Predigt zu 2. Korinther 6, 1-10 von Tobias Geiger
6,1
Zwei Männer unterhalten sich. »Sag’ mal, wie läuft es denn bei Dir zuhause?« – »Prima, ganz hervorragend, ich bekomme von meiner Frau alles, was ich brauche.« – »Mensch, da bist Du aber ein Glückspilz. Das kann ich von meiner Frau nicht behaupten, dass ich alles bekomme, was ich brauche.« »Doch, doch,« versichert der andere, »das ist wirklich so. Wenn ich zum Beispiel heißes Wasser brauche, bekomme ich es sofort.« – »Und wozu brauchst Du heißes Wasser?« »Zum Geschirrspülen!«
Was brauchen wir zum Leben? Mit heißem Wasser wären die meisten von uns wahrscheinlich nicht zufrieden. Was brauchen wir wirklich? Was ist notwendig für den Einzelnen und für die Gesellschaft?
Wenn wir die Zeitung aufschlagen, dann bekommen wir verschiedene Antworten. Angela Merkel braucht einen Bundespräsidenten, der zur Abwechslung mal eine ganze Amtszeit durchhält. Die Fluglotsen am Frankfurter Flughafen brauchen mehr Geld und streiken. Der VfB Stuttgart braucht eine Mannschaft, die Tore schießt. Wir alle brauchen den Frühling, weil wir genug vom Winter der sibirischen Kälte haben. Und wenn ich jetzt durch die Reihen gehen würde, dann hätten Sie mir noch viel zu sagen. Die Konfirmanden brauchen in drei Wochen gut gefüllte Briefumschläge, damit sie sich ihre Wünsche erfüllen können. Die Ehefrauen brauchen auch nach dem Valentinstag mal einen Blumenstrauß, damit die Liebe wieder aufblüht. Die Rentner brauchen mehr Zeit, weil sie so viel zu tun haben. Das alles ist richtig und wichtig. Aber reicht das schon? Was braucht der Mensch wirklich?
Der Apostel Paulus hat die Antwort auf unsere Frage gefunden. Er kennt etwas, von dem er fest überzeugt ist, dass wir es vor allem anderen und ganz dringend brauchen. Wenn es etwas gibt, das der Mensch nötig hat, dann ist es die Gnade Gottes. Darum geht es in unserem Predigttext. Wir haben es vorhin gehört: Paulus ermahnt seine Gemeinde, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen. Und dann ruft er voller Freude aus: »Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!«
Ich möchte drei Überschriften aus dem Text herausgreifen:
Gnade – Gottes großes Geschenk
Gnade ist gefährdet
Gnade ist keine Garantie für Glück
1. Gnade – Gottes großes Geschenk
Ist es wirklich wahr, dass wir Menschen Gnade brauchen? Gibt es tatsächlich nichts Wichtigeres? Wenn wir in die Medien schauen, dann ist Gnade ein absolutes Nebenthema. Wenn ich mir von der Suchmaschine Google die Schlagzeilen zum Stichwort Gnade auflisten lasse, dann lese ich: »Das Stockacher Narrengericht ließ Gnade walten« und »Männer finden Gnade bei der Weiberfasnet«. Ansonsten geht es in unserer Gesellschaft gnadenlos zu. Wer im Berufsleben keine Leistung bringt, der steht schnell auf der Straße. Jeder spürt die Ellenbogen des anderen: Das fängt schon auf dem Schulhof an. Von klein auf lernen unsere Kinder, sich zu behaupten und auf den eigenen Vorteil zu schauen. Die Rede von Gnade wirkt da wie ein schöner Traum. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Und doch: In diesem Wort »Gnade« liegt der entscheidende Sinn unseres Lebens. Gottes Gnade ist es, die unser Leben sinnvoll und lebenswert macht. Durch die Gnade wird der Leistungsgedanke, der unseren Alltag bestimmt, außer Kraft gesetzt. Gnade heißt: Wir sind mehr wert, als wir selbst aus uns machen können. Wir bekommen nicht nur das, was wir verdienen. Wir müssen nicht das Letzte aus uns herausholen. Wir werden nicht auf unsere Fehler und Schwächen festgenagelt, weil ein anderer ans Kreuz genagelt wurde: Jesus Christus. In ihm schenkt Gott uns seine Gnade. Paulus kann über dieses große Geschenk nicht genug staunen. Aber er schreibt seiner Gemeinde in Korinth auch, warum die Gnade so wichtig und notwendig ist. Im vorangegangenen Kapitel steht es klipp und klar: Wir Menschen sind vergänglich und verloren. Vergänglich – wir alle werden einmal sterben müssen. Verloren – unser Leben ist von der Sünde bestimmt. Deshalb brauchen wir nichts so sehr wie Gottes großes Geschenk. Nur durch die Gnade kann unser Leben neu werden.
