Liebe Gemeinde!
Enttäuschte Liebe bietet reichlich Stoff für Filme und Romane. Enttäuschte, zerstörte Liebe birgt ein unendliches Potential zerstörerischer Kräfte. Enttäuschte Liebe wird zum Anfang vom Ende.
Das ist auch bei Ted Crawford so. Er ist ein ganz biederer, schon etwas älterer Unternehmer. Verheiratet ist er mit der deutlich jüngeren Jennifer. Vielleicht war er ihr zu alt, hat ihr nicht alles bietet können. Auf jeden Fall wagt sie ein Abenteuer, ein Liebesabenteuer mit einem, der schon durch seinen Beruf mit deutlich mehr Spannung daher kommt. Rob Nunally ist Polizist. Als Ted Crawford hinter die Affäre der beiden kommt, plant er „Das perfekte Verbrechen“. So heißt auch der Hollywood-Streifen aus dem Jahr 2007 mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle als Ted Crawford. Als Crawford seine Frau zur Rede stellt, nimmt er Rache. Am Ende des Films ist nicht nur Jennifer tot, auch ihr Geliebter, der Polizist Rob Nunally.
Und weil auch ein noch so perfektes Verbrechen nie perfekt ist, wird Ted Crawford am Ende doch wegen Mordes angeklagt.
Der Film ist ein Thriller. Spannung pur. Aber eben auch ein Hinweis darauf, welche dunklen zerstörerischen Kräfte freigesetzt werden können.
Enttäuschte Liebe. Auch Gottes Liebesgeschichte mit seinen Menschen ist eine Geschichte enttäuschter Liebe. Von Anfang an. Gott ist enttäuscht von seinen Geschöpfen, Adam und Eva, und er schmeißt sie hinaus aus dem Paradies. Ihr Sündenfall – er steht beispielhaft für die Enttäuschungen, die Gott mit seinen Menschen erlebt.
Fast scheint es so, als gereue es Gott, dass er diese Welt überhaupt erschaffen hat. Mit der Sintflut wird sie nahezu in den Urzustand der Chaosmächte zurückgesetzt. Nur die kleine Mannschaft an Bord der Arche Noah überlebt. Immer sind es einzelne Menschen und ihre Familien, die Gott dann doch schützt und denen er die Chance für einen Neuanfang schenkt.
Und doch wiederholt sich die Geschichte immer wieder.
Sodom und Gomorrha, die Städte aus alttestamentlicher Zeit, sie stehen für ein Verhalten der Menschen, das sich Gott und seinem Willen für das Leben wiedersetzt. Gottes Enttäuschung darüber, dass sich noch nicht einmal zehn Gerechte in den Städten finden, ist so groß, dass er sie mit Feuer und Schwefel vernichtet. Und auch hier ist es nur einer mit seiner Familie, der sich in Sicherheit bringen darf: Lot.
Und hat Gottes Volk daraus gelernt? Ist die Liebe aus den Krisen gestärkt hervorgegangen?
Aus der größten Krise, aus der Sklaverei in Ägypten, hat Gott sein Volk freigepresst. Er hat es nicht losgelassen in der Fremde. Er hat es nicht vergessen dort unter den unmenschlichen Bedingungen, sondern hat ihnen eine neue Zukunft, neues Land, neue Hoffnung geschenkt. Er hat seine Liebe und Fürsorge bekräftigt. Er hat sie festgehalten wie ein Mann seine Frau, eine Frau ihren Mann, die sich ihrer Liebe sicher sind. Mose und Aaron hat er Stimme und Kraft, Vollmacht und Autorität gegeben und immer wieder Zeichen, Hinweise, Beweise seiner Zuwendung, seiner Nähe, seiner Liebe …
Und dann der Zug in die Freiheit – ein Wendepunkt in der Geschichte mit ihrem Gott, ein Neuanfang. So hätte es sein können. Doch es wiederholen sich die alten Muster: Sie murren, sie zweifeln, sie gehen fremd, leisten sich Affären mit anderen Gottheiten.
Wie wird Gott reagieren?
