Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Gabriele Arnold
3,16

Liebe Gemeinde

Eben haben wir sie wieder gehört die alte wunderbare Geschichte. In der Schriftlesung hat sie jedermann und jede frau gehört, nicht nur bei uns, überall auf der Welt wird sie heute gelesen und gehört: die Weihnachtsgeschichte.

Manchen ist sie so vertraut wie ein Lied aus Kindertagen, andere hören sie erstaunt und erinnern sich an längst vergessene Träume – da war doch was. Einige hören sie vielleicht zum ersten Mal. Aber kaum einer kann sich dem Charme dieser Geschichte entziehen. Vielleicht weil es eine so einfache Geschichte ist. Eine Frau, ein Mann, ein Kind, Schafe und Hirten, Engel und Licht. Eine menschliche  Geschichte, denn sie erzählt doch von uns: Frau und Mann, ein Kind, Mensch und Tier, Himmel und Erde. Eine Urgeschichte unserer Sehnsucht: ein neugeborenes Kind-welches Glück. Und zugleich eine, ja, die Gottesgeschichte. Gott wird Mensch und der Himmel öffnet sich.

Man kann diese Geschichte nicht zum Verstummen bringen. Weder die Verkitschung von Weihnachten durch Jingle Bells in allen Kaufhäusern noch die aggressive Werbung vom Weihnachtssparen kann die Weihnachtsgeschichte  töten. Nicht einmal die grausame Wirklichkeit unserer Welt kann diese Geschichte aus unseren Herzen vertreiben. Ja, je schlimmer es um uns und um unsre Welt bestellt ist, umso mehr entfacht diese Geschichte unsere Sehnsucht nach Heil und Frieden, unsere Sehnsucht, dass es doch einen Gott gibt , geben könnte, dem wir vertrauen und der diese Welt wieder ins Lot bringt.

Unzählige Male ist die Weihnachtsgeschichte vertont worden von der Stillen Nacht bis zu den großen Oratorien, wo Pauken und Trompeten uns zum Jauchzen einladen. Ungezählte Bilder und Nacherzählungen gibt es. In aller Welt stehen Krippen: Maria und  Josef und das Kind in der Krippe,  in allen Kulturen sind sie zu Hause. Nur in der Bibel selber, in dem Buch, in dem diese Geschichte aufgeschrieben ist, bleibt sie merkwürdig folgenlos. Nie wird auf sie Bezug genommen. Nie mehr wird sie weitererzählt. Das Wunder der Weihnacht es taucht ein, taucht unter in Sätze, in Theologie, in Glaubenslehren. Und so ein Satz ist der Predigttext für den heutigen Heiligen Abend.

Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.1.Tim.3,16

Ein Satz. Nur ein Satz. Ein Satz, der in einer großen, atemberaubenden Bewegung die ganze Geschichte erzählt. Die Geschichte vom Kindlein in der Krippe, die Geschichte vom großen Gott, der das Kleine nicht scheut, von den Menschen aus allen Völkern, die diesem Kinde, diesem Gott mit dem Gesicht eines Menschen glauben. Menschen, die sich geborgen wissen bei Gott. Und in diesem Satz steckt auch wie es weitergeht mit diesem Kindlein. Als erwachsener Mann wird er vor Schmerzen schreien und sterben und mit ihm schreit Gott und stirbt mit ihm. Seit damals weiß Gott, wie sich das anfühlt Mensch zu sein, wie schön es sein kann und wie erbärmlich. All unser Schmerzen kennt er, er schreit mit uns und weint und stöhnt. Deswegen glauben ihm auch die Menschen weil Gott herabgestiegen ist und sich nicht zu schade war für uns.

Wer will schon einen erhaben, fernen Gott? „Den aller Weltkreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß, er ist ein Kindlein worden klein der alle Ding erhält allein.“ So heißt es in einem alten Weihnachtslied. Ja, Gott liegt in Mariens Schoß. Der große Gott ist ganz klein, ist ganz menschlich und ist wie wir. Das und nichts anderes heißt geoffenbart im Fleisch. Der große Gott ein Menschenkind aus Fleisch und Blut in die Welt gekommen, hineingeboren so wie wir und so wie wir wird er aus der Welt hinaussterben. Schutzlos und hilflos. Ausgesetzt Wind und Wetter als Baby und später den bösen Mächten.