Das sind harte Worte. Viele Menschen schütteln den Kopf und wollen die Botschaft der Bibel nicht wahrhaben. Vergänglich und verloren – bin damit wirklich ich gemeint? Wir haben ein anderes Bild von uns. Es ist wie bei einer Wachsfarbenarbeit, die meine Tochter in der Schule angefertigt hat. Die Kinder bemalen ein weißes Papier mit bunter Wachskreide. Dann wird alles mit schwarzer Farbe überzogen. Doch wenn die Kinder dann mit einem Kratzer die oberste Schicht ablösen, dann entsteht ein schönes, farbiges Bild. Und genauso denken auch wir Menschen über uns selbst. Ja, da sind schwarze Schatten; ja, es gibt dunkle Flecken in unserem Leben. Aber darunter sind wir hell und gut und wollen das Beste. Wenn unser wahrer Kern zum Vorschein kommt, dann ist alles gut. Doch halt! Gott sieht uns genau umgekehrt. Da ist der dunkle Untergrund, den wir mit uns herumtragen. Geschickt versuchen wir ihn mit hellen Farben zu übermalen. Doch immer wieder platzt der Lack ab und das Schwarz bricht durch. Vergänglich und verloren – diese Selbsterkenntnis trifft mich immer neu. Wie oft bin ich unzufrieden über mich selbst. Wie oft ärgere ich mich über Fehler und Versäumnisse. Paulus schreibt im Römerbrief: »Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; aber das Böse, das ich nicht will, das tue ich«. Und je älter wir werden, umso mehr spüren wir unsere Vergänglichkeit. Wir erleben, wie vergänglich Freundschaften und Beziehungen sind. Wir sehen, wie wenig von unserer Arbeit und unseren Anstrengungen bleibt. Mit jedem Jahr lassen die Kräfte nach und das Ende kommt näher. Was für ein großes Geschenk ist da die Gnade Gottes. Ich werde angenommen mit meiner Sünde und meiner Schwäche, die Vergebung verändert mein Leben, die Gemeinschaft mit Gott macht mich zu einem neuen Menschen. Und Paulus sagt den Christen in Korinth nicht: »Das alles wird irgendwann einmal geschehen. Sondern er schreibt: »Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!« Das große Geschenk Gottes steht in Jesus Christus vor uns.
Wir kommen zur zweiten Überschrift:
2. Gnade ist gefährdet
Gott ist gnädig – Gott sei Dank. Gott vergibt uns Menschen, Gott nimmt uns mit offenen Armen auf. Darüber freut sich Paulus und das können wir in der Kirche nicht oft genug wiederholen. Aber gefährlich wird es, wenn die Gnade billig und beliebig gemacht wird. »Pardonner c’est son metier« – »Vergebung, das ist Gottes Geschäft« so hat der Philosoph Voltaire spöttisch gesagt. Kann ich wirklich tun und lassen, was ich will – Gott ist gnädig, er wird mir vergeben? Am Mittwoch ging die Fasnacht zu Ende. Und auch in diesem Jahr wurde in den Prunksitzungen wieder ein bestimmtes Lied gesungen. Im Refrain heißt es:
Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin,
so‘n kleiner Teufel steckt doch in jedem drin.
Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin –
das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin!
Wer diesen Liedtext glaubt, der lebt verkehrt. Gnade ist keine Einbahnstraße zum Himmel, Gott bügelt nicht alles aus und drückt beide Augen zu. Im Fernsehen gibt es eine Werbung für Margarine Dort sagt eine hübsche junge Frau: »Ich will so bleiben wie ich bin«. Das hört sich gut an und ist doch gefährlich. Denn wenn ich so bleibe wie ich bin, dann komme ich nie heraus aus dem Kreislauf der Vergänglichkeit. Die Bibel sagt etwas anderes: »Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden«. Gott schenkt seine Gnade voraussetzungslos, aber Gnade bleibt nicht ohne Folgen. Mein Leben wird in die Gemeinschaft mit Gott gestellt. Ich höre auf sein Wort, ich befolge seine Gebote, ich frage nach seinem Willen. Paulus warnt die Korinther: »Empfangt die Gnade Gottes nicht vergeblich!« Gnade ist gefährdet, wenn ich Gott nicht ernst nehme; Gnade ist gefährdet, wenn ich Vergebung ohne Veränderung möchte. Aber genauso gefährlich ist es, wenn ich mir die Gnade Gottes verdienen möchte; wenn ich meine, ein besonders guter Christ sein zu müssen. Ich kann zu Gottes großem Geschenk nichts, aber auch gar nichts hinzufügen. Gnade ist ganz und gar Gnade, 100 % ohne Wenn und Aber. Und doch ist die Gnade gefährdet, wo sie nicht in ihrem Ernst begriffen wird. Gnade ist umsonst, aber nicht kostenlos: Gott schenkt uns Vergebung um den Preis seines Sohnes.
