Predigt zu 2. Korinther 1, 18-22 von Güntzel Schmidt
1,18

Predigt zu 2. Korinther 1, 18-22 von Güntzel Schmidt

Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der bei euch durch uns verkündigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Verheißungen Gottes ist in ihm das Ja. Darum sprechen wir auch das Amen, mit dem wir Gott die Ehre geben. Gott selbst, der uns mit euch die Bestätigung gegeben hat, dass wir zu Christus gehören, und uns gesalbt hat, der hat uns auch mit dem Zeichen der Zugehörigkeit bezeichnet und die Anzahlung des Geistes in unsere Herzen gegeben.
  (Eigene Übersetzung)

  Liebe Gemeinde,
nur noch eine Woche bis Heilig Abend!
  Jetzt ist wohl auch beim Letzten die Vorfreude auf Weihnachten angekommen,
  spürt auch die Letzte diese kribbelnde Spannung in sich, die anzeigt:
  Bald ist es soweit!
Es gibt ja auch allen Grund zur Vorfreude:
  Man freut sich auf Geschenke,
  die Erfüllung eines geheimen Wunsches,
  den man auf Wunschzetteln oder -listen annonciert hat;
  man freut sich auf die überraschten Gesichter,
  wenn die Geschenke ausgepackt werden,
  die man sich für andere überlegt und liebevoll verpackt hat.
  Man freut sich auf gutes Essen, zuhause oder bei Muttern,
  auf das Wiedersehen mit der Familie, mit Geschwistern, Nichten und Neffen,
  mit den Kindern und Enkelkindern.
  Man freut sich auf die freien Tage mit Faulsein,
  dem Ausprobieren der Geschenke, mit Lesen, Lachen und Erzählen,
  freut sich auf den Weihnachtsgottesdienst und lange Spaziergänge.
Es gibt allen Grund zur Vorfreude.
  Doch wie schnell wird diese Freude getrübt!
  Vom Wetter: ob es dieses Jahr eine weiße Weihnacht geben wird?
  Noch ist es trüb und grau und novemberhaft.
  Wenn es an Weihnachten gar regnete!
  Das würde die ganze, schöne Atmosphäre verderben!
  Wahrscheinlich klappt es dieses Jahr sowieso nicht mit dem Schnee ...
Von den Geschenken: ob man bekommt, was man sich gewünscht hat?
  Oder wieder bloß einfallslosen Kram, den man nicht gebrauchen kann,
  Bücher, die man nie lesen, und Musik, die man nie hören wird?
  Aber man wird gute Miene zu diesen Geschenken machen müssen,
  wird Freude vorspielen müssen, obwohl man sich ärgert
  - das kann einem schon im Voraus die schöne Bescherung verderben!
Was wird mit den eigenen Geschenken sein?
  Werden sie richtig gewürdigt werden?
  Wahrscheinlich wird wieder niemand merken,
  wieviel Mühe man sich gemacht hat mit dem Aussuchen und verpacken,
  das Papier wird einfach zerrissen,
  das Geschenk achtlos zur Seite gelegt werden.
  Da macht es doch gar keinen Sinn, sich Mühe zu geben!
  Kauft man einfach irgendwas, ist doch sowieso egal.
Auch das Essen trübt die Weihnachtsfreude.
  Diese gequälte Stimmung,
  wenn die Familie am Tisch sitzt und sich nichts zu sagen hat.
  Die ganze Arbeit mit der Weihnachtsgans, und dann wird hinterher gemäkelt,
  sie sei nicht richtig durch, zu trocken, oder zu zäh ...
Und schließlich die Gäste - werden sie kommen,
  oder sagt einer im letzten Moment doch wieder ab,
  aus irgendeinem fadenscheinigen Grund?
Wenn man das alles bedenkt,
  kann man sich auf Weihnachten überhaupt nicht richtig freuen,
  man kann sich eigentlich nur gruseln und hoffen,
  dass es so schnell wie möglich vorbei geht.
II
  In einer ähnlichen Situation befindet sich die Gemeinde in Korinth,
  an die Paulus seinen Brief schreibt:
  Sie hatte sich so auf seinen Besuch gefreut,
  den er angekündigt hatte, aber er war nicht gekommen.
  Es wird wohl kein Weihnachtsbesuch gewesen sein,
  aber erwartet, ja ersehnt worden war er trotzdem.
