Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Christian Stasch
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Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Christian Stasch

Liebe Gemeinde,
schön kurz und knapp ist er, der für diesen 2.Weihnachtstag vorgeschlagene Predigttext, aus dem 2.Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth: „Jesus Christus, obwohl er reich ist, wurde doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

Weihnachtliches Arm- und Reichsein also.
Weihnachtliches Mehrhaben oder Wenigerhaben.
In diesem Jahr, in dem wir uns über vergoldete Wasserhähne in Limburg, aber auch über die bescheidene Papst-Wohnung im Gästehaus des Vatikan gewundert haben, und merken, welche Auswirkungen das hat auf die Glaubwürdigkeit der Kirchen insgesamt.

Wie war das nun an diesem Weihnachtsfest bei uns? Uns, den Reichen, Halbreichen, Na-es-geht-so-Reichen, im Weltmaßstab aber allemal Reichen? Wie war es: Haben Sie sich etwas extra leisten können, oder mussten Sie ganz schön rumknapsen?
Gab es vor ein paar Wochen Weihnachtsgeld? Hat es ausgereicht?

Unterhalten sich drei, was sie mit ihrem Weihnachtsgeld gemacht haben:
Prahlt der erste: Mit meinem Weihnachtsgeld hab ich meiner Frau einen Gebrauchtwagen gekauft, und von dem Rest wird es noch ein neues Sofa geben.
Genauso laut der Zweite: Ich hab mit dem Weihnachtsgeld dies Jahr unseren Swimmingpool sanieren lassen und von dem Rest machen wir Silvester noch eine Städtereise.
Stiller der Dritte: Ja also ich hab mir vom Weihnachtsgeld … einen Pulli gekauft.
Und der Rest?
Den Rest hat meine Mutter dazugegeben.


Weihnachtliches Reichsein.
Am Fest selbst, dem Heiligabend und den beiden Feiertagen.
Geschenke, inzwischen fast alle ausgepackt.
Teure, preiswerte, selbstgemachte Geschenke.
Werte wurden hin und her hergeschoben.
Das hat etwas von Tauschgeschäft.
Manchmal bin ich ganz beschämt: „Ich hab hier so was Kleines für dich und du schenkst mir so was Riesiges.“
Blöd so zu denken, aber es passiert eben doch.

Manche sagen: „Ihr müsst mir nichts schenken, ich hab doch schon alles.“ Für sie also ist das entscheidende Geschenk wohl das Zusammensein, das Besuchen oder Besucht werden, dieses familiäre Gefühl von „Nur zusammen sind wir stark“, auch die Weihnachtspost, die man liest, die Kontakte, die aufleuchten.     
Weihnachten zeigt etwas von Beziehungsreichtum.

Aber auch Beziehungsarmut zeigt sich an Weihnachten unverblümt: War die Weihnachtsfeier mit den Kollegen schön und leicht, oder ein humorloser Pflichttermin?
Oder: „Letztes Jahr hatten wir mehr Weihnachtspost, stimmt´s?  Das nimmt ganz schön ab.“
Oder: „Seit meiner Scheidung darf ich die Kinder zu Weihnachten nur am 2.Feiertag bei mir haben.“

Weihnachtliches Arm- und Reichsein:
Vor dem Kaufhof in Hannover saßen auch in diesem Jahr wieder die, die nichts haben oder wenig haben.
Sie betteln.
Die emsigen Weihnachtseinkäufer mit schweren Tüten gehen an ihnen vorbei.
Einige geben etwas, einen Euro vielleicht - und diese Münzen sind dann für die Bettler „Weihnachtsgeld“-  einige geben dazu sogar ein, zwei freundliche Worte, und einige huschen nur vorbei, den Blick woanders hin – denken sich vielleicht ihren Teil, vielleicht so wie ich es mal auf einem Autoaufkleber gelesen habe: „Eure Armut kotzt mich an.“ Arroganter geht es kaum.

Arm und reich, wir kommen aus diesem Zwiespalt nicht heraus, nicht im Blick auf unser Land und schon gar nicht mit Blick auf viele benachteiligte Gegenden der Welt.
Daher, ganz zu Recht, die weihnachtlichen Aufrufe zu Spenden, etwa für Brot-für-die-Welt.

