Predigt zu 1.Mose 2,4b-15 von Claudia Trauthig
2,4b-15

Mucksmäuschenstill
ist es mit einem Mal in der Klasse.
25 Augenpaare richten sich auf die Lehrerin:

In den letzten Stunden ging es um die biblischen Schöpfungsgeschichten.
Man hat entdeckt, dass es zwei sind, die aufeinander folgen und die verschiedenes betonen.
Es wurde verglichen: Wo liegen die Unterschiede? Was ist schön beschrieben und was klingt seltsam? Welche Geschichte gefällt (mir) mehr?
Überrascht hat alle, dass die erste Geschichte der Bibel nicht älter ist, sondern jünger.
Insgesamt sind beide natürlich uralt: Fast dreitausend Jahre!
Jetzt darf man malen: „Malt aus der Schöpfungsgeschichte, was Euch am besten gefällt.“
Munter werden Stifte geteilt, Farbtöne verglichen, hier und da gespitzt und natürlich Bilder gemalt.
In die konzentrierte Stille hinein
spricht ein Mädchen: Zuhause habe ich eine CD, die erklärt, wie es wirklich war mit der Entstehung des Menschen. Wir stammen ja vom Affen ab. Das hat Charles Darwin herausgefunden. Von ihm handelt die CD… Soll ich die mal mitbringen?

Liebe Gemeinde,
wir schreiben das Jahr 920 vor Christus.
Doch erst in eineinhalb Jahrtausenden wird man Zeit auf diese Weise einteilen.
Israel ist ein vereinigtes Königreich.
An seiner Spitze regiert König Salomo, Sohn des David und der schönen Bathseba.
Noch ahnt Salomo keineswegs, dass man ihn später mit sprichwörtlicher Weisheit verbinden wird.
Beschäftigt ist er mit vielen Herausforderungen:
der politischen Struktur seines Königreichs,
der Erneuerung seiner Streitkräfte,
(…)
nicht zuletzt aber auch mit dem Bau des ersten Tempels: für Jahwe, den einen, einzigen Gott Israels.
Am Hof Salomos werden Schreiber beschäftigt.
Jahwes Geschichte mit seinem Volk sollen sie festhalten: für Generationen, die folgen, Jahrhunderte, Jahrtausende lang.
Sie schreiben, was gewesen ist – und wie es begann:
Was war am Anfang von allen Anfängen?
Was war, als Gottes Ewigkeit
Raum für den Menschen schuf, eröffnete: Himmel und Erde, Abend und Morgen, der erste Tag, der erste Mensch, unser Leben wurde?
Weise Männer sind sie. Kluge Theologen, die sich auch auskennen den Schriften und Mythen des Alten Orients.
Sie wollen die Welt, den Menschen dem Volk erklären.
Doch keineswegs so, wie es Biologen und Naturwissenschaftlerinnen, Anthropologinnen und Physiker…
unserer Tage tun.
Nicht um die genaue Entstehung des Menschen geht es ihnen,
sondern um die eine Frage:
Was ist der Sinn?
Der Sinn des Menschen?
Warum sind wir da und nicht nichts?
Was hat Gott mit dem Menschen vor?
Warum gibt es dies Leben?

Argwöhnisch betrachten die Weisen den Lebenswandel ihres Königs:
700 Hauptfrauen und 300 Nebenfrauen zählt stolz sein Haushalt.
Hat Gott den Menschen, Mann und Frau,
so gemeint?
Am Hofe des Königs und auch an vielen anderen Stellen gibt es Menschen,
die kaum besser leben als Nutzvieh.
Sklaven und Sklavinnen dienen nur der Bequemlichkeit der Besitzer.
Auch dies missbilligen die frommen Gelehrten und fragen: Ist das der Wille Jahwes?
In den Kulturen der Großmächte hat man damit kein Problem.
In ihren Mythen zur Entstehung der Welt schaffen sich Götter den Menschen zum Sklaven. Könige, Königinnen sind der verlängerte Arm der Gottheit. Sklave sein – ist also schon in der Schöpfung vorgesehen.
Ganz anders ist der Gott Israels.
Ganz anders hat er den Menschen gewollt: nicht als Sklave, nicht als Objekt, sondern als Ebenbild Gottes.
Mann und Frau, jeder einzelne Mensch ist heilig, weil Gottes Atem durch ihn strömt.
Hören wir den heutigen Predigttext aus dem ersten Buch Mose, Kapitel 2, die Verse 4b-15:
Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. 
5Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; 
6aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. 
7Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
8Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 
9Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
10Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. 
11Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; 
12und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham.
13Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. 
14Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat.
15Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Mucksmäuschenstill ist es jetzt auch an der Uni.
Im großen Vorlesungssaal könnte man eine Stecknadel fallen hören.
Zu Beginn jeder Stunde beantwortet der Professor wöchentlich ein paar Fragen.
Man kann sie auf einem Zettel abgeben.
Wer traut sich schon, vor 400 Studierenden einfach mit einer Frage vorzupreschen?
Der Prof nimmt den nächsten Zettel in seine Hand:
Etwas spöttisch blickt der schlaksige Mann nach oben, in die Reihen der Studentinnen und Studenten.
„Was ist der Sinn des Lebens?“
liest er vor.
Eine Frage - so einfach und so schwer zugleich, denken viele.
Was ist der Sinn des Lebens?

