Predigt zu 2. Korinther 6, 1-10, von Martin Weeber
6,1
Tag des Heils, Zeit der Gnade
Wie empfinden wir die Welt, in der wir leben?
Wie fühlt sich die eigene Gegenwart für uns an?
Ist es eine gute Zeit, in der wir leben?
Oder ist es eine schlechte Zeit?
Und wovon hängt es ab, wie wir unsere eigene Zeit bewerten?
Gute Zeiten?
Schlechte Zeiten?
Wird alles immer schlechter?
Wird alles besser, wenigstens allmählich?
Oder ist alles einfach ein ewiger Wechsel zwischen gut und schlecht?
Wie fühlt sich die eigene Gegenwart für uns an?
Um eine Deutung der eigenen Gegenwart geht es in dem Textabschnitt, der uns heute als Predigttext vorgeschlagen ist.
Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt.
Denn er spricht (Jesaja 49,8): »Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde;
sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten,
in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten,
in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe,
in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken,
in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig;
als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet;
als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
So qualifiziert Paulus die eigene Gegenwart:
Er empfindet sie als eine Zeit der Gnade, als einen Tag des Heils.
Und das, obwohl er gleichzeitig von Trübsalen zu reden weiß, von Nöten und Ängsten, vom Gezüchtigtwerden, vom Sterben, vom Traurigsein und vom Armsein.
Paulus ist keiner von denen, welche die harten und oft grausigen Züge der Wirklichkeit leugnen.
In diesen Tagen beginnt die Passionszeit im Kirchenjahr.
Diese Zeit erinnert uns an die Leiden, die Jesus erlitten hat.
Und sie erinnert uns zugleich daran, dass das Leiden zu unserem menschlichen Leben gehört:
Traurig sein; Sterben müssen; zusehen müssen, wie andere sterben; Angst haben:
All das zeichnet und prägt unser Leben eben auch. Paulus blendet diese Seiten des Lebens nicht aus.
Und dennoch deutet und empfindet er die eigene Gegenwart als eine Zeit der Gnade, als einen Tag des Heils.
Was Paulus schreibt, das ist erfahrungsgesättigt.
Paulus hat es am eigenen Leib erfahren, was es heißt, zu leiden.
Er hat es erlebt, ausgeliefert zu sein: den Gewalten der Natur, den Grausamkeiten der Menschen, der Willkür der Einflussreichen.
Paulus redet nicht aus der Warte des distanzierten Betrachters.
Wie kommt es, dass er dennoch die eigene Gegenwart so positiv einschätzt? Eine Zeit der Gnade, ein Tag des Heils?
Offensichtlich sind wir Menschen in der Lage, die Wirklichkeit ganz unterschiedlich einzuschätzen und ganz unterschiedlich zu bewerten.
Und je nachdem, wie wir sie deuten und bewerten, erscheint uns die Wirklichkeit ganz anders.
Die Meisten von uns – vielleicht alle - kennen das aus eigenem Erleben:
Je nachdem, wie wir gestimmt sind, erscheinen uns die gleichen Sachverhalte unterschiedlich:
Was wir an einem Tage genießen, bereitet uns an dem anderen Verdruss oder wenigstens Langeweile.
Alles hängt von unserer Stimmung ab.
Sind wir unglücklich, so trägt alles zu unserem Unglück bei.
Nichts taugt dann etwas.
Sind wir glücklich, dann trägt alles irgendwie bei zu unserem Glück.
Und obwohl die Welt, in der wir leben, objektiv die gleiche bleibt, ändert sich unsere Wahrnehmung grundlegend:
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ (Ludwig Wittgenstein)
Es kommt auf die Stimmung an, in der wir das erleben, was uns widerfährt.
Was für einzelne Momente gilt, das gilt auch für das Leben als Ganzes:
Es gibt da unterschiedliche Grundstimmungen dem Leben und der Welt gegenüber.
Und je nachdem, wie wir im Grunde unseres Herzens gestimmt sind, nehmen wir alles ganz unterschiedlich wahr.
