Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Jan-Dirk Döhling
3,16

- Groß ist, wie jedermann bekennen muss das Geheimnis des Glaubens.– so bejubelt der erste Timotheusbrief das Weihnachtswunder. Und das Geheimnis heißt: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, er ist geglaubt in der Welt, aufgenommen in und er ist aufgenommen Herrlichkeit.

Und seit Jahr und Tag können  Himmel und Erde es nicht ergründen. Denn ein Rätsel kann man lösen - aber von einem Geheimnis, da muss man erzählen, es herumsprechen, sich drauf einlassen - und dann kann es kann feiern – Gott sei Dank.

1.) Im Himmel – so wird erzählt – da wurde getuschelt, als sich der Plan herumsprach. Und Ratlosigkeit  glänzte auf den Gesichtern der Engel und nicht wenige in den Heerscharen tauschten schwere Bedenken – hinter vorgehaltenen Flügeln.

Wie konnte er nur - er der Baumeister des Kosmos, der einst fein säuberlich geschieden hatte zwischen Tag und Nacht zwischen Himmel und Erde. Wie konnte er nur? Und wieso wollte er? Sich so herablassen, sich verlieren ans Dunkel, sich hinabstürzen in die Nacht. 
Sie, die unerschöpfliche Quelle, aus der sich der mächtige Strom des Lebens ergoss auf diesen kleinen Planeten, sie die mit ihrer Lebendigkeit Länder und Meere und Pflanzen und Tiere und alle Geschöpfe durchströmte, wie konnte sie nur zu einem einzelnen Tropfen werden wollen - versickern, verdunsten auf dem Acker der Welt.
Er der dreimal heilige, den kein Auge je gesehen und kein Ohr je gehört hatte – wie konnte er nur, – und wieso wollte er - nun ausgerechnet so Gehör finden wollen, sich ausgerechnet so zeigen: Runzelig rot an einer Nabelschnur, trinkend an der Brust einer Frau.
Sie, die Macht, die Sternen und Sonnen ihre Bahn gab, wie konnte sie nur und wieso wollte Sie, so aus der Rolle fallen und so klammheimlich die Seiten wechseln, verstohlen und unauffällig?

War das nicht ein Skandal, war das nicht eine neue Verrücktheit, die ultimative diesmal durch nichts zu steigern. Eine unglaubliche Kinderei wohlwollend betrachtet. Geschmacklos sogar strenggenommen. So redeten sie die Himmlischen als der Plan bekannt wurde, hinter vorgehaltenen Flügeln.

Dann aber, in jener Nacht, als der Schrei der Geburt durch die Finsternis hallte, da wurden sie alle mitgerissen vom Strom der Freude der aus Gott selbst hervorbrach, als sei er endlich nach Hause gekommen. Und die Freude, sie flutete durch jeden Stein, jeden Grashalm und jedes Atom des Universums. Und sie –  die Engel, sie wussten nicht wie – auch aus ihnen bracht der Jubel heraus und er erfüllte Himmel und Erde. Und seitdem ist er nie mehr verklungen,  nur einmal für drei Tage lang.