Und wie wir ist dieser Gott angewiesen auf Menschen, die ihn lieben und aufnehmen, ihn wärmen und trösten. Und zugleich ist er es, der Menschen aufnimmt und wärmt und tröstet und wunderbar berührt und verwandelt. Das ist das Geheimnis des Glaubens. Gott kommt zu uns, braucht unser Herz und macht es dann warm und hell in unseren Herzen. So will er geglaubt sein Als der nahe Gott, als der der uns anrührt.

Und so wird er seit Weihnachten aller Welt verkündet. So können seither Menschen aller Nationen ihm glauben ihm vertrauen. Denn Gott ist nicht mehr fern sondern nah. Er lässt sich anschauen im Gesicht eines Babys, er reicht uns die Hand, er streckt sie uns entgegen. Gott wird so sehr Mensch, dass er in einer afrikanischen Krippe schwarz ist, in China gelb und bei uns ein Knabe mit lockigem Haar. Das mag man komisch finden, aber es zeigt doch, dass  die Menschen Gottes Geheimnis verstanden haben. Er ist jetzt einer von uns. Und zugleich bleibt er doch verborgen in Herrlichkeit. Wir sehen ihn nicht, wir glauben ihn. Klein ist Gott und schwach und zugleich ist er ewig und heilig und kann Wunder geschehen lassen, die über unser Verstehen gehen. So wie das Weihnachtswunder, das unsere Herzen berührt. Und das uns gesagt werden muss. Gepredigt den Heiden.

Uns Heiden, denn von selber können wir das ja nicht wissen. Wir stellen uns alle möglichen Fragen über Gott und versuchen auf alle erdenklichen Arten zu ihm zu gelangen. Durch Meditation und Feng Shui. Durch Frömmigkeit und sittlichen Lebenswandel. Alles das ist nicht nötig. Alles das sind kleingläubige, heidnische Versuche sich Gott gewogen zu machen. Die Geschichte vom großen Gott der klein in die Welt kommt, die müssen wir hören. Müssen Hören, dass Gott ja längst schon da ist Diese Botschaft will, muss unser Herz erreichen.

Verstehen können wie das nicht. Aber wir können der Geschichte vertrauen, ihr glauben. Wir können glauben, dass wir niemals mehr allein sind. Wir können glauben, dass Gott mit uns ist. Und diese Botschaft brauchen wir mehr als alles andere im Leben. Warum? Damit uns die Hoffnung nicht verloren geht. Denn auch wenn wir heute feiern und uns freuen, so wissen wir doch, dass es auch anders geht und dass wir viel Hoffnung brauchen um unser Leben zu bestehen.

Das ist die ganz irdische Wahrheit, das gehört zu dem Fleisch wie unser Predigttext sagt und das können wir heute Abend nicht vergessen. Auch heute Abend gibt es Tränen in der Welt und der Tod geht um. Auch heute Abend werden Menschen schreien und sich bitterlich Unrecht tun, auch heute Abend werden Menschen hungern und frieren und auf der Flucht ihr Leben lassen. Um da nicht zu kapitulieren, um da nicht die Hoffnung zu verlieren brauchen wir Gott. Gott in uns. Da brauchen wir eine große Hoffnung. Und auch von dieser Hoffnung erzählt unser Satz, zu dieser Hoffnung schwingt er sich auf, darauf läuft alles andere zu.

Die Geschichte Gottes in diesem Kindlein mit uns und mit aller Welt sie ist ja noch lange nicht zu Ende. Da kommt noch was. Aufgenommen in Herrlichkeit. Das letzte Wort ist Herrlichkeit. Wenn Gott am Ende aller Zeiten und am Ende unseres Lebens endlich alles in allem ist, wenn Gott und Welt wieder zu einander gehören, wenn wir wieder ganz bei Gott sind, dann wird es eine wunderbare und schöne und große Herrlichkeit, ein Glanz und ein Leuchten sein. All unser Weihnachtsglanz ist nur ein müder Vorgeschmack dieser großen überirdischen Schönheit. Man kann das als Vertröstung verächtlich machen. Man kann diese riesige Hoffnung klein reden und lächerlich machen oder mit bissiger Ironie überziehen. Wir können dieser Hoffnung aber auch einfach trauen. So wie wir Gott trauen. Und dann ist nicht nur heute Weihnachten sondern auch an anderen Tagen, an dunklen und hellen. Wenn wir dieser Hoffnung trauen werden wir anders leben. Leichter, freier und mutiger. So wie wir es in der Adventszeit gesungen haben „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und Schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gottes Huld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr. Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“ Sind das nicht gute Aussichten? Damit lässt es sich leben und wenn’s sein muss sogar sterben. Amen

Perikope