Predigt zu 2. Korinther 7, 8-10 von Gerda Altpeter
7,8
Es ist noch früh am Morgen, da rüsten sich Hans und Paul zu einer Wanderung. Sie wollen von Leukerbad hinauf zum Gemmipass laufen. Sie ziehen feste Wanderschuhe an, packen einen grossen Rucksack, nehmen auch einen Stock mit und ziehen los.
Drohend ragt die Wand 1000 Meter vor ihnen auf. Zuerst geht es durch grüne Wiesen. Alpenblumen grüssen sie, Enzian, Arnika und Eisenhut. Dann kommen sie an die Felsen. Der Weg wird schmal. An der Wand sind zur Hilfe Drahtseile angebracht. Hans geht voraus, Paul folgt ihm. Sie sind fast auf der Hälfte des Weges, da ruft Paul plötzlich:“Umkehren!“ Als Hans sich erschrocken umdreht sieht er Paul eilig zurück laufen. Er rennt ihm hinterher. Da hört er ein Krachen und Poltern hinter sich. Er eilt schnell weiter. Als es still wird dreht er sich um. Hinter ihm ist der Weg versperrt durch Geröll. Steine rieseln immer noch herunter. Paul hat sich auch umgedreht. „Danke!“ stöhnt Hans. „Das hätte leicht mein Tot sein können!“ - „Ich habe es gesehen,“ erklärt Paul. „Darum habe ich dich gewarnt!“
Sie können nicht weiter nach oben, darum kehren sie um. Im Dorf berichten sie was geschehen ist. Später rücken Männer aus um den Weg zu räumen.
Hans und Paul gehen in die Kirche, um Gott für ihre Rettung zu danken. Es ist Aschermittwoch. Sie hören die Lesung 2. Korinther 7 Vers 8 – 10:
Denn wenn  ich euch in dem Brief betrübt habe, empfinde ich doch darüber keine Reue. Jetzt freue ich mich, nicht darüber, dass ihr betrübt worden seid, sondern dass ihr betrübt worden seid zur Umkehr. Denn ihr seid betrübt worden nach dem Willen Gottes, damit ihr in keiner Weise geschädigt werdet von uns. Denn nach dem Willen Gottes war die Trauer eine Umkehr zur Rettung. Das braucht man nicht zu bedauern.
Die Trauer der Welt aber führt zum Tod.
Der Pfarrer hält eine kurze Predigt. Er erinnert daran, dass die lustige Faschingszeit vorbei sei. Alle Leute sollten Busse tun und ihre Sünden beichten, damit sie Vergebung erlangen. Zum Schluss erklärt er, dass alle nach vorne kommen möchten, damit er jedem ein Aschenkreuz auf die Stirne zeichnen kann als Zeichen der Busse.
Hans und Paul schauen sich erstaunt an. Sie kommen aus einem evangelischen Kanton, da tut man so etwas nicht. Sie verständigen sich rasch und verlassen die Kirche durch eine Seitentür.
Draussen beginnt Hans mit einem Gespräch. Er bedankt sich noch einmal bei Paul, dass er ihn rechtzeitig zurück gerufen hat. Dann meint er, dass so etwas im äusseren und im inneren Leben geschehen kann.
 Die Lesung eben handelt davon, dass Paulus die Leute in Korinth zurück gerufen hat, weil sie Unrecht getan und Unrecht in ihrer Gemeinde zugelassen haben. Sie sind traurig geworden, weil sie das nicht gemerkt haben. Erst durch einen Brief des Paulus haben sie erkannt, dass das in einer Gemeinde nicht sein darf. Sie müssen alle aufpassen, dass kein Unrecht geschieht. Sie müssen auch darauf achten, dass ein Übeltäter bestraft wird und aufhört, bei ihnen Unruhe zu stiften.
Hans fragt, ob der Name Paul nicht von Paulus herkommt, von dem grossen Apostel also. Paul bejaht die Frage, fügt aber sofort hinzu, dass Hans von Johannes herkommt, dem Evangelisten, oder dem Lieblingsjünger Jesu. Hans stimmt zu.