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –

Gepredigt den Heiden
2.) In Rom, der Hauptstadt der Welt, in den Büros der kaiserlichen Zensur- und Sicherheitsbehörden, Abteilung Sekten und Kulte des vorderen Orient, Unterabteilung Judaica schmunzelte man als man die Geschichte las, die bei dieser neuen jüdischen Sekte beschlagnahmt worden waren.
Man war ja allerhand verworrenes Zeug gewöhnt von diesen jüdischen Spinnern. Aber das hier, das war endlich einmal gut ausgedacht. Natürlich es, war eine blanke Unverschämtheit, wenn man es gemäß den Vorschriften betrachtete. Aber eine mit Köpfchen, fast eine Art Kabarett – das natürlich keinesfalls in die falschen Hände geraten durfte. Bei den eingeweihten aber sorgte es für einige Heiterkeit und so reichte man die Storry weiter, heimlich-grinsend von Büro zu Büro.
Es ging, das war ein bekannter jüdischer Spleen, um die Ankunft des Messias, des rettenden Königs. Der sollte dem kleinen Volk mit dem aufgeblasenen Selbstbewusstsein die Freiheit verschaffen, von der es meinte sie stünde ihm zu. So weit so bekannt.
Aber dieser Heilskönig der wurde hier nicht ein weiteres mal herbeigesehnt und heranorakelt, nein, so das Dokument, er sei schon geboren worden. Als Kind einer Jungfrau, so gehörte es sich. Denn von den großen Königen des Zweistromlandes, über Alexander den großen Griechen bis hin zu ihrem Kaiser, dem göttlichen Augustus behaupteten alle Mächtigen, sie seien samt ihre Macht vom Himmel gefallen. Gottmenschen, geboren zu herrschen geboren und zu siegen.
Bloß – und jetzt wurde es originell – dass dieses Gotteskind auf irgendeinem Acker zur Welt gekommen sei, vor den Toren der jüdischen Hauptstadt, in einem Schafstall. Völlig unbemerkt nicht nur von den römischen Truppen, sondern auch von der jüdischen Marionettenregierung. Stattdessen hätten zuerst nur einige hergelaufene Viehhirten von der Geburt des Göttlichen gewusst und dann seien eben die zur Stelle gewesen und hätten das tun dürfen, was sonst eine ganze Welthauptstadt auf den Gassen und einem ganz kleinen erlesenen Kreis bei Hofe vergönnt war: dem Kind huldigen, dem gottgleichen Retter.
Aber es kam noch besser – nicht nur dass für diesen unehelichen jüdischen Schreinergesellen, eine himmlische Zeugung behauptet wurde wie für den gottgleichen Augustus und nicht nur, dass ihm auch frech das politische Programm, die geschichtliche Aufgabe des glorreichen Roms auf den Leib geschrieben wurde:  Der Weltfriede und die Herrschaft des Rechts – nur eben ohne Legionen und Galeeren und Schwerter, ohne Besatzung, Verwaltung und Strafen und Steuern. 
Das Beste war, dass auch noch der Kaiser selbst Geburtshilfe geleistet hätte für dieses absurde Theater. Der göttliche Kaiser, er setzt Völker in Bewegung durch einen einzigen Befehl, der bis in den hintersten Winkel des Weltreiches befolgt werden muss, wie in Judäa zur Volkszählung - Und doch mit all seiner Macht erfüllt er doch nur den Willen des Israelgottes - völlig ahnungslos ob er will oder nicht. Es war schon klar, dass das irgendwie ernst gemeint war. Aber es war auch so aberwitzig, dass es sich kein griechischer Komödiendichter besser hätten ausdenken können.

„Aufs ganze gesehen unbedenklich“, so lautete die Notiz, mit der man schließlich das jüdische Büchlein zu Akten legte. Denn es war ja völlig undenkbar, dass mit dieser nett ausgedachten Geschichte auch Geschichte gemacht werden könnte. Dass sie bleiben würde, etwas bewegen könnte, dass man ihr Glauben schenken würde, im Volk der Juden und erst recht bei den anderen, den Völkern der Welt

Und doch – noch zweitausend Jahre nachdem die Akten geschlossen – wurden brennen bei den Völkern der Welt die Kerzen der Weihnacht. Und im Namen des Juden Jesus da segnen sich alle Völker. Und in Rom da wird morgen ein christlicher Bischof im Namen des Messias Jesus den Weihnachtssegen sprechen: Für die Stadt und den Erdkreis - in den Sprachen der Welt.

