Predigt zu 1.Thessalonicher 5,14-24 von Bert Hitzegrad
5,14-24

14 Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann.
15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann.
16 Seid allezeit fröhlich,
17 betet ohne Unterlass,
18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.
19 Den Geist dämpft nicht.
20 Prophetische Rede verachtet nicht.
21 Prüft aber alles, und das Gute behaltet.
22 Meidet das Böse in jeder Gestalt.
23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.
24 Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.
Und Gott segne dieses sein Wort an uns.

Liebe Gemeinde!

Es ist Samstagabend. Die Predigt ist geschafft – endlich: Es fiel mir nicht gerade einfach, den Rundumschlag an paulinischen Ratschlägen meiner Gemeinde mit der apostolischen Leichtigkeit zu sagen: „Seid allezeit fröhlich …, seid dankbar in allen Dingen.“ Zum Schluss habe ich noch die Gebete für den Gottesdienst formuliert. Das war dieses Mal besonders schwer. Denn ich weiß, morgen wird in der Gemeinde die Familie sitzen, die ihren Sohn bei einem Autounfall verloren hat. Wie werden sie das hören, wie wird das in ihrem Leben klingen: „Seid allezeit fröhlich …, seid dankbar in allen Dingen.“

Aber nun ist die Vorbereitung geschafft. Ein bisschen Entspannung am Fernseher, das täte jetzt gut. Ich zappe mich durch die Programme. Krimis brauche ich heute abend nicht. Was gibt es noch am Samstagabend? Comedy. Comedy rauf und runter. „Verstehen Sie Spaß“ heißt es auf dem Ersten. Die „Blues Brothers“ singen und tanzen sich durch das Zweite. Und auf RTL reicht eine Spaß-Show der anderen die Hand. „Mario Barth – live: Männer sind peinlich, Frauen manchmal auch!“ Bülent Ceylan, der deutsch-türkische Comedian präsentiert sein neuestes Programm und auf SAT.1 geht es weiter mit den „Dreisten Drei – die Comedy WG.“ „Ein bisschen Spaß muss sein“ hat Roberto Blanko einmal gesungen. Aber das hier ist etwas zu viel Spaß, Comedy, Lachen bis zum Abwinken, Spaß bis der Arzt kommt …

Und wieder kommt mir die Familie mit dem verunglückten Sohn in den Sinn. Und ich denke an Menschen, die tief belastet aus einer arbeitsreichen Woche kommen. Menschen, die tagaus tagein für andere da sein mussten in der Pflege, Menschen, die sich aufopfern für andere. Menschen die ausgepowert sind, die viel gegeben haben, aber wenig zurückbekamen, vielleicht auch nie an sich und ihre Grenzen dachten. Sie sind ausgebrannt, kraftlos, antriebslos. Brauchen sie die Comedy-Shows der Spaßgesellschaft, um wieder durchatmen zu können? Hilft es ihnen, die verwundeten Seelen mit den Lachsalven der Comedians zu verbinden? Manchmal sieht man sie ja, die Schilder, die von der Regie im richtigen Augenblick in der Show dem Publikum im Studio hochgehalten werden: „Jetzt lachen!“ Ob das immer gelingt?

Die Ratschläge des Paulus, dreizehn immerhin, wirken wie Regieanweisungen für das Leben, für die Gemeinde, für den Glauben. „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes …“

Ein beliebter Konfirmationsspruch – gerade in Zeiten, als noch der Pastor die „Gedenksprüche“ für die ihm anvertrauten Konfirmanden ausgesucht hat. Nach zwei Jahren Unterricht noch einmal ein Ratschlag, wie das Leben gelingen kann. „Seid allezeit fröhlich!“ Wie der Ermahnungen der Eltern, wenn die groß gewordenen Kinder das erste Mal allein auf Reisen gehen: „Pass gut auf! Lass Dich von niemandem ansprechen! Wechsel jeden Tag die Unterwäsche! Setzt die Mütze auf, wenn es kalt wird …“ Gut gemeint für die Ohren der Kids, aber in der Regel bleiben sie dort nicht, sondern ziehen vom einen Ohr durch das andere wieder hinaus. Vielleicht weil sie doch nicht für jede Situation auf der Reise durch das Leben gemacht sind? Doch nicht aufgepasst, weil das Buch so spannend war und die richtige Haltestelle verpasst. Gut, dass der Schaffner dann nachfragte: „Kann ich dir helfen?“ Und wer den ganzen Tag in der Badehose herumläuft, muss nicht die Unterwäsche wechseln und trägt auch keine dicke Mütze, höchstens das Cappy gegen die Sonne …

Und was bleibt von dem gut gemeinten Konfirmationsspruch, wenn in der Schule die Erfolge ausbleiben, wenn auch die 132. Bewerbung für eine Lehrstelle ins Leere geht und die Freundin auch keinen Bock mehr hat auf solch einen Looser … „Bleib alle Zeit fröhlich?“ Da vergeht einem das Lachen. Und vielleicht hilft dann doch nur das Samstagabendprogramm um alles zuzuschütten, alles zu verdrängen, die süße Soße mit Spaß und Comedy darüber. War das Wort aus dem 1. Thessalonicherbrief so gemeint?

Natürlich – wer ins Leben startet, braucht Ratschläge und er bekommt sie, ob er will oder nicht. Auch die Gemeinde in Thessalonich, die eine ganz neue, eine ganz junge Pflanze auf dem griechischen Feld des Glaubens war. Paulus hatte den Anstoß gegeben, den Samen gelegt, das Pflänzchen gepflegt. Doch mit dem Wachstum kommen auch die Probleme. Und vielleicht haben sie ja auch Paulus um Hilfe gebeten. Er weiß, wo die Schwierigkeiten liegen und deshalb kann er auch ganz konkret antworten. „Weist die Unordentlichen zurecht, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann …seid fröhlich allezeit, betet ohne Unterlass!“

Nur einige Ratschläge aus der langen Liste. Ein Katalog, wie das Leben gelingen soll, in der Gemeinde und natürlich im täglichen Leben.