Als Mose auf dem Berg Sinai war und Gott zu ihm sprach und ihm die beiden steinernen Gesetzestafeln überreichte, war das Volk offenbar müde vom Warten, unsicher, ob Mose überhaupt zurückkehren würde. Und sie beauftragten Aaron, ihnen ein Götterbild zu schaffen, das sichtbar ist, das vor ihnen hergeht, das ein Ende mit allen Unsicherheiten und Zweifeln macht. Und so gehen sie fremd.
Aber sind uns diese Gedanken so fremd? Wie oft ist Gott verborgen für uns? Wie oft wird nach einem klaren Eingreifen und Handeln Gottes gefragt – „Warum hält er sich so zurück? Warum lässt er so vieles zu?“ Haben andere Glücks- und Heilsbringer vielleicht mehr Erfolg?
Auf dem Berg Sinai nimmt Gott wahr, was das Volk treibt. So heißt es im Predigttext aus dem 2. Mose 32:
Der HERR sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt.
8 Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's angebetet und ihm geopfert und gesagt: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat.
9 Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, dass es ein halsstarriges Volk ist.
10 Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen.
Wie wird Gott reagieren? Bevor wir die weiteren Verse hören, wollen wir uns in ihn hineinversetzen. Wie würden wir uns verhalten, wenn wir an seiner Stelle wären? Enttäuschte Liebe fordert Rache – Ted Crawford und viele in Liebe und Partnerschaft Enttäuschte haben es vorgemacht. Wird sich die Geschichte, die Geschichte Gottes mit seinem Volk wiederholen? Nun endgültig aus und Ende - Sintflut in der Wüste, Feuer und Schwefel vom Himmel? Entfacht Gottes Zorn und vernichtet, was gegen seinen Willen, seine Liebe steht?
Wie reagieren wir, wenn wir mit Fehlern anderer konfrontiert werden, wenn unsere Gefühle verletzt und mit Füßen getreten werden? Vielleicht nicht zum ersten Mal, sondern immer wieder? Werden wir aggressiv, entwickeln wir unheimliche, zerstörerische Potentiale? Oder resignieren wir einfach, kraftlos und matt? Das wäre alles nur allzu menschlich.
Und wie reagiert Gott? Wie das Tier, das man aus ihm gemacht hat. Ein Stier, der Rot sieht und sich auf sein Opfer stürzt. Ein goldenes Kälbchen, das ausgelassen nach allen Seiten ausschlägt ohne Pardon?
Besser bekannt ist uns, was Mose tut. Jede Bibelverfilmung malt die Szene dramatisch aus, wie Mose wutverzehrt vom Berg steigt und die Steintafeln mit den Geboten zerschmettert. Die laute Musik, der ekstatische Tanz werden jäh unterbrochen und Mose nimmt das Götzenbild und stößt es ins Feuer, die Flammen schlagen hoch, das Gold schmilzt, die Reste werden zu Staub zermalmt … Und Mose sammelt die Getreuen um sich, um einen Rachefeldzug durch das Lager zu starten – „und es fielen an dem Tage vom Volk dreitausend Mann.“, so wird es überliefert. (2. Mose 32,28). Ein entsetzliches Gemetzel.
Die Wut so groß, die Rache so gewalttätig, die enttäuschte Liebe gesühnt … So menschlich!
Gottes Willen erfüllt?
Doch der Herr über Leben und Tod hatte sich umstimmen lassen. Vertilgen wollte er sein Volk nicht, einen neuen Anfang wollte er wagen – mit Mose, der keine Schuld auf sich geladen hatte. Doch Mose wagt den Sprung nach vorn. Trotz des verlockenden Angebotes steht er zu seinem Volk und bittet, bittet für sein Volk und hofft, dass Gott sich umstimmen lässt. Wie menschlich! Doch: Gottes Willen ist unumstößlich!
In 2. Mose 32 heißt es dennoch:
11 Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: Ach HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast?
12 Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst.
13 Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig.
14 Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.
Gott lässt sich erinnern an seine große Liebe für sein Volk. Er lässt sich erinnern an seine Geschichte mit dem großen Männern des Glaubens. An seinen Segen, den er verheißen