Predigt zu 2. Korinther 4,3-6 von Axel Denecke
4,3-6

1.

„Das Licht des Evangeliums im Amt des Apostels“, so lautet die etwas gestelzte Überschrift unseres heutigen Predigttextes in der Luther-Bibel. Das ist etwas für kluge Theologen, die bei „Licht“ eben sofort an Epiphanias denken, und die bei „Amt des Apostels“ sofort an den berühmten programmatischen Satz des Paulus denken: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn“. Großes Ausrufezeichen! Denn das ist unser Auftrag: Nicht uns selbst predigen, nicht wir stehen im Mittelpunkt, sondern allein Jesus Christus, er allein. Das berühmte reformatorische Lucas-Cranach-Gemälde auf dem Luther auf der Kanzel steht, ihm gegenüber die hörende Gemeinde und dazwischen eben –und allein darum geht es- „der Gekreuzigte“, auf den der ausgestreckte Zeigefinder Luthers verweist. Min hochverehrten Vikariats“vater“ –so hieß das damals noch- in Helsinki/Finnland hatte dieses Bild über seinem Schreibtisch hängen, als Auftrag und Mahnung. Ich habe es stets vor mir gesehen, wenn ich mit ihm meine ersten Predigtversuche durchgesprochen habe. Als Auftrag und Mahnung zugleich. Kriege ich nie so hin, von mir ganz abzusehen und allein auf Christus, den Gekreuzigten, auf ihn allein zu verweisen. Schaff ich nicht, dazu bin ich nicht geeignet. Denn nicht allein den Gekreuzigten, auch den Auferstanden, auch den irdischen Jesus will ich verkündigen. Und, ach ja, immer dränge ich mich mit meinen Empfindungen  selbst dazwischen, weiche da von dem ab, den ich allein verkündigen  soll. Ist das also mein „Amt“, dann bin ich wohl ungeeignet. ---

Und dann wird als das „Licht des Evangeliums“ – Epiphanias!- nicht durch mich hindurch leuchten, dann wird wohl noch Finsternis sein in mir, wie es Paulus so überaus drastisch in unserem Text beschreibt. „Ist nun aber das Evangelium verdeckt, so ist’s denen verdeckt, die verloren werden, denen der Gott dieser Welt (also der Satan) den Sinn verblendet hat“. --- Sehr drastisch ausgedrückt. Und die selbstquälerische Rückfrage an mich, als Anfänger im Predigen: Hat etwa der „Gott dieser Welt“ von mir Besitz ergriffen und mir „den Sinn verblendet“, so dass ich das Evangelium eher „verdecke“ und mit all meinem Tun also „verlieren werde“? Eine grausame Vorstellung. Dann also lieber gleich das Predigen lassen, weil doch nur alles schief gehen kann – nicht nur zu Epiphanias, auch zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und in der ellenlangen Trinitatiszeit.

Nun kann man ja fein sagen: Ach, das sind ja alles nur eitle und selbstquälerische Gedanken von dem Prediger auf der Kanzel, eben unnötige Selbstbeschäftigung des Predigers mit sich  selbst, nur für Insider und „kluge Theologen“ (s.o.) etwas, aber nicht für die Gemeinde selbst, für die ich zu predigen habe. Kann man sagen und dann bin ich fein raus. Weg mit diesem eitlen Gedrehe um sich selbst und das „Amt des Apostels“.

Das Verrückte es nur: Paulus höchst selbst tut das ja auch. Und er tut’s deswegen, weil seine Predigt im alten Korinth wohl nicht trägt, weil es da zu viel Widerspruch gibt, weil seien Gegner ihn nicht (mehr) ernst nehmen, weil die Zahlen nicht (mehr) stimmen, weil die Gemeinde trotz allem Missionseifer so zerstritten und wohl auch korrupt is. Passt denn das zum Anspruch der Verkündigung, gehört sich das für das „Licht des Evangeliums“, für die unumstößliche Erscheinung des Herrn, mit der er „einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Jesu Christi“? Großartig, wenn es so wäre, aber so ist’s wohl nicht. Damals nicht, heute nicht. Damals schon genauso wenig wie heute. Wir rufen „Licht, Licht, Licht“ , zünden weihnachtlich so viele Lichter an wie wir nur können – und siehe da, überall „Finsternis, Finsternis, Dunkelheit“. Oder etwa nicht?