3. Gnade ist keine Garantie für Glück
Die Fortsetzung von Paulus Predigt über die Gnade ist merkwürdig. Eigentlich würde ich erwarten, dass er das Leben als Christ in den höchsten Tönen preist. Es muss doch wunderbar sein, in der Gemeinschaft mit Gott zu leben. Doch Paulus erzählt von seinem Dienst als Apostel. Und da gibt es nichts von Glanz und Gloria zu berichten. Trübsal, Not, Angst, Schläge, Gefängnis, Verfolgung – sind wir im falschen Film? Sieht so ein Leben in der Gnade Gottes aus? Nein, Paulus schreibt keine Erfolgsgeschichte. Er verschweigt nicht, dass Gottes Gnade keine Garantie für Glück ist. Aber Paulus zählt nicht nur auf, was er alles zu tragen hat. Sondern er sagt auch, wie er das alles aushalten kann: In Geduld, in Freundlichkeit, in der Kraft des Heiligen Geistes. Paulus muss die Schwierigkeiten seines Lebens nicht auf die eigenen Schultern laden. Er braucht nicht zu verzweifeln, wenn scheinbar alles schief geht. Denn er kann sich mit den Augen Gottes sehen. Er spürt die Gnade, die stärker ist als Not und Leid. Und so kann er sagen: »Ich erlebe Kummer und bin doch fröhlich. Ich bin arm und mache doch viele reich. Ich besitze nichts und habe doch alles.« Nichts kann unser Leben sinnlos machen, wenn wir mit Christus verbunden sind. Was wir erleben ist kein blindes Schicksal oder dummer Zufall. Sondern unser Leben steht unter der Gnade Gottes. Wir sind gehalten in seiner guten Hand. Das ist Grund zur Freude und das gibt Zuversicht für den Weg, der vor uns liegt. Gott schenkt uns, was wir vor allem anderen brauchen: Seine Gnade.
Was brauchen wir zum Leben? Mit heißem Wasser wären die meisten von uns wahrscheinlich nicht zufrieden. Was brauchen wir wirklich? Was ist notwendig für den Einzelnen und für die Gesellschaft?
Wenn wir die Zeitung aufschlagen, dann bekommen wir verschiedene Antworten. Angela Merkel braucht einen Bundespräsidenten, der zur Abwechslung mal eine ganze Amtszeit durchhält. Die Fluglotsen am Frankfurter Flughafen brauchen mehr Geld und streiken. Der VfB Stuttgart braucht eine Mannschaft, die Tore schießt. Wir alle brauchen den Frühling, weil wir genug vom Winter der sibirischen Kälte haben. Und wenn ich jetzt durch die Reihen gehen würde, dann hätten Sie mir noch viel zu sagen. Die Konfirmanden brauchen in drei Wochen gut gefüllte Briefumschläge, damit sie sich ihre Wünsche erfüllen können. Die Ehefrauen brauchen auch nach dem Valentinstag mal einen Blumenstrauß, damit die Liebe wieder aufblüht. Die Rentner brauchen mehr Zeit, weil sie so viel zu tun haben. Das alles ist richtig und wichtig. Aber reicht das schon? Was braucht der Mensch wirklich?
