache zweifeln die Thessalonicher nicht: Christus ist auferstanden. Seinen Tod, den Tod des Gekreuzigten hat Gott überwunden. Was aber ist mit denen, die nach diesem Ereignis sterben. Die Thessalonicher scheinen zu klein von der Auferstehung zu denken. Denn in der wird nicht nur der gekreuzigte Tote wieder lebendig. Auferstehung ist vielmehr der Beginn der neuen, zweiten, erlösenden Schöpfung: eine Verwandlung, die nur mit der Erschaffung der alten, ersten Welt verglichen werden kann. Gott sieht, daß diese Auferstehung sehr gut ist. Sie ist gleichsam der achte Schöpfungstag, Anfang der verheißenen, ausstehenden Welt, Anfang von Gottes Reich.
Die große Verwandlung der Auferstehung verwandelt auch den Tod. Gott hat den Gekreuzigten wieder lebendig gemacht. Und wenn er diese ungeheuerliche Kraft hat, dann wird er auch die mittlerweile gestorbenen Toten aus der Gemeinde von Thessaloniki – und anderer Gemeinden – wieder zum Leben erwecken können. Es kommt für Paulus nicht auf die so genannte Naherwartung an. Diese Erwartung sagt: Noch zu Lebzeiten werden die Glaubenden aus Thessaloniki, Ephesus und Philippi entrückt.
Aber Paulus ahnte damals schon: Christus wird wieder kommen, egal zu welchem Zeitpunkt. Niemand muß das berechnen. Berechnung verweist nur auf die Furcht der Berechner. Wichtig ist allein die Gewißheit der Auferstehung, der neuen Welt, des neuen Welt. Sie wird kommen. Wie das geschehen wird, kann das Geheimnis Gottes bleiben. Diese Auferstehung wird Tote und Lebende umgreifen.
Paulus spricht von den Toten als „Schlafenden“. Die Toten schlafen nur. Das will sagen: Sie werden alle zum neuen Leben aufwachen, wie wir alle dazu aufwachen werden und uns verwundert in dieser seiner neuen Welt, in Gottes Reich umschauen werden. Auferstehung wird sein wie ein Aufwachen. Wir werden uns den Schlaf des alten Lebens aus den Augen reiben. Wir werden jubeln über die neue Schöpfung, wir werden uns freuen über den neuen Himmel und die neue Erde.
Nun können einige einwenden: Ich kann das neue Licht noch nicht sehen. Niemand von uns blickt hinter die Grenze des Todes. Und das stimmt. Aber unser Glaube ist von der Hoffnung bestimmt. Und diese Hoffnung reicht über den Tod hinaus. Der Gott, der die Welt geschaffen hat, schafft in der Auferstehung Christi und in der Auferstehung der Toten neues Leben. Ich bin sicher, jeder von uns hat schon Tage erlebt, an dem die Zumutung des Auferstehungsglaubens die Grenzen eben dieses Glaubens gesprengt hat. Aber Gottes Handeln und Gottes Möglichkeiten sind größer, vielfältiger und herrlicher zu denken. Gott vermag mehr, Wunderbareres und Unglaublicheres als wir es uns in den engen Grenzen unseres Denkens und Fühlens vorzustellen vermögen.
Unsere Hoffnung lebt von dem Gott, der die Welt geschaffen hat. Er hat in Christus den Tod überwunden. Mit Christi Auferstehung beginnt die Schöpfung der neuen Welt des Reiches Gottes. Das ist wie ein Aufwachen.
Auferstehung und Aufwachen gehören auf das Engste zusammen. Denken Sie daran: jedes Mal, wenn Sie einschlafen. Amen.
„Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen.“
Liebe Gemeinde,
im dämmernden Morgen blinzelt der Schlaftrunkene im Sonnenlicht, das durch die halb geöffneten Fensterläden einströmt. Was ihn gerade zu dieser frühen Morgenstunde aufgeweckt hat, ein verwirrender Traum oder ein krähender Hahn, das ist nicht klar. Der aufwachende Schläfer muß es auch nicht wissen. Schwere Beine und Arme wollen sich noch nicht bewegen, wollen lieber liegen bleiben in der wohligen Wärme der dünnen Bettdecke. Schon so spät, fragt das schläfrige Ich und gestattet sich ein weiteres Blinzeln mit den Augen. Auf das Blinzeln folgen Bewegungen der Gliedmaßen, Beine und Arme strecken sich doch und dehnen die steifen Muskeln. Die Augenlider bleiben weiter geschlossen, damit das viele Licht nicht blendet. Die heftigen Szenen des letzten Traumes verschwinden unmerklich im Vergessen, wie sie im Schlaf den Träumenden zu Zorn und Lachen aufgerührt haben. Noch langsam versucht das Bewußtsein, sich zu fangen und einen Fetzen des Traumes für später in Erinnerung zu behalten. Aber das Sonnenlicht und der Tag fordern vom aufwachenden Schläfer eigene Aufmerksamkeit. Das träge Bewußtsein springt aus der Düsterkeit in die Routine hellen Alltags. Am Ende gibt sich der Schläfer einen Ruck und richtet sich auf, zunächst zum Sitzen. Er fröstelt an den nackten Füßen, spürt die Kälte des Morgens die Unterschenkel hinaufziehen und steht dann auf beiden Beinen, um sich durch Waschen, Anziehen und Frühstücken auf den Tag einzustellen.
Aufwachen und Auferstehen, Schlafen und Tod gehören zusammen. Der Tod ist „des Schlafes Bruder“, wie es im Gedicht heißt. Aufstehen und Auferstehen gehen ineinander über. Wer mit nachttrunkener Mühe in der Morgendämmerung aufwacht, der lernt ohne große Mühe am eigenen Leib, was der Glaube an die Auferstehung bedeuten kann. Das Alltägliche erklärt das Außergewöhnliche, das Besondere kommt aus dem Banalen, und aus der Routine lernen wir etwas über das Wunderbare, das wir sonst nicht mit Worten fassen können. Was wir nicht mit Worten fassen können, das haben wir in alten feierlichen Worten gehört: die Schöpfung, die Sintflut und die Auferstehung der Totengebeine. Das Wunder der Auferstehung wird von anderen Wundern begleitet.
Aus dem großartigen Schöpfungsbericht den Bibel ahnen wir den unsichtbaren Gott, der Tag für Tag für gut erklärt, was er an Vielfalt in der weiten Welt geschaffen hat. Vom kreisenden Elektron bis zum kreisenden Planeten, von der Knospe des Apfelbaums bis zu Mann und Frau gilt: Und siehe, es war sehr gut. Aus der Geschichte der Sintflut, der Arche und der Taube sprechen zu uns der brennende Zorn Gottes am Anfang und der Regenbogen, der neue Bund der Versöhnung am Ende. Die Taube bringt von ihrem Ausflug über die nicht enden wollende Wasseroberfläche den verheißungsvollen Ölzweig mit. Und beim Propheten Hesekiel entsteht vor unseren Augen die Vision von den toten Gebeinen, die durch den Geist Leben und Körperlichkeit zurückgewinnen.
Demgegenüber klingt der Predigttext sehr nüchtern, sehr sachlich, sehr formal, mehr Erklärung als enthusiastische Glaubensbegeisterung, schlichtere, kleinere Münze des Glaubens als die großen prophetischen Bilder vom Ende der Welt.
Und dennoch besitzt dieses kurze Briefstück hohen Rang und eigene Würde. Ist der 1.Thessalonicherbrief doch der älteste Brief des Apostels Paulus, der uns überliefert ist, ja das älteste Schriftstück des Neuen Testaments: Zum ersten Mal überhaupt äußert sich der Apostel hier über die Auferstehung Christi und über die Auferstehung der Toten. Sozusagen Auferstehung auf altem Briefpapier, wenn es Papier denn damals schon gegeben hätte.
Die Thessalonicher, die im Glauben noch unerfahrenen Menschen aus der neu gegründeten Gemeinde waren offensichtlich besorgt, weil es in der Gemeinde zu Todesfällen gekommen war. Sie rechneten damit, schon vor dem Tod in das ewige Reich Gottes entrückt zu werden. Nun sind dennoch Gemeindeglieder aus der Stadt gestorben. Diese Gemeindeglieder in Thessaloniki kann man sich heute gar nicht vorstellen: Sie hatten kein Neues Testament, keine Sammlung katholischer Enzykliken und evangelischer Denkschriften, keine Bekenntnisse, und sie wußten noch nichts von konfessionellen Lehrstreitigkeiten. Hätten sie das Internet zur Verfügung gehabt, sie hätten erfolglos gegoogelt. Was tun?