Ändert sich unsere Grundstimmung, dann ändert sich unser ganzes Leben.
Das ist wie bei einem verstimmten Instrument:
Auch der beste Organist kann einer verstimmten Orgel keine schöne Musik entlocken.
Egal, welche Tasten er anschlägt, egal, wie sehr er sich müht:
Das hört sich einfach alles nur schlecht an.
Ich denke manchmal:
Wir Menschen sind wie solch ein Instrument:
Es kommt darauf an, ob wir richtig gestimmt sind.
Und die Ähnlichkeit mit einem verstimmten Musikinstrument geht sogar noch weiter:
Denn unsere Stimmung haben wir nicht einfach selber in der Hand.
Wie eine verstimmte Orgel sich nicht selber stimmen und intonieren kann, so können auch wir unsere Stimmung nicht selber bewerkstelligen.
Wenn wir richtig in einer Mißstimmung sind – nicht nur einfach ein wenig schlecht gelaunt – dann merken wir, wie wenig wir uns alleine aus dieser Mißstimmung herausholen können. Unsere Gefühle haben wir einfach nicht in der Hand.
Deshalb hat es etwa überhaupt keinen Sinn, mit Appellen an die Depressiven heranzutreten.
Wir können unsere Gefühle nicht einfach verändern.
Meine Vernunft sagt mir vielleicht: „Du solltest diesen Menschen sympathisch finden“. Aber meine Gefühle ändern sich deshalb um keinen Deut.
Unsere Grundlebensstimmung kann nur ein anderer verändern.
Unsere Grundlebensstimmung kann nur von aussen verwandelt werden.
Der Apostel Paulus ist das klassische Beispiel dafür:
Er hat solch eine große Um-Stimmung erlebt:
Früher hat er gemeint, dass er den Wert seines Lebens durch Anstrengung gewinnen müsse.
Aber in der Begegnung mit Christus hat er erfahren, dass ihm der Wert seines Lebens ganz umsonst zugesprochen wird.
In der Begegnung mit Christus ist ihm aufgegangen:
Ein anderer hat schon alles Wesentliche für Dich getan.
Der gekreuzigte Christus ist Paulus als Auferstandener begegnet.
Es muss ein dramatisches Erlebnis gewesen sein, was ihm da in der Nähe der Stadt Damaskus widerfahren ist.
Durch dieses Erlebnis hat sich ihm seine grundlegende Lebensstimmung völlig verändert.
[hier ist noch eine Lücke]
Und noch etwas anderes ist dem Paulus bei seiner Begegnung mit Christus aufgegangen :
Das Leiden trennt nicht von Gott.
Das war ja die Meinung des Paulus, bevor Christus ihm begegnet: Den hat Gott verlassen. Wer so leidet und so schrecklich stirbt, der kann ja nur von Gott verlassen und verstoßen sein.
Nun sieht er es anders.
Dass Christus den Tod erlitten hat, bedeutet nicht, dass Gott sich von ihm losgesagt hat.
Gott hat den Gekreuzigten vom Tode auferweckt, hat „ja“ zu ihm gesagt.
Gott zieht sich nicht von denen zurück, die leiden.
Gott ist nicht nur bei jenen, denen es gut geht.
Davon berichten viele:
Dass sie gerade in den Zeiten des Leidens merken, wie Gott ihnen nahe ist.
Gott ist nicht nur bei jenen, denen es gut geht.
So sieht das offensichtlich auch Paulus, wenn er trotz aller Mühen und Plagen und Leiden daran festhält:
„Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ (Ludwig Wittgenstein)
Man kann dieses Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein variieren:
„Die Welt des Glaubenden ist eine andere Welt als die des Nichtglaubenden.“
Im Licht des Glaubens stellt sich die Welt anders dar – auch wenn alles einzelne in dieser Welt ganz gleich bleibt.
Auch für die Glaubenden verschwinden die Leiden ja nicht einfach.
Auch für die Glaubenden bleiben Trübsale und Nöte und Leiden.
Wir bleiben ja als Glaubende Menschen, und nichts von dem, was das Menschenleben schwer macht, bleibt uns erspart.