„Jesus wurde arm um euretwillen“, schreibt Paulus. Und die, die seinen Brief lesen, in Korinth oder in Winzlar, merken sofort: „Wenn Jesus arm wurde für uns, dann geht uns die Armut und materielle Not anderer auch etwas an.“


Weihnachtliches Armsein von Jesus:
„Das Kind in der Krippe“.
Sicherlich das bekannteste biblische Weihnachtsmotiv überhaupt (und übrigens nur vom Evangelisten Lukas so gestaltet).
„Da liegt es das Kindlein auf Heu und auf Stroh, Maria und Josef betrachten es froh“.
Geburt im Notquartier, weil kein Raum in der Herberege da war.
So wird es erzählt.
Geburt unterwegs, weil die Volkszählung zu einem großen Menschengewusel führte.
Krippe statt Bett.
Das wünscht man keinem.
Und doch wurden und werden Kinder auch so geboren:
1945 mitten auf der Flucht.
2013 auf den Philippinnen, in Syrien, im Libanon.
Solidarischer Jesus.
Der von Geburt an das Schicksal der Ärmsten kennt und teilt.
Dazu passt, dass Jesus später kein eigenes Einkommen haben wird, auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein wird (wie die, die in Hannover vor dem Kaufhof stehen), und bei seinem predigenden Herumziehen sich und seinen Begleitern strenge Auflagen bezüglich des Handgepäcks macht: „Beschafft euch kein Reisegeld, weder Goldstücke noch Silber oder Kupfer. Besorgt euch auch keine Vorratstasche, kein zweites Hemd, keine Schuhe und keinen Wanderstock.“ Ob manche über ihn wohl die Nase rümpfen: Deine Armut kotzt mich an?

Deine Armut – na ja, sie befremdet mich zumindest, ist mir peinlich, ich bin ganz beschämt.
So scheinen es manche Dichter von Weihnachtsliedern wohl empfunden zu haben, mit Blick auf diese ausgesprochen schlichte Geburt im Stall.
„O dass doch so ein lieber Stern soll in der Krippen liegen.
Für edle Kinder großer Herrn gehören goldne Wiegen.
Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht,
Samt, Seide, Purpur wären recht,
dies Kindlein drauf zu legen.“ (EG 37,6)

Das Göttliche, Erhabene, Majestätische (so wie wir uns Gott vorstellen) – das ist alles weg, oder zumindest verborgen.
Der Mensch Jesus macht keinen Gebrauch davon.
Armseliger Gottessohn,
Auf die Erde gekommener, runtergekommener Gott.
Und wozu?
Eine Strophe des Liedes „Vom Himmel hoch“ gibt darauf diese Antwort:
„Das hat also gefallen dir, die Wahrheit anzuzeigen mir,
wie aller Welt, Macht, Ehr und Gut vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.“

Was heißt das für uns Weihnachtsfeiernde?
Wir feiern ja, egal wie es unser Geldbeutel erlaubt, durchaus zünftig.
Wir essen und trinken auch heute noch mal so richtig gut,
der Kühlschrank ist noch einigermaßen voll,
wir haben uns noch mal was Schönes angezogen,
haben vielleicht Gäste.
All das gehört schließlich zu einem Fest dazu.

Aber wir wissen, vielleicht am 2.Feiertag mehr noch als am turbulenten Heiligabend,
auch um das, was uns mit begleitet,
das, was wir kaum abschütteln können:
unsere Phasen von Ratlosigkeit,
oder Ohnmacht,
dies Gefühl: „Es wird mir alles zu viel“,
das Wissen um Menschen, mit denen es „immer so schwierig“ ist.
Oft leben wir nicht relaxed von feinen Kühlschrank-Delikatessen,
sondern eher von der Hand in den Mund.

„Jesus Christus, obwohl er reich ist, wurde doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“
Ich Armer – reich durch ihn. Du Armer – reich durch ihn.
Innerlich reich bist du,
indem dein Vertrauen und Gottvertrauen gestärkt wird.
Innerlich reich bist du, indem dir neu klar wird: irgendwie ist das Leben sinnvoll und wird  gut ausgehen.
Innerlich reich bist du, indem du in dieser fulminanten Idee bestärkt wirst: das entscheidende Grundprinzip des Lebens ist Liebe.
Solche Art Reichtum schenkt der heruntergekommene Jesus,
und das wird nicht mit der Höhe des Weihnachtsgeldes verrechnet.

Amen.