Man schrieb einen heute verlorenen, besorgten Brief an den apostolischen Lehrer, der die Gemeinde gegründet hatte. Und Paulus gibt drei Antworten in zwei Sätzen, das, was wir als Predigttext gehört haben.
An einer Tatsache zweifeln die Thessalonicher nicht: Christus ist auferstanden. Seinen Tod, den Tod des Gekreuzigten hat Gott überwunden. Was aber ist mit denen, die nach diesem Ereignis sterben. Die Thessalonicher scheinen zu klein von der Auferstehung zu denken. Denn in der wird nicht nur der gekreuzigte Tote wieder lebendig. Auferstehung ist vielmehr der Beginn der neuen, zweiten, erlösenden Schöpfung: eine Verwandlung, die nur mit der Erschaffung der alten, ersten Welt verglichen werden kann. Gott sieht, daß diese Auferstehung sehr gut ist. Sie ist gleichsam der achte Schöpfungstag, Anfang der verheißenen, ausstehenden Welt, Anfang von Gottes Reich.
Die große Verwandlung der Auferstehung verwandelt auch den Tod. Gott hat den Gekreuzigten wieder lebendig gemacht. Und wenn er diese ungeheuerliche Kraft hat, dann wird er auch die mittlerweile gestorbenen Toten aus der Gemeinde von Thessaloniki – und anderer Gemeinden – wieder zum Leben erwecken können. Es kommt für Paulus nicht auf die so genannte Naherwartung an. Diese Erwartung sagt: Noch zu Lebzeiten werden die Glaubenden aus Thessaloniki, Ephesus und Philippi entrückt.
Aber Paulus ahnte damals schon: Christus wird wieder kommen, egal zu welchem Zeitpunkt. Niemand muß das berechnen. Berechnung verweist nur auf die Furcht der Berechner. Wichtig ist allein die Gewißheit der Auferstehung, der neuen Welt, des neuen Welt. Sie wird kommen. Wie das geschehen wird, kann das Geheimnis Gottes bleiben. Diese Auferstehung wird Tote und Lebende umgreifen.
Paulus spricht von den Toten als „Schlafenden“. Die Toten schlafen nur. Das will sagen: Sie werden alle zum neuen Leben aufwachen, wie wir alle dazu aufwachen werden und uns verwundert in dieser seiner neuen Welt, in Gottes Reich umschauen werden. Auferstehung wird sein wie ein Aufwachen. Wir werden uns den Schlaf des alten Lebens aus den Augen reiben. Wir werden jubeln über die neue Schöpfung, wir werden uns freuen über den neuen Himmel und die neue Erde.
Nun können einige einwenden: Ich kann das neue Licht noch nicht sehen. Niemand von uns blickt hinter die Grenze des Todes. Und das stimmt. Aber unser Glaube ist von der Hoffnung bestimmt. Und diese Hoffnung reicht über den Tod hinaus. Der Gott, der die Welt geschaffen hat, schafft in der Auferstehung Christi und in der Auferstehung der Toten neues Leben. Ich bin sicher, jeder von uns hat schon Tage erlebt, an dem die Zumutung des Auferstehungsglaubens die Grenzen eben dieses Glaubens gesprengt hat. Aber Gottes Handeln und Gottes Möglichkeiten sind größer, vielfältiger und herrlicher zu denken. Gott vermag mehr, Wunderbareres und Unglaublicheres als wir es uns in den engen Grenzen unseres Denkens und Fühlens vorzustellen vermögen.
Unsere Hoffnung lebt von dem Gott, der die Welt geschaffen hat. Er hat in Christus den Tod überwunden. Mit Christi Auferstehung beginnt die Schöpfung der neuen Welt des Reiches Gottes. Das ist wie ein Aufwachen.
Auferstehung und Aufwachen gehören auf das Engste zusammen. Denken Sie daran: jedes Mal, wenn Sie einschlafen. Amen.
Perikope