  Als Paulus nicht kommt, beginnen die Spekulationen,
  warum er nicht gekommen ist, ob er etwa etwas gegen die Korinther hat.
  Und Kritik wird laut: Man kann sich nicht auf ihn verlassen.
  Er sagt zwar Ja, aber eigentlich meint er Nein.
  Er ist eben auch nicht anders als die anderen.
In diese enttäuschte und verärgerte Stimmung hinein schreibt Paulus seinen Brief.
  Es ist kein Weihnachtsbrief, aber wir lesen ihn kurz vor Weihnachten,
  weil es in ihm um die Vorfreude geht.
  - Moment mal, werden Sie sagen,
  von Freude war doch da gar nicht die Rede?
  Das stimmt. Aber zur Vorfreude gehört auch eine Vorbereitung,
  eine innere Bereitschaft, sich zu freuen.
  So, wie unsere Weihnachtsvorbereitungen Vorfreude wecken:
  das Aussuchen und Einkaufen der Geschenke,
  das Schmücken des Weihnachtsbaumes,
  das Aufräumen, Putzen und Dekorieren der Wohnung;
  so, wie die Adventszeit eine Zeit der Vorbereitung und auch der Vorfreude ist;
  so geht es auch in dem Abschnitt, den wir gehört haben,
  um die Voraussetzung für die Freude, um die innere Einstellung.
Die Korinther hatten sich auf Paulus gefreut.
  Aber dann war er einfach nicht gekommen,
  obwohl er es doch versprochen hatte.
  Weil es damals noch kein Telefon gab,
  und weil die Post zu Fuß oder bestenfalls zu Pferd unterwegs war,
  gab es keine Nachricht. Man konnte nur spekulieren.
  Und das ist der springende Punkt,
  der nicht nur die Korinther damals, sondern auch uns betrifft:
  Wenn man nur spekulieren kann, wovon geht man dann aus?
  Geht man aus vom schlimmsten Fall - oder vom besten?
III
  Wovon gehen wir aus, wenn wir nicht genau wissen, woran wir sind?
  Wenn wir über die Beweggründe anderer nur spekulieren können?
  Paul Watzlawick hat darüber ein Buch geschrieben,
  die "Anleitung zum Unglücklichsein".
  Er hat beobachtet, wie wir uns das Leben schwer machen
  und unser Unglück selbst verursachen,
  wenn wir anderen gegenüber misstrauisch sind
  und ihnen eine böse Absicht unterstellen.
  Die Korinther z.B. gehen davon aus, Paulus hätte sein Wort gebrochen,
  sei ein falscher, ein hinterhältiger Mensch.
  Dabei könnte es ja einen guten Grund gegeben haben,
  warum Paulus seine Reise verschieben musste
  (den gab es tatsächlich).
  Wenn wir unsicher sind, neigen wir dazu, anderen Böses zu unterstellen.
  Wer schon einmal enttäuscht wurde, erwartet, wieder enttäuscht zu werden
  und kann sich nicht vorstellen, dass es diesmal anders sein könnte.
Bei Gott wissen wir manchmal auch nicht so genau, woran wir sind.
  Wir hören zwar davon, dass Gott uns liebt und Gutes für uns will.
  Aber dann gibt es ja auch diese anderen Bibelstellen,
  in denen von Gottes Zorn berichtet wird.
  Wir können nicht sicher sein, dass wir gut genug sind,
  dass Gott nicht vielleicht doch etwas gegen uns hat.
  Wenn wir dann Worte der Bibel hören, die von Gottes Freundlichkeit sprechen,
  können wir nicht glauben, dass sie uns gelten, dass wir gemeint sind.
  Andere vielleicht, die gläubiger sind als wir, frommer,
  die sich mehr engagieren, häufiger in die Kirche gehen - aber wir?
  Von uns will Gott doch nichts wissen, oder?
Warum sind wir so misstrauisch?
  Warum denken wir meistens schlecht von anderen,
  warum unterstellen wir ihnen eine böse Absicht?
  Warum fällt es uns schwer zu glauben,
  dass Gott es gut mit uns meint,
  und dass wir in Gottes Augen gute Menschen sind?
Wenn man Mutter oder Vater geworden ist,
  staunt man darüber, wie viele kleine Kinder es gibt.
  Überall sieht man sie plötzlich, Babys im Kinderwagen,
  Babys auf dem Arm, im Tragetuch, auf dem Kindersitz.
  Dabei ist die Anzahl der Babys nicht größer geworden - im Gegenteil.
