Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus:
obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen,
damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Liebe Gemeinde,
Bis in den Satzbau hinein ist das ein wunderbarer, toller Vers:
„Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“. Ihr kennt, ihr wisst - das heißt: Ich als Pfarrer brauche das nicht erst zu erklären. Ihr habt von der Gnade Christi schon gehört, in den Weihnachtspredigten der letzten Tage oder in einem früheren Jahr, oder zu Ostern oder bei anderer Gelegenheit viele Jesus-Geschichten. Ihr wisst davon.
Mehr als ein Wissen ist da gemeint. Im griechischen Urtext des Briefes steht ein Wort, das auch in anderem Zusammenhang verwandt wird: „erkennen“. Adam erkannte seine Frau Eva und sie gebar ihm einen Sohn. Gemeint ist also kein theoretisches Wissen, nicht nur ein Erkennen mit dem Kopf, sondern ein Erkennen mit Leib und Seele, in intensiver Zuwendung, schwanger gehen mit einer Erkenntnis, sie wird fruchtbar im Leben. „Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“.
Weiter im Text: Worin besteht die Gnade, die ihr erkannt habt? Darin, dass Jesus Christus „arm wurde um euretwillen, obwohl er reich war“. Um euer Bruder, um euch gleich zu werden, verzichtete er auf seinen Reichtum und wurde arm.
Und was ist das Ziel dieses Geschehens, in dem Jesus Christus auf seinen Reichtum verzichtet? Auch das wird im selben Satz noch angegeben: „damit ihr durch die Armut Christi reich würdet“. Christus ist arm geworden, damit wir Christen Reichtum und Gnade bei Gott erben, Reichtum und Heil und Segen.
Mit diesem einen Satz fasst Paulus die Weihnachtsgeschichte zusammen. In seinen Briefen gibt es keine Erzählung von Maria und Joseph, Ochs und Esel, Hirten und Königen. Paulus ist vielmehr daran interessiert, was das Heilsgeschehen für uns bedeutet. Eine Zusammenfassung dessen ist unser Vers:
„Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“
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Ein toller Bibelvers; und doch weiß ich nicht, wie es Ihnen mit diesem Satz des Apostels Paulus geht. Es ist - eben eine Zusammenfassung: richtig, schön, aber nicht gerade aufregend. Kein Satz, der von Leben strotzen würde. Dass dies für die Praxis des Christenlebens etwas bedeuten könnte, liegt nicht gerade auf der Hand.
Konfirmanden beschweren sich gelegentlich, in der Predigt sei zu wenig Action - ich frage daher Euch: Gilt das für die Zusammenfassung des Paulus nicht ganz besonders?
Eine Beobachtung allerdings kann einen stutzig machen: Am Anfang des Satzes steht ein „denn“: „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“. Der ganze schöne Vers von der Armut Christi und von unserem Reichtum soll also etwas begründen. - Was?
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Wenn wir den Zusammenhang des frommen Verses lesen, bleibt es zwar fromm, wird aber materiell. Es geht um einen Aufruf, Geld zu sammeln.
Vielleicht war das 8. Kapitel des 2. Korintherbriefes ursprünglich ein eigener kurzer Brief. Auf jeden Fall hat das Kapitel ein eigenes Thema: Eine Sammlung für die verarmte Urgemeinde in Jerusalem. Von dort war die Verkündigung des Evangeliums einst ausgegangen. Jetzt sollten sich alle christlichen Gemeinden erkenntlich zeigen mit dieser Sammlung für die armen Christen in Jerusalem: Erstens als materielle Hilfe und zweitens als geistliche Dankbarkeit.
Paulus berichtet den Korinthern in diesem kurzen Schreiben, wie die Sammlung in Nordgriechenland Fortschritte macht: obwohl die Gemeinden dort arm sind, haben sie ausdrücklich gebeten, mitmachen zu dürfen. Dann appelliert er an die Korinther: „Ihr seid ja in allen Stücken reich: im Glauben und in der Theologie und in eurem Eifer und in der Liebe. So bemüht euch nun, dass ihr auch in diesem Liebeswerk reich werdet.“
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Paulus weiß wohl, dass die Geldbettelei in der Kirche eine gefährliche Gratwanderung ist: Einerseits ist die Hilfe für die, denen sie zugute kommen soll, dringend nötig; andererseits soll die Hilfe freiwillig, ungezwungen gegeben werden; wiederum andererseits muss der Glaube in der einen oder anderen Weise Frucht bringen.
Es ist Ausdruck dieser Gratwanderung, wenn Paulus in diesem Briefabschnitt eigens betont: „Ich gebiete euch nichts; sondern weil andere so fleißig sind, prüfe ich auch eure Liebe, ob sie rechter Art sei.“ Und kurz darauf versichert er: „Ich kenne euren guten Willen und stelle ihn den anderen Gemeinden als Vorbild hin.“
In diesem Zusammenhang steht der Predigtvers, den wir vorhin für sich bedacht haben. Paulus bittet: Beteiligt euch an der Sammlung und prüft eure Liebe; „denn“ (!): „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“
In diesem Zusammenhang ist die schöne Erinnerung an das Heilsgeschehen von Weihnachten keine allgemeine, langweilige Zusammenfassung mehr, sondern eine unverblümte Aufforderung zu mehr Action, nämlich zur Sammlung.