2.

Und schon sind wir mitten drin in diesem Text, der wohl gar nicht nur vom „Amt des Apostels“ redet, sondern von uns allen, von denen, die auf der Kanzel gut/schlecht predigen haben und von denen, die unter der Kanzel gut/schlecht Predigt hören haben.

„Ein heller Schein“ soll also in unseren Herzen sein, damit in uns „Erleuchtung entstehe“ und wir zur „Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“ kommen. Wunderbar. Zu Weihnachten haben wir vielleicht tatsächlich etwas davon gespürt. Nicht nur, dass wir da symbolisch die Lichter am Weihnachtsbaum abgezündet haben oder genauso symbolisch das „Licht von Bethlehem“, von Pfadfindern dort entzündet und dann über Meer und Land transportiert, in unsere Kirchen getragen haben. Nicht nur das, das kann man ja als bloß äußere Zeichen schnell abtun. Sonden eben auch, dass wir uns haben –wie alle Jahre wieder- vom Geheimnis des Kindes in der Krippe gefangen nehmen lassen. Das Kind in der Krippe, das uns auch  daran erinnert, dass wir am Ende –am Ende vor Gott!- alle Kinder sind, zum Glück alle Kinder sind, Kinder sein dürfen, geliebte Kinder Gottes, das Kind in der Krippe macht uns darauf aufmerksam und dann leuchtet tatsächlich sein Licht nicht nur für uns, sondern auch in uns und wenn es ganz toll ist, dann gar durch uns weiter. Nicht wahr, ist es nicht so? Eine bescheidene Ahnung davon, dass es so sein könnte, vielleicht gar so ist, haben wir ja alle. Und ach ja, damit nicht Weihnachten nach drei Tagen schon wieder vorbei ist, damit es nicht  gleich wieder dunkel wird, so finster, dass auch die Sylvesterlichterorgien  diese innere Finsternis nicht vertreiben  können, feiern wir eben das Epiphanias-Fest mit dem klaren, vielleicht gar penetrant aufdringlichen Hinweis: Das Licht Gottes scheint tatsächlich –nicht nur an drei etwas sentimental angehauchten Tagen- in unsere finstere Welt hinein. Unumstößlich. Unübersehbar. Unausrottbar. So ist es. Symbolisch 12 Tage nach Weihnachten, wie es die kirchliche Liturgie vorschreibt. Real aber alle Zeit, alle Zeit, in der wir leben und arbeiten, predigen und beten, feiern und zur Ruhe kommen, in allem: zu uns selbst kommen möchten, uns selbst endlich finden möchten.  Das wäre eine innere “Erleuchtung“, ja es wäre die „Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“.

3.

Wäre? Oder soll/darf ich sagen: Es ist so?

Ich möchte beides sagen.