  Man hat nur gelernt, darauf zu achten.
  Wenn man sich ein neues Auto kaufen will,
  bemerkt man auf einmal, wie viele von dieser Sorte bereits herumfahren
  - vorher ist es einem nicht aufgefallen.
  So ist es auch mit dem Schlechten:
  Wenn man selbst enttäuscht wurde, verletzt wurde,
  wenn man Krankheit oder Leid erfahren hat,
  dann scheint es einem, als sei das die Regel, und das Gute sei die Ausnahme.
  Aber das stimmt nicht.
  Das Leben hat früher viel Schönes bereitgehalten,
  und es ist auch heute noch schön.
  Schlimmes passiert, Leid bleibt niemandem erspart,
  aber es passiert der einen nicht häufiger als dem anderen.
IV
  Paulus schreibt den Korinthern, er schreibt uns in seinem Weihnachtsbrief,
  dass wir versuchen sollen, die Dinge einmal anders zu sehen,
  als wir gewohnt sind.
  Nicht gleich vom Schlimmsten auszugehen,
  sondern guten Willen vorauszusetzen und Gutes zu erwarten.
  Denn uns, schreibt Paulus, ist Gutes geschehen.
  Etwas so Gutes, dass es das Vorzeichen unseres ganzen Lebens bildet:
  Gott hat "Ja" zu uns gesagt.
  Paulus schreibt, dass Jesus dieses Ja Gottes ist.
  Durch seinen Sohn Jesus sagt Gott Ja zu uns.
  Bei der Taufe wurde uns dieses Ja zugesagt.
  Wir wurden wie Königinnen und Könige mit dem Taufwasser gesalbt,
  als Zeichen dafür, wie unglaublich wertvoll wir in Gottes Augen sind.
  Wir tragen das Zeichen der Taufe als unverbrüchliche Bestätigung dafür,
  dass wir zu Gott gehören.
  Es ist ein unsichtbares Zeichen,
  aber die Taufe ist wirklich geschehen.
  Es ist deshalb unsichtbar, weil es nicht auf das Zeichen ankommt,
  sondern auf das Ja, das Gott damit zu uns gesagt hat.
  Wir sind Kinder Gottes, seine Töchter und Söhne.
  Gott meint es gut mit uns.
  Das dürfen wir glauben.
  Davon können wir ausgehen.
  Darauf sollen wir uns verlassen.
  Mit diesem Ja Gottes sehen wir die Welt an und verstehen:
  sie ist die Schöpfung, von der Gott gesagt hat, dass sie sehr gut ist
  - trotz all dem Bösen, all der Gemeinheiten, all der Zerstörungen,
  die sie entstellen.
Mit diesem Ja Gott sehen wir unsere Mitmenschen an und verstehen:
  Sie sind Kinder Gottes, wie wir.
  Sie sind, wie alle Menschen, ihrem Wesen nach gut.
  Sie verdienen unser Vertrauen
  und unseren Glauben, dass sie es gut mit uns meinen
  - bis zum Erweis des Gegenteils.
  Sie verdienen, dass wir von ihnen das Beste hoffen und annehmen.
V
  Heute ist der Sonntag Gaudete,
  der Sonntag der Vorfreude auf die Geburt Jesu,
  Gottes fleischgewordenes Ja zu allen Menschen,
  der Sonntag der Vorfreude auf Weihnachten.
  Es wird ein wunderschönes Fest werden,
  ganz egal, wie das Wetter wird.
  Mit wunderbarem Essen, auch wenn die Gans anbrennen sollte,
  und Geschenken, die uns Freude machen,
  auch wenn es wieder nur ein Geschirrtuch oder eine Krawatte werden sollten.
  Denn das Wunderbare ist ja bereits geschehen,
  ist schon lange geschehen, damals, bei unserer Taufe:
  Gottes Ja zu uns,
  das positive Vorzeichen unseres Lebens,
  das wir nur noch anzunehmen brauchen,
  indem wir "Amen" sagen.
Amen: Ja, so sei es.
  Davon wollen wir ausgehen:
  Dass Gott es gut mit uns meint,
  dass Gott uns über alles liebt
  und dass auch unsere Mitmenschen nicht unsere Konkurrenten, Gegner, Feinde sind,
  sondern unsere Schwester und Brüder.
Amen: das wollen wir annehmen und gelten lassen.
  Eine größeres Geschenk können wir Gott nicht machen.