Aber dennoch ist im Glauben unsere grundlegende Lebensstimmung eine andere.
Der Glaube verändert das Lebensgefühl.
Die Gegenwart wird zur Zeit der Gnade, der heutige Tag wird zum Tag des Heils - auch wenn das Leiden bleibt, auch wenn die Nöte nicht einfach verschwinden.
Unsere Lebenszeit ist immer auch eine Leidenszeit.
„Die Welt des Glaubenden ist eine andere Welt als die des Nichtglaubenden.“
Ich denke:
Paulus würde diesem Satz zustimmen.
Man kann die Weltwahrnehmung des Paulus als eine ganz besondere betrachten, als eine große und seltene Ausnahme:
So war das eben bei ihm, sagt man dann – und so ist es bei einzelnen ganz besonderen Christen.
Aber bei mir? Ist es da auch so?
Könnte ich auch so voller Überschwang schreiben, wie Paulus das tut?
Als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet;
als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.
Ich weiß nicht. Manchmal vielleicht schon. Manchmal könnten das auch meine Worte sein.
Es gibt diese Momente, in denen ich in die großen Worte des Apostels einstimmen kann.
Es gibt Tage, an denen ich meine grundlegende Lebensstimmung ganz ähnlich zu beschreiben vermag.
Dann nehme ich meine Gegenwart genau so wahr: Als Tag des Heils, als Zeit der Gnade.
Leichter stellt sich diese Stimmung ein, wenn ich die Nähe der großen Texte unseres Glaubens suche; wenn ich mir die Zeit nehme, nachzusinnen über die Geschichten der Bibel; wenn ich mich der Hektik des Alltags entziehe; wenn ich mit anderen zusammen die Lieder singe, die davon reden, wie das ist: reich zu sein trotz allem, was mir fehlt; getrost zu leben trotz aller Vergänglichkeit.
Wenigstens von Zeit zu Zeit fühlt sich die eigene Gegenwart so an: als Gegenwart der Gnade.
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Amen.
Liedvorschlag für das Lied nach der Predigt: In Dir ist Freude, in allem Leide
Wie empfinden wir die Welt, in der wir leben?
Wie fühlt sich die eigene Gegenwart für uns an?
Ist es eine gute Zeit, in der wir leben?
Oder ist es eine schlechte Zeit?
Und wovon hängt es ab, wie wir unsere eigene Zeit bewerten?
Gute Zeiten?
Schlechte Zeiten?
Wird alles immer schlechter?
Wird alles besser, wenigstens allmählich?
Oder ist alles einfach ein ewiger Wechsel zwischen gut und schlecht?
Wie fühlt sich die eigene Gegenwart für uns an?
Um eine Deutung der eigenen Gegenwart geht es in dem Textabschnitt, der uns heute als Predigttext vorgeschlagen ist.
Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt.
Denn er spricht (Jesaja 49,8): »Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde;
sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten,
in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten,
in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe,
in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken,
in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig;
als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet;
als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
So qualifiziert Paulus die eigene Gegenwart:
Er empfindet sie als eine Zeit der Gnade, als einen Tag des Heils.
Und das, obwohl er gleichzeitig von Trübsalen zu reden weiß, von Nöten und Ängsten, vom Gezüchtigtwerden, vom Sterben, vom Traurigsein und vom Armsein.
Paulus ist keiner von denen, welche die harten und oft grausigen Züge der Wirklichkeit leugnen.
In diesen Tagen beginnt die Passionszeit im Kirchenjahr.
Diese Zeit erinnert uns an die Leiden, die Jesus erlitten hat.
Und sie erinnert uns zugleich daran, dass das Leiden zu unserem menschlichen Leben gehört:
Traurig sein; Sterben müssen; zusehen müssen, wie andere sterben; Angst haben:
All das zeichnet und prägt unser Leben eben auch. Paulus blendet diese Seiten des Lebens nicht aus.
Und dennoch deutet und empfindet er die eigene Gegenwart als eine Zeit der Gnade, als einen Tag des Heils.