Der Sinn des Lebens? - Ist das Leben,
sagt ganz schlicht der gelehrte Mann.
Nichts anderes. Nicht weniger, nicht mehr. Der Sinn des Lebens ist das Leben. Es jeden Tag als ein neues, kostbares, unverdientes und unbegreifliches Geschenk empfangen: einmalig und verletzlich, zerbrechlich und wertvoll wie sonst - nichts.
Der Sinn des Lebens: ist das Leben leben:
Lieben und Arbeiten, Gott loben und feiern, seinem Reich aus Herzenslust dienen.

Liebe Gemeinde,
dies alles und noch mehr können wir begreifen, wenn wir uns auf die alte Erzählung von der Schöpfung einlassen, die heute in unsere Mitte gestellt ist.
So ein liebevoller Gott wird hier gezeigt.
Als allererstes erschafft er den Menschen und haucht seinen Lebensodem in ihn ein.
Ohne diesen wäre der Mensch nur ein Erdklumpen und völlig unterschiedslos zu allem, was sich sonst noch regt und lebt.
Anschließend legt er einen wunderschönen Garten für ihn an. Wonne so lautet sein Name – hebräisch: Eden.
Diesen Garten zu bebauen und zu bewahren soll Aufgabe des Menschen sein. Er allein ist Partner Gottes, um der Schöpfung zu dienen und sich an ihr zu erfreuen. (Anmerkung: Klimagipfel in dieser Woche…) Und alles ist so geschaffen, dass es eigentlich gar nicht anders geht, als dass Gott den Menschen für sich gewinnt. Ganz und gar.
Dass es dann anders kommt, als Gott es gemeint hat, wissen wir. Wir kennen den Fortgang dieser Geschichte. Doch genauso wenig, wie dieser Anfang ausgelöscht ist, genauso wenig erledigt sich die Frage, vor die er uns, jeden einzelnen Menschen, stellt:
Wie gehst du mit deinem Leben um?
So, wie Gott es meint oder ganz anders?
Wie gehst du mit deinem Mitmenschen um, der Mitwelt? Mit dem anderen Geschlecht? Ehrst du das Leben - die Schöpfung, deine Geschöpflichkeit?


Liebe Gemeinde,
vor einer Woche gingen die großen Ferien nun auch in Bayern zu Ende.
Fast alle Deutschen sind an ihre Arbeit zurückgekehrt. Hoffentlich erholt und mit neuer Motivation, weil sie den Urlaub nutzten, um Ruhe zu finden, Kraft zu schöpfen.
Doch immer mehr Menschen können auch im Urlaub nicht locker lassen.
Ständig stehen sie unter Strom, um jederzeit das Beste herauszuholen, möglichst viel zu erleben und es im Bekanntenkreis vorweisen zu können: via soziales Netzwerk in die Welt zu posten…
Andere nehmen die Arbeit sogar mit in den Urlaub. Eigentlich können sie nie abschalten. Sogar wenn sie krank sind, schleppen sie sich ins Geschäft. Sie sind stolz drauf, dass sie sich keine Schwächen gönnen oder haben schlicht Angst um den Arbeitsplatz.

Dass unser Gott aber jedwede Versklavung oder auch Selbstversklavung des Menschen nicht will, zeigt schon die Schöpfungstradition unseres Glaubens.
Gott will,
dass wir im Garten Wonne leben: lieben und arbeiten, unsere Freude darin haben und durch seinen Atem belebt werden.
Zu Recht hat Papst Franziskus darum in seinem ersten Lehrdokument vor wenigen Monaten (Gaudium et spes) jenen Kapitalismus als todbringend gegeißelt, der statt des Menschen die Gewinnsteigerung ins Zentrum rückt.
Der heutige Sonntag und sein Text stehen für diese alte Wahrheit:
Gott meint es anders: Dein Leben.
Das Paradies ist unsere Herkunft - und unsere Zukunft.
Es ist aber auch unsere Gegenwart, wo immer wir leben, wie Gott es will und ermöglicht:
Ohne Sorge um dies, das oder jenes.
Sondern in der Gewissheit, dass ER in uns atmet, wir als seine Ebenbilder leben dürfen:
Im Frieden und in der Verantwortung für alles, was lebt.
So lasst uns befreit in die neue Woche gehen und vertrauen auf ihn:
Alle eure Sorge werft auf ihn,
denn er sorgt für euch.
(1. Petr 5, 7)

Amen.

 

Perikope
28.09.2014
2,4b-15