a. Ich sage zunächst: „Es ist so“! Es ist natürlich so, dass uns im Glauben an Jesus, an den irdischen Juden Jesus, ein „Licht“ aufgeht, ein „Licht“ für uns selbst. Dabei denke ich eben nicht etwa nur an den Gekreuzigten, sondern vor allem an den lebendigen irdischen Jesus aus Nazareth, denke zunächst an das Kind in der Krippe, unscheinbar, ja  armselig, doch arm und selig, denke dann an seinen ganzen Weg von der Krippe bis zum Kreuz, an seine Worte und Taten, denke daran, wie er mit seinen Freunden und auch mit seinen Gegnern umgegangen ist, denke daran, wie er einzigartig vertrauensvoll Gott seinen „Vater“ zu nennen wagte und unbeirrt daran festgehalten hat, von Anfang bis zum Ende, ja auch am Ende noch. „In deine Hände befehle ich meinen Geist“, denke daran, wie er so vertrauensvoll und in sich gefestigt leben und sterben konnte, wie sich sein Leben so rundete,  ja wie er sein Leben so vollendete, en vollendetes Leben. An all das denke ich. Und daran halte ich mich, versuche mich zum mindestens daran  zu halten. Und dann wird tatsächlich –ganz real- „ein heller Schein in meinem Herzen“ sich zeigen und es stimmt dann: „Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten“ und es stimmt  gar auch das:  „Erleuchtung ur Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“ entsteht in mir, ich verändere mich, ich werde verändert, Licht breitet sich aus in mir und vielleicht gar –kaum auszudenken- auch durch mich. Das gibt es. Das ist so. Wenn ich mich an das eine Licht erinnere, das damals so unübersehbar so in die Finsternis unserer Welt geleuchtet hat, dass wir es heute noch sehen, zu sehen hoffen, sehend in unsere Häuser bringen. Damals? Ja, damals, vor urkenntlichen Zeiten, damals vor sagen wir 2000 Jahren, damals, als wir noch Kinder waren, damals, ja damals, vor 12 Tagen erst, am Weihnachtstage, damals, also heute und gerade jetzt.

Ja, also: „Es ist so“!

b. Und zugleich (leider) auch: „Schön, wenn es so wäre“. Denn natürlich ist das alles viel zu groß für uns und die Finsternis umgibt uns immer wieder, möchte uns gefangen nehmen, der „Gott dieser Welt“ wie Paulus zu drastisch sagt. Natürlich höre ich wohl die verlockende Botschaft, aber der Glaube daran ist oft so schwach, dass Licht, gerade erst vorsichtig angefacht, gleich wieder wir es ausgelöscht. Symbolisch wird das deutlich, wenn wir zu Weihnachten eine Kerze in der Kirche anzünden und sie dann durch die finstre Nacht bei Wind und Regen oder Schnee nach Hause bringen wollen. Schaffen wir meist nicht. Ach ja, das Licht, es leuchtet kurz, in hellen Stunden, Sternstunden in mir, aber dann der graue Alltag und die anderen Menschen und die Kriege und die Armut und der Hunger und der Neid und der Hass und die Eitelkeiten und die üblen  Nachreden und all die Betrügereien und, und, und. Eine ganze Predigt könnte ich mit all den „Finsternissen“ in mir vom „Gott dieser Welt“ erschaffen, füllen. Will ich nicht, will eben nur mich und uns daran erinnern. An das „Schön, wenn es so wäre“, wenn das Licht in mir wirklich alle Finsternissen vertreiben könnte. Wenn Epiphanias tatsächlich nicht nur ein leicht übersehenes kirchliches Fest für Insider ist, sondern Anstandssache für jeden, ein Liebeserweis  für jede, für alle Tage, im ganzen Jahr, ach ja, für alle Menschen, ob sie nun Christen sind oder nicht.

c. „Schön, wenn es so wäre“! Ja, und doch auch: „Es ist so“! Wie kann es uns ansatzweise gelingen, dass es tatsächlich so ist, dauernd und unabänderlich? Dass das halbfinstre „wäre“ in ein helles „ist“ verwandelt wird und wir zur „Erkenntnis der Herrlichkeit des Herren“ tatsächlich gelangen?

4.

Einen kleinen Hinweis, wies dazu kommen kann, gibt uns Paulus in unserem Text. Das hängt mit dem „Amt des Apostels“ zusammen. Ich sagte ja eingangs, dass Paulus wohl eine ganze Menge Neider, Gegner, Nörgler in Korinth hatte, die an ihm zweifelten, über ihn spotteten, ihr gar verdächtigen, nur in die eigenen Tasche zu wirtschaften. Das geht aus dem anderen Kapiteln des Briefes hervor. Also, seine Predigt trägt nicht,  seine Verkündigung kommt nicht an, seine großen Worte scheinen bloß Luftblasen zu sein, ein kurzes Feuerwerk, aber ohne Nachhall oder „Nachhaltigkeit“, wie wir heute gern sagen. Das scheint wohl so zu sein. Finsternis also bei aller Beschwörung  des Lichtes Gottes  da in Korinth.