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Ich muss Ihnen gestehen, ich selbst habe Schwierigkeiten damit, um Geld zu betteln, im Gottesdienst oder zum Beispiel bei Geburtstagsbesuchen. Ich weiß zwar, dass wir als Kirchengemeinde und für die weltweite Hilfe der Kirchen alle Spenden nötig haben, ich freue mich und bin dankbar für alle Spenden, aber trotzdem scheue ich davor zurück, meinerseits allzu direkt vom Geld zu sprechen.
Doch wenn ich heute bei dem Predigttext für den Festtag heute bleiben will, dann muss ich um Geld betteln, und zwar um BROT FÜR DIE WELT. Es geht ja wahrlich nicht darum, „dass die anderen gute Tage haben sollen und ihr Not leidet“, schreibt Paulus, sondern es soll zu einem Ausgleich kommen: „Jetzt helfe euer Überfluss ihrem Mangel ab, damit später einmal ihr Überfluss eurem Mangel abhelfen kann und so ein Ausgleich geschehe“ [13 f.].
Dabei muss ich Sie zunächst loben: Nicht nur für die Kirche und die Diakonie, sondern auch für BROT FÜR DIE WELT wird reich gespendet, in diesem Jahr bisher ### EUR, davon allein die Kollekte in den Weihnachtsgottesdiensten ### EUR.
Und doch will ich Ihnen einige Fragen stellen, damit sie sich selber prüfen können, wie groß und von welcher Art Ihre Liebe ist. Ich will die Antworten gar nicht wissen, denn nicht ich, sondern Sie sollen sich prüfen:
Wie viel haben Sie für das größte Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr ausgegeben? Wäre halb so viel auch für die armen und hungrigen Menschen übrig?
Oft sind die Leute ja vernünftig und verzichten auf große Weihnachtsgeschenke. Doch zählen Sie einmal zusammen: Die drei kleinsten von den Kleinigkeiten, die Sie in diesem Jahr verschenkt haben! Haben Sie eine entsprechende „Kleinigkeit“ für BROT FÜR DIE WELT? Das wäre schön.
Oder umgekehrt: Über welches Geschenk haben Sie sich am meisten gefreut? Die Hälfte des Gegenwertes als Spende, oder ein Viertel, wäre daran zu denken? BROT FÜR DIE WELT-Tüten liegen bereit, Überweisungsträger bei jeder Sparkasse und Bank.
Ab morgen werden Raketen und Knaller für Silvester verkauft. Wie viel werden Sie dafür ausgeben? Wären möglicherweise 50 % davon in Brot statt Böller zu investieren?
Eine Frage an die Konfirmandinnen und Konfirmanden: 10 % vom Dezember-Taschengeld: Wie viel wäre das? Wäre das schon wieder zu viel Action für die Armen in der Welt? Zu viel Action, die der Pfarrer in der Predigt macht?
Denn, liebe junge und liebe erwachsene Gemeinde, „denn ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
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Witze oder eine Satire sind manchmal gefährlich, und zwar vor allem in zwei Fällen: wenn sie nicht stimmen; und wenn sie der Wahrheit zu nahe kommen.
Ich setze mich dem Risiko aus und erzähle einen Witz:
Das Flugzeug über dem Atlantik rüttelt und bockt und macht fürchterliche Geräusche. Durch das Fenster ist zu sehen, wie das linke Triebwerk brennt, sich von der Tragfläche löst und in die Tiefe trudelt. Der Kapitän meldet sich über die Sprechanlage: „Auch das rechte Triebwerk hat einen Schaden. Ein Landeplatz ist nicht in Reichweite. Ich halte das Flugzeug, solange ich kann. Kann jemand von Ihnen eine religiöse Handlung vollziehen?“
Nach einem kurzen Augenblick nimmt einer der Passagiere seinen Hut und geht sammelnd durch die Reihen.
Ich bin ich sicher, wenn Sie dabei gewesen wären in jenem Flugzeug, dann hätten Sie ein Gebet gesprochen, das Vaterunser an erster Stelle und den Segen. Vielleicht hätten Sie ein Lied angestimmt: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ oder „Christ ist erstanden“. Es gibt ja Berichte, wie aus den Flugzeugen des 11. September noch Stoßgebete mit dem Handy nach außen geschickt wurden. Es ist in vielfacher Hinsicht ein Zerrbild der Religion, das in jenem Witz gezeichnet wird.
Und doch bleibt einem bei der grotesken Situation schier die Luft weg. Sammeln gehen im abstürzenden Flugzeug! Da überlegen sie, ob sie 10 oder 50 Euro in die Kollekte legen, und 5 Minuten später sind sie alle tot, zerfetzt und untergegangen samt Hut. Sollte das Sammeln milder Gaben das Wesentliche sein, was im kulturellen Gedächtnis über den christlichen Glauben gespeichert wurde? Welcher Spiegel wird uns dabei vorgehalten: Typisch Kirche, sie will immer Geld?
Und doch: Obwohl Anlass und Tun nicht zusammenpassen, und zwar auch aus Gründen des christlichen Glaubens nicht zusammenpassen; im Prinzip macht der Witz auf eine richtige Einsicht aufmerksam. An Menschen in Not zu denken, ihnen zu helfen, auch materiell zu helfen - das ist in der Tat eine „religiöse Handlung“, wie der Flugzeugkapitän so abstrakt sagt.
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Geld zu sammeln, BROT FÜR DIE WELT, auch das gehört zu unserem christlichen Glauben. Nicht dass wir damit für uns etwas tun könnten, für Heil und Himmelreich! Nein, sondern so, dass wir anderen damit helfen und damit der Armut Christi entsprechen.
„Denn!“, schreibt Paulus: „Denn ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.