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –

Und in unseren Weihnachtsstuben – heute und hier, da wird dem demütigen Gott ein herrlicher Empfang bereitet. Und der irdische Gott kommt zur Welt in einer himmlische Kulisse – mit Engeln und Lichtern und Duft und Gefühl.
Da bemühen sich Menschen quer durch das Land, das große Geschenk der Freundlichkeit Gottes umzumünzen in ein paar freundliche Tage und sie strengen sich an, als die Geliebten Gottes, mit ihren kleinen Gaben seine große Gabe weiterzuschenken an ihre Lieben. Und wenn es gelingt, dann ist da wirklich mehr Freude, mehr Güte, mehr Menschlichkeit zwischen uns – wegen dem menschlichem Gott.
Wenn aber nicht – wenn die Gans verbrannt und die Luft dick ist, wenn die Gabe fehlgeht und die Stimmung kühl wird - und sich die ganze himmlische Herrlichkeit in Rauch auflöst?
Nun, vielleicht erinnern wir  uns dann, dass Gott einen Stall wählte um zur Welt zu kommen, die unanständigen Verhältnissen einer unehelichen Geburt und die Kälte der Nacht und im Qualm eines Hirtenfeuers. Es wird ja nicht Weihnachten wegen dem Reichtum unserer Feste, es wird Weihnachten für die Armut unserer Seele

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –

In einem Wohnblock irgendwo in Deutschland da läutet der Pfarrer an der Haustür eines Geburtstagskindes. Nicht eben freundlich öffnet ihm eine Frau mit sehr dicken Beinen, aber dann wird er schließlich doch hereingebeten in eine Wohnung, die mehr erzählt als die Frau selbst. Sonst ist kein Besuch da, auch keine Geschenke oder Glückwunschkarte. Eine Medikamentenbox liegt auf dem Sideboard neben der Wohnzimmertüre. Morgens Mittags Abends - Montags bis Freitags, bunte Kapseln  in jedem Fach - Gelenkrheuma sagt sie - und mit dem Herzen. So ist das Herr Pfarrer. An der Wand hängt das Schwarzweißfoto eines jungen Mannes in Wehrmachtsuniform. Nein, sagt sie Familie hätte sie nicht. Bin nach dem Krieg alleine geblieben.
An der Wand gegenüber ein Kruzifix, geschnitzt aus Wurzelholz und darauf zeigt sie, nachdem Sie eine Weile geschwiegen haben.
„Wissen sie Herr Pfarrer – mit Gott kann ich nicht viel anfangen, aber der da, der hatte es auch schwer, der versteht mich“.

Und dem Pfarrer schießt sein Gelerntes in den Kopf und schon will er antworten, dass man das doch so nicht sagen könne. Weil es ja gerade Gott selbst wäre, der da an Weihnachten Mensch würde, weil er nicht ohne den Menschen Gott sein will - und weil er seit Weihnachten auch gar nicht mehr ohne Mensch Gott sein kann. Und eben darum könnte auch kein Mensch mehr ohne Gott sein, weil ja Gott - Mit uns Gott sein wollte.
Aber dann hält er sich zurück: Denn er hat so ein Gefühl als hätte die alte Frau, die mit Gott nichts anfangen kann das Weihnachtsgeheimnis vielleicht viel genauer verstanden als er, oder jedenfalls viel tiefer geglaubt und stärker erlebt.
Denn es gibt ja gar keinen Gott, jedenfalls gibt es seit Weihnachten keinen Gott mehr ohne die dicken Beine einer alten Frau, keinen, der nicht im Krieg seinen Verlobten verloren hätte und keinen Gott, der nicht wüsste wie es sich anfühlt einen achtzigsten Geburtstags allein mit seinen Erinnerungen zu feiern.
Und wenn Christen und Christinnen an einen glauben und also doch mit dem Wort Gott etwas anfangen wissen. Dann deshalb, weil Gott etwas mit ihnen anzufangen wusste. Und dann glauben sie an einen Gott, der sie versteht, mit Seele und Leib, mit Tränen und Schweiß, mit Haut und Haaren und mit Fleisch und Blut.  Wie auf Erden so im Himmel!

Groß ist das Geheimnis des Glaubens. Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss das Geheimnis des Glaubens. Und seit Jahr und Tag werden Himmel und Erde nicht fertig damit. Aber immer neu fangen sie an, es zu buchstabieren, es weiterzuflüstern und es zu feiern. Heute und morgen und jeden Tag…

Gott selbst in einem Kind – machtvoll und zärtlich,
Gott selbst bei uns – kräftig und verletzlich
und wir selbst bei Gott – rätselnd und staunend, betend und froh.
geboren, der Heiland, heute – für Euch.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne, bei unserem Herrn und Heiland Jesus Christus.
 

Perikope