Und da sagt Paulus wie zufällig dahingeworfen, ohne sofort erkennbaren inneren Zusammenhang: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als der Herrn“. Das wird gemeinhin so verstanden: Wir sollen in der Predigt uns nicht um uns selbst drehen, sollen uns nicht selbst in den Mittelpunkt stellen mit unseren tollen Ideen, Einfällen, Gefühlen, Erfahrungen usw. Denn um uns geht es ja nicht. Wir sollen –so wird es meist verstanden- allein und nur auf Christus verweisen, auf ihn allein, so wie es eben Martin Luther in dem berühmten Gemälde Cranachs getan hat. Allein Christus, nicht du selbst. Das ist eindeutig und macht jedem Prediger ein schlechtes Gewissen. Denn so klar ist es eben meist leider nicht voneinander zu trennen, und den Namen „Christus“ im Munde führen heißt ja noch nicht, von ihm wirklich zu reden. Viele reden über ihn und meinen doch nur sich selbst, reden über ihn und nicht aus ihm. Und schon ist wieder alles finster.

So eben hat es Paulus aber nicht gesagt, Wenn wir genau hinschauen, hat er es so gesagt: „Wir predigen nicht uns selbst (als die Herren), sondern Christus als den Herrn, uns aber predigen wir als eure Knechte/Diener um Jesu willen“. Also: Wir predigen immer –es geht gar nicht anders- auch uns selbst, wir reden immer von unserem Glauben, von unserem Zweifel, von unseren Empfindungen, Gefühlen, Erfahrungen, Hoffnungen, Enttäuschungen. Es geht gar nicht anders. Und hoffentlich reden wir davon und verstecken uns nicht hinter bloß dogmatisch richtigen Worten. Hoffentlich ist unser Person- unser Glauben, unser Zweifel, sind unsere Fragen und  unsere Suche nach Gott- wirklich erkennbar. Hoffentlich sind wir greifbar und auch an-greifbar (an-fassbar) in unserer Predigt. Hoffentlich. Dann kann es gar beginnen, dass uns und anderen ein „Licht“ aufgeht und „Erleuchtung“ entsteht.

Die entscheidende Frage dabei ist nur, ob wir „uns als die Herren“ über den Text und über Christus und über die Gemeinde predigen oder ob wir „und als Diener/Knechte“ des Textes und Christi der Gemeinde predigen. Darauf kommt es Paulus an.

 Wenn wir die „Herren“ (griech: kürioi) spielen wollen, dann es alles vergeblich und dann breitet sich Finsternis aus, in uns und durch uns. Nichts ändert sich, alles bleibt beim alten „Gott dieser Welt“, denn dann wollen wir uns nur selbst beweihräuchern durch unser virtuoses  religiöses Gerede. „Tönend Erz und klingende Schelle“ nennt es Paulus an anderer Stelle. Ein schnelles Feuerwerk der Selbstdarstellung, puff, kurze Begeisterung und alles ist wieder finster.

Wenn wir jedoch fähig werden –man  muss es langsam  lernen und braucht vielleicht ein ganzes Leben dazu- wirklich als „Diener/Knechte“ (griech. douloi, auch Sklave) Christi und der Gemeinde zu predigen, also von uns selbst so zu reden, dass durch uns für die Gemeinde das Licht Christi zu leuchten beginnt, dann, ja dann wird es wahr, tatsächlich: Ein heller Schein ist in unsere Herzen gegeben, so dass durch uns (nicht etwa ohne uns oder gar gegen uns) die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes“ in einem jeden entsteht. In jedem und jeder, der durch uns das Licht des Herrn, das Licht Christi, das Licht des irdischen Menschen Jesus aus Nazareth, durchleuchten sieht. So meint es Paulus – so hat er es gehalten – damals – und das gilt auch heute noch – und morgen – und übermorgen  - und alle Zeit, solange wir auf die „Erleuchtung“ durch den Herren hoffen und sie in unserem Glauben vorweg nehmen.

Perikope