Aber vielleicht ging es denjenigen, die den Brief in der Gemeinde in Thessalonich lasen, so wie dem Jungen mit seinem Konfirmationsspruch nach der Konfirmation. Oder wie den Kindern, die von ihrer Mutter die Mahnungen mit auf den Weg bekamen. Schöne, wichtige Worte, aber tragen sie durch das Leben? Nur die Zähne zusammenbeißen und dann mit zugekniffenen Lippen ein Lächeln herausquetschen?  „Hätten wir Paulus nie nach seinem Rat gefragt – wir schaffen es nicht, dass Fröhlichsein allezeit und das Beten ohne Unterlass! Ist damit unser Christsein am Ende? Ziel verfehlt?“

Doch Paulus ist – Gott sei Dank – nicht nur der große Mahner, er weiß, dass solche Anweisungen für das Leben, für das christliche Leben, eine Quelle brauchen. Eine Kraftquelle, eine nie versiegende Energie, Liebe ohne Ende. Er selbst lebte aus dieser Quelle, seitdem er gespürt hatte, dass er mit seiner Weisheit, mit seiner Kraft und Energie am Ende war. Vor Damaskus hat es ihn aus dem Sattel gehoben. Da wurden ihm die Augen geöffnet, und er erkannte, das nicht er Herr ist über Leben und Tod, sondern der Auferstandene selbst. Und er,  Christus selbst, schenkt seine Nähe, seine Liebe, damit wir das Leben bestehen. Paulus hätte auch zu seiner Problem-Gemeinde sagen könnte: „Denkt an Gottes Liebe, die er Euch schenkt, jeden Tag, die ihr gespürt habt, bei Eurer Taufe und die Euch ein Lächeln schenkt gegen Leiden und Not dieser Welt immer wieder. Lebt aus dieser Liebe, handelt danach, nehmt sie zum Maßstab für den Umgang mit den Unordentlichen, den Schwachen, mit Euch selbst. Und bleibt mit dem, der die Liebe schenkt, täglich in Kontakt – sprecht mit ihm, betet ohne Unterlass!“ Und Paulus hätte sich alle guten Ratschläge, die ein wenig wie Nackenschläge für die jungen Christen wirken, sparen können. „Nein, ihr müsst Euch nicht beugen unter die Mahnungen des Apostels, Ihr dürft aufrecht und selbstbewusst leben als Gottes geliebte Kinder – also handelt auch danach!“

Vielleicht hat der Konfirmand ja längst den Spruch von der Konfirmation vergessen, weil es ihm zu oft das Lachen im Halse stecken blieb. Aber dieses bergende Gefühl, als der Pastor der Hände auf seinen Kopf legte und sagte: „Gott segnet dich!“ das spürt er immer noch. Und es tut ihm immer noch gut. Und es tröstet ihn, wenn das Leben zu traurig wird.

Und vielleicht hätte die liebe Mutter ihre Ratschläge für das selbständig werdende Kind - „Pass gut auf! Lass Dich von niemandem ansprechen! Wechsel jeden Tag die Unterwäsche! Setzt die Mütze auf, wenn es kalt wird …“ – doch einfach auf die Formel bringen sollen: „Ich habe dich lieb!“ Das geht tiefer als die gut gemeinten Mahnungen, das bleibt länger als der Abstand der Ohren, ins eine rein, aus dem anderen raus.

Aber Paulus sagt es ja, so verstehe ich seine Schlussworte nach den 13 Mahnungen, wenn er nichts dem Zufall oder dem Willen oder dem Unwillen der Gemeindeglieder überlässt. Er sagt schon deutlich, woher der Wind weht für diesen anderen Umgang im Miteinander. Er weist hin auf den Ursprung, der das Fröhlichsein und die Dankbarkeit und das tägliche Gebet schenkt:  „Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt …“ Er ist es, der alles wirkt durch uns. Er ist es, der uns die Freude schenkt und den Mund zum Danken öffnet. Er ist es, der uns ein weites Herz für die Schwachen schenkt und Härte und Abstand gegenüber dem Bösen. Er ist es, der diese Welt verändert hat, damit wir Kraft und Mut finden, selbst etwas zu ändern an dem, was falsch läuft. Er hat uns eine tiefe Freude in unsere Herzen gegeben, eine Fröhlichkeit, die auch vor dem Tod nicht kneifen muss, sondern die bleibt, weil der Tod überwunden ist.

Spaß und Comedy reicht längst nicht heran an diese Freude, an diese tiefe, innere, in unsere Herzen gepflanzte Fröhlichkeit. Spaß und Comedy – das mag dann etwas für den Samstagabend sein, am Ende einer anstrengenden Woche, an einem Abend, an dem ich nicht die Welt retten muss, sondern einfach nur auf dem Sofa liege.

Doch am nächsten Morgen in der Kirche, im Gottesdienst, da brauche ich mehr, da frage ich nach tiefem, nach tragfähigem Glauben, der auch der Familie mit dem toten Sohn Hoffnung geben kann, der mir in der Woche Kraft gibt für die Aufgaben, der mit dem Ende des Sendeprogramms nicht versiegt, sondern bleibt und Blüten treibt und ein Lächeln auf den Lippen zeigt. „Seid allezeit fröhlich!“ Vielleicht wagen es wir nicht mit dem vollmundigen Lachen der frisch Erlösten, sondern mit dem vorsichtigen Lächeln derer, die ahnen, dass Gott noch Großes mit uns vorhat. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.

Perikope