Der Apostel Paulus hat die Antwort auf unsere Frage gefunden. Er kennt etwas, von dem er fest überzeugt ist, dass wir es vor allem anderen und ganz dringend brauchen. Wenn es etwas gibt, das der Mensch nötig hat, dann ist es die Gnade Gottes. Darum geht es in unserem Predigttext. Wir haben es vorhin gehört: Paulus ermahnt seine Gemeinde, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen. Und dann ruft er voller Freude aus: »Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!«
Ich möchte drei Überschriften aus dem Text herausgreifen:
Gnade – Gottes großes Geschenk
Gnade ist gefährdet
Gnade ist keine Garantie für Glück
1. Gnade – Gottes großes Geschenk
Ist es wirklich wahr, dass wir Menschen Gnade brauchen? Gibt es tatsächlich nichts Wichtigeres? Wenn wir in die Medien schauen, dann ist Gnade ein absolutes Nebenthema. Wenn ich mir von der Suchmaschine Google die Schlagzeilen zum Stichwort Gnade auflisten lasse, dann lese ich: »Das Stockacher Narrengericht ließ Gnade walten« und »Männer finden Gnade bei der Weiberfasnet«. Ansonsten geht es in unserer Gesellschaft gnadenlos zu. Wer im Berufsleben keine Leistung bringt, der steht schnell auf der Straße. Jeder spürt die Ellenbogen des anderen: Das fängt schon auf dem Schulhof an. Von klein auf lernen unsere Kinder, sich zu behaupten und auf den eigenen Vorteil zu schauen. Die Rede von Gnade wirkt da wie ein schöner Traum. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Und doch: In diesem Wort »Gnade« liegt der entscheidende Sinn unseres Lebens. Gottes Gnade ist es, die unser Leben sinnvoll und lebenswert macht. Durch die Gnade wird der Leistungsgedanke, der unseren Alltag bestimmt, außer Kraft gesetzt. Gnade heißt: Wir sind mehr wert, als wir selbst aus uns machen können. Wir bekommen nicht nur das, was wir verdienen. Wir müssen nicht das Letzte aus uns herausholen. Wir werden nicht auf unsere Fehler und Schwächen festgenagelt, weil ein anderer ans Kreuz genagelt wurde: Jesus Christus. In ihm schenkt Gott uns seine Gnade. Paulus kann über dieses große Geschenk nicht genug staunen. Aber er schreibt seiner Gemeinde in Korinth auch, warum die Gnade so wichtig und notwendig ist. Im vorangegangenen Kapitel steht es klipp und klar: Wir Menschen sind vergänglich und verloren. Vergänglich – wir alle werden einmal sterben müssen. Verloren – unser Leben ist von der Sünde bestimmt. Deshalb brauchen wir nichts so sehr wie Gottes großes Geschenk. Nur durch die Gnade kann unser Leben neu werden.
Das sind harte Worte. Viele Menschen schütteln den Kopf und wollen die Botschaft der Bibel nicht wahrhaben. Vergänglich und verloren – bin damit wirklich ich gemeint? Wir haben ein anderes Bild von uns. Es ist wie bei einer Wachsfarbenarbeit, die meine Tochter in der Schule angefertigt hat. Die Kinder bemalen ein weißes Papier mit bunter Wachskreide. Dann wird alles mit schwarzer Farbe überzogen. Doch wenn die Kinder dann mit einem Kratzer die oberste Schicht ablösen, dann entsteht ein schönes, farbiges Bild. Und genauso denken auch wir Menschen über uns selbst. Ja, da sind schwarze Schatten; ja, es gibt dunkle Flecken in unserem Leben. Aber darunter sind wir hell und gut und wollen das Beste. Wenn unser wahrer Kern zum Vorschein kommt, dann ist alles gut. Doch halt! Gott sieht uns genau umgekehrt. Da ist der dunkle Untergrund, den wir mit uns herumtragen. Geschickt versuchen wir ihn mit hellen Farben zu übermalen. Doch immer wieder platzt der Lack ab und das Schwarz bricht durch. Vergänglich und verloren – diese Selbsterkenntnis trifft mich immer neu. Wie oft bin ich unzufrieden über mich selbst. Wie oft ärgere ich mich über Fehler und Versäumnisse. Paulus schreibt im Römerbrief: »Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; aber das Böse, das ich nicht will, das tue ich«. Und je älter wir werden, umso mehr spüren wir unsere Vergänglichkeit. Wir erleben, wie vergänglich Freundschaften und Beziehungen sind. Wir sehen, wie wenig von unserer Arbeit und unseren Anstrengungen bleibt. Mit jedem Jahr lassen die Kräfte nach und das Ende kommt näher. Was für ein großes Geschenk ist da die Gnade Gottes. Ich werde angenommen mit meiner Sünde und meiner Schwäche, die Vergebung verändert mein Leben, die Gemeinschaft mit Gott macht mich zu einem neuen Menschen. Und Paulus sagt den Christen in Korinth nicht: »Das alles wird irgendwann einmal geschehen. Sondern er schreibt: »Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!« Das große Geschenk Gottes steht in Jesus Christus vor uns.
Wir kommen zur zweiten Überschrift:
2. Gnade ist gefährdet
Gott ist gnädig – Gott sei Dank. Gott vergibt uns Menschen, Gott nimmt uns mit offenen Armen auf. Darüber freut sich Paulus und das können wir in der Kirche nicht oft genug wiederholen. Aber gefährlich wird es, wenn die Gnade billig und beliebig gemacht wird. »Pardonner c’est son metier« – »Vergebung, das ist Gottes Geschäft« so hat der Philosoph Voltaire spöttisch gesagt. Kann ich wirklich tun und lassen, was ich will – Gott ist gnädig, er wird mir vergeben? Am Mittwoch ging die Fasnacht zu Ende. Und auch in diesem Jahr wurde in den Prunksitzungen wieder ein bestimmtes Lied gesungen. Im Refrain heißt es:
Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin,
so‘n kleiner Teufel steckt doch in jedem drin.
Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin –
das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin!
Wer diesen Liedtext glaubt, der lebt verkehrt. Gnade ist keine Einbahnstraße zum Himmel, Gott bügelt nicht alles aus und drückt beide Augen zu. Im Fernsehen gibt es eine Werbung für Margarine Dort sagt eine hübsche junge Frau: »Ich will so bleiben wie ich bin«. Das hört sich gut an und ist doch gefährlich. Denn wenn ich so bleibe wie ich bin, dann komme ich nie heraus aus dem Kreislauf der Vergänglichkeit. Die Bibel sagt etwas anderes: »Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden«. Gott schenkt seine Gnade voraussetzungslos, aber Gnade bleibt nicht ohne Folgen. Mein Leben wird in die Gemeinschaft mit Gott gestellt. Ich höre auf sein Wort, ich befolge seine Gebote, ich frage nach seinem Willen. Paulus warnt die Korinther: »Empfangt die Gnade Gottes nicht vergeblich!« Gnade ist gefährdet, wenn ich Gott nicht ernst nehme; Gnade ist gefährdet, wenn ich Vergebung ohne Veränderung möchte. Aber genauso gefährlich ist es, wenn ich mir die Gnade Gottes verdienen möchte; wenn ich meine, ein besonders guter Christ sein zu müssen. Ich kann zu Gottes großem Geschenk nichts, aber auch gar nichts hinzufügen. Gnade ist ganz und gar Gnade, 100 % ohne Wenn und Aber. Und doch ist die Gnade gefährdet, wo sie nicht in ihrem Ernst begriffen wird. Gnade ist umsonst, aber nicht kostenlos: Gott schenkt uns Vergebung um den Preis seines Sohnes.
3. Gnade ist keine Garantie für Glück
Die Fortsetzung von Paulus Predigt über die Gnade ist merkwürdig. Eigentlich würde ich erwarten, dass er das Leben als Christ in den höchsten Tönen preist. Es muss doch wunderbar sein, in der Gemeinschaft mit Gott zu leben. Doch Paulus erzählt von seinem Dienst als Apostel. Und da gibt es nichts von Glanz und Gloria zu berichten. Trübsal, Not, Angst, Schläge, Gefängnis, Verfolgung – sind wir im falschen Film? Sieht so ein Leben in der Gnade Gottes aus? Nein, Paulus schreibt keine Erfolgsgeschichte. Er verschweigt nicht, dass Gottes Gnade keine Garantie für Glück ist. Aber Paulus zählt nicht nur auf, was er alles zu tragen hat. Sondern er sagt auch, wie er das alles aushalten kann: In Geduld, in Freundlichkeit, in der Kraft des Heiligen Geistes. Paulus muss die Schwierigkeiten seines Lebens nicht auf die eigenen Schultern laden. Er braucht nicht zu verzweifeln, wenn scheinbar alles schief geht. Denn er kann sich mit den Augen Gottes sehen. Er spürt die Gnade, die stärker ist als Not und Leid. Und so kann er sagen: »Ich erlebe Kummer und bin doch fröhlich. Ich bin arm und mache doch viele reich. Ich besitze nichts und habe doch alles.« Nichts kann unser Leben sinnlos machen, wenn wir mit Christus verbunden sind. Was wir erleben ist kein blindes Schicksal oder dummer Zufall. Sondern unser Leben steht unter der Gnade Gottes. Wir sind gehalten in seiner guten Hand. Das ist Grund zur Freude und das gibt Zuversicht für den Weg, der vor uns liegt. Gott schenkt uns, was wir vor allem anderen brauchen: Seine Gnade.
Perikope