Nun überlegt Paul, ob es auch in unserer Zeit nötig ist, eine Gemeinde oder eine Kirche zur Umkehr zu rufen. Hans denkt an die Hitlerzeit. Damals sind auch Pfarrer, die jüdischer Abstammung waren, ins KZ gebracht und gefoltert worden. Die Kirchenleitungen haben nichts getan. Nur einzelne andere Pfarrer haben Einspruch erhoben und auf das Unrecht hingewiesen. Sie wurden dann ebenfalls ins KZ gebracht. Einige sind dort gestorben. 1945 haben dann die evangelischen Kirchen ein Schuldbekenntnis abgelegt, aber sie haben sich nicht bei denen entschuldigt, die gelitten haben. Das führte dazu, dass ehemalige Parteigenossen, auch hohe kirchliche Beamte, die neuen Pfarrer und Pfarrerinnen, die jüdischer Herkunft waren, aufs schwerste in ihrem Amt behinderten und auch sonst angriffen. Erst 50 Jahre später haben die rheinische und die niedersächsische Kirche angefangen, Historiker und Historikerinnen zu beauftragen, die alten Geschichten auf zu arbeiten. Es kamen tragische Geschehnisse zu Tage. Die rheinische, evangelische Kirche hat dann zu einer Tagung gerufen und die Leute gebeten, ihre Erlebnisse zu berichten. Manche haben dort das erste Mal gewagt, ihren Mund aufzutun und zu reden.
Paul fragt nun, wie es denn heute 2012 aussieht. Nimmt die Kirche ihr Wächteramt wahr wie damals Paulus? Sie überlegen nun beide. Die Kirchen haben Hilfswerke gegründet, um Armen und Verfolgten zu helfen. Genügt das? Müssten nicht die Kirchenleitungen erklären, wo Unrecht geschieht? Leute auf der Strasse protestieren gegen die ungerechten Bedingungen der globalen Wirtschaftsordnung. Sie protestieren auch gegen die zu hohen Bezüge von Managern und leitenden Bänkern. Was tun die Kirchen? Rufen sie die Superreichen zu Ordnung und Gerechtigkeit? Was tun wir denn?
Ja, was tun wir? Da frage ich Sie, die in die Kirche kommen, um das Wort Gottes zu hören und Handlungsanweisungen für ihren Alltag zu bekommen. Was tun Sie? Aber – was tue ich? Wenn wir das Wort Gottes in der Bibel recht verstehen, dann tun wir, was es sagt. Dann geschieht auch, was damals geschehen ist. Dann weisen wir die Christen zurecht, die ungerecht handeln, Arme ausbeuten, zu viel Geld für ihre Arbeit einstecken, in Europa die teuren Arbeitsplätze abbauen und in billig Lohn Länder verlegen. Hier wächst die Arbeitslosigkeit. Dort gibt es dann etwas mehr Arbeit, aber sie wird schlecht bezahlt. Hier steigt das Einkommen der Firma, dort wird die Situation nicht besser. Schweigen wir zu diesen Ungerechtigkeiten? Schweigt die Kirche? Es sind doch alles Christen, die so handeln. Sind es wirklich Christen? Haben sie verstanden, was Gottes Wort sagt und will? Haben wir Pfarrerinnen und Pfarrer so gepredigt, dass ein jeder verstehen konnte, worum es geht? Wir alle sind Kirche. Wir alle sind verantwortlich für unsere Welt. Es ist genug da für alle, aber die einen leben im Überfluss und die anderen hungern. Warum bringen wir es nicht fertig, die Gaben Gottes gerecht zu verteilen?
Wir alle sind verantwortlich so zu sprechen, dass jeder weiss, was zu tun ist. In einer Versammlung des schweizerischen, evangelischen Kirchenbundes wurde dazu aufgerufen, verständlicher zu predigen. Das ist richtig. Dogmatische Darlegungen, theoretische Erörterungen helfen nicht weiter. Paulus hat seine Briefe nicht so geschrieben. Er hat die Probleme klar beschrieben und ihre Beseitigung verlangt. Er hat zur Umkehr aufgerufen.
Also: Liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst.
Da ist von einer dreifachen Liebe die Rede. Zuerst geht es um Gott, bei dem ich bleiben kann, um glücklich zu werden. Ich darf auch mich selber lieben, aber nicht auf Kosten meines Nächsten. Die Liebe zu mir schliesst die Liebe zu meinem Nachbarn ein. Diese dreifache Liebe lässt die Welt zu dem werden, wozu sie geschaffen wurde, zu einem Ort des Wohlbehagens. Dort geht es allen gut. Da gibt es nicht hier die Reichen und dort die Hungernden. Da ist genug für alle da, gerecht verteilt. Ob wir das je schaffen? Alleine gelingt uns das nicht. Wir brauchen dazu Gottes Segen und Hilfe. Er möge uns beistehen, damit wir mithelfen, eine gute Welt zu schaffen.
Amen
Perikope