Was Paulus schreibt, das ist erfahrungsgesättigt.
Paulus hat es am eigenen Leib erfahren, was es heißt, zu leiden.
Er hat es erlebt, ausgeliefert zu sein: den Gewalten der Natur, den Grausamkeiten der Menschen, der Willkür der Einflussreichen.
Paulus redet nicht aus der Warte des distanzierten Betrachters.
Wie kommt es, dass er dennoch die eigene Gegenwart so positiv einschätzt? Eine Zeit der Gnade, ein Tag des Heils?
Offensichtlich sind wir Menschen in der Lage, die Wirklichkeit ganz unterschiedlich einzuschätzen und ganz unterschiedlich zu bewerten.
Und je nachdem, wie wir sie deuten und bewerten, erscheint uns die Wirklichkeit ganz anders.
Die Meisten von uns – vielleicht alle - kennen das aus eigenem Erleben:
Je nachdem, wie wir gestimmt sind, erscheinen uns die gleichen Sachverhalte unterschiedlich:
Was wir an einem Tage genießen, bereitet uns an dem anderen Verdruss oder wenigstens Langeweile.
Alles hängt von unserer Stimmung ab.
Sind wir unglücklich, so trägt alles zu unserem Unglück bei.
Nichts taugt dann etwas.
Sind wir glücklich, dann trägt alles irgendwie bei zu unserem Glück.
Und obwohl die Welt, in der wir leben, objektiv die gleiche bleibt, ändert sich unsere Wahrnehmung grundlegend:
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ (Ludwig Wittgenstein)
Es kommt auf die Stimmung an, in der wir das erleben, was uns widerfährt.
Was für einzelne Momente gilt, das gilt auch für das Leben als Ganzes:
Es gibt da unterschiedliche Grundstimmungen dem Leben und der Welt gegenüber.
Und je nachdem, wie wir im Grunde unseres Herzens gestimmt sind, nehmen wir alles ganz unterschiedlich wahr.
Ändert sich unsere Grundstimmung, dann ändert sich unser ganzes Leben.
Das ist wie bei einem verstimmten Instrument:
Auch der beste Organist kann einer verstimmten Orgel keine schöne Musik entlocken.
Egal, welche Tasten er anschlägt, egal, wie sehr er sich müht:
Das hört sich einfach alles nur schlecht an.
Ich denke manchmal:
Wir Menschen sind wie solch ein Instrument:
Es kommt darauf an, ob wir richtig gestimmt sind.
Und die Ähnlichkeit mit einem verstimmten Musikinstrument geht sogar noch weiter:
Denn unsere Stimmung haben wir nicht einfach selber in der Hand.
Wie eine verstimmte Orgel sich nicht selber stimmen und intonieren kann, so können auch wir unsere Stimmung nicht selber bewerkstelligen.
Wenn wir richtig in einer Mißstimmung sind – nicht nur einfach ein wenig schlecht gelaunt – dann merken wir, wie wenig wir uns alleine aus dieser Mißstimmung herausholen können. Unsere Gefühle haben wir einfach nicht in der Hand.
Deshalb hat es etwa überhaupt keinen Sinn, mit Appellen an die Depressiven heranzutreten.
Wir können unsere Gefühle nicht einfach verändern.
Meine Vernunft sagt mir vielleicht: „Du solltest diesen Menschen sympathisch finden“. Aber meine Gefühle ändern sich deshalb um keinen Deut.
Unsere Grundlebensstimmung kann nur ein anderer verändern.
Unsere Grundlebensstimmung kann nur von aussen verwandelt werden.
Der Apostel Paulus ist das klassische Beispiel dafür:
Er hat solch eine große Um-Stimmung erlebt:
Früher hat er gemeint, dass er den Wert seines Lebens durch Anstrengung gewinnen müsse.
Aber in der Begegnung mit Christus hat er erfahren, dass ihm der Wert seines Lebens ganz umsonst zugesprochen wird.
In der Begegnung mit Christus ist ihm aufgegangen:
Ein anderer hat schon alles Wesentliche für Dich getan.
Der gekreuzigte Christus ist Paulus als Auferstandener begegnet.
Es muss ein dramatisches Erlebnis gewesen sein, was ihm da in der Nähe der Stadt Damaskus widerfahren ist.
Durch dieses Erlebnis hat sich ihm seine grundlegende Lebensstimmung völlig verändert.
[hier ist noch eine Lücke]
Und noch etwas anderes ist dem Paulus bei seiner Begegnung mit Christus aufgegangen :
Das Leiden trennt nicht von Gott.
Das war ja die Meinung des Paulus, bevor Christus ihm begegnet: Den hat Gott verlassen. Wer so leidet und so schrecklich stirbt, der kann ja nur von Gott verlassen und verstoßen sein.
Nun sieht er es anders.
Dass Christus den Tod erlitten hat, bedeutet nicht, dass Gott sich von ihm losgesagt hat.
Gott hat den Gekreuzigten vom Tode auferweckt, hat „ja“ zu ihm gesagt.
Gott zieht sich nicht von denen zurück, die leiden.
Gott ist nicht nur bei jenen, denen es gut geht.
Davon berichten viele:
Dass sie gerade in den Zeiten des Leidens merken, wie Gott ihnen nahe ist.
Gott ist nicht nur bei jenen, denen es gut geht.
So sieht das offensichtlich auch Paulus, wenn er trotz aller Mühen und Plagen und Leiden daran festhält:
„Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ (Ludwig Wittgenstein)
Man kann dieses Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein variieren:
„Die Welt des Glaubenden ist eine andere Welt als die des Nichtglaubenden.“
Im Licht des Glaubens stellt sich die Welt anders dar – auch wenn alles einzelne in dieser Welt ganz gleich bleibt.
Auch für die Glaubenden verschwinden die Leiden ja nicht einfach.
Auch für die Glaubenden bleiben Trübsale und Nöte und Leiden.
Wir bleiben ja als Glaubende Menschen, und nichts von dem, was das Menschenleben schwer macht, bleibt uns erspart.
Aber dennoch ist im Glauben unsere grundlegende Lebensstimmung eine andere.
Der Glaube verändert das Lebensgefühl.
Die Gegenwart wird zur Zeit der Gnade, der heutige Tag wird zum Tag des Heils - auch wenn das Leiden bleibt, auch wenn die Nöte nicht einfach verschwinden.
Unsere Lebenszeit ist immer auch eine Leidenszeit.
„Die Welt des Glaubenden ist eine andere Welt als die des Nichtglaubenden.“
Ich denke:
Paulus würde diesem Satz zustimmen.
Man kann die Weltwahrnehmung des Paulus als eine ganz besondere betrachten, als eine große und seltene Ausnahme:
So war das eben bei ihm, sagt man dann – und so ist es bei einzelnen ganz besonderen Christen.
Aber bei mir? Ist es da auch so?
Könnte ich auch so voller Überschwang schreiben, wie Paulus das tut?
Als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet;
als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.
Ich weiß nicht. Manchmal vielleicht schon. Manchmal könnten das auch meine Worte sein.
Es gibt diese Momente, in denen ich in die großen Worte des Apostels einstimmen kann.
Es gibt Tage, an denen ich meine grundlegende Lebensstimmung ganz ähnlich zu beschreiben vermag.
Dann nehme ich meine Gegenwart genau so wahr: Als Tag des Heils, als Zeit der Gnade.
Leichter stellt sich diese Stimmung ein, wenn ich die Nähe der großen Texte unseres Glaubens suche; wenn ich mir die Zeit nehme, nachzusinnen über die Geschichten der Bibel; wenn ich mich der Hektik des Alltags entziehe; wenn ich mit anderen zusammen die Lieder singe, die davon reden, wie das ist: reich zu sein trotz allem, was mir fehlt; getrost zu leben trotz aller Vergänglichkeit.
Wenigstens von Zeit zu Zeit fühlt sich die eigene Gegenwart so an: als Gegenwart der Gnade.
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Amen.
Liedvorschlag für das Lied nach der Predigt: In Dir ist Freude, in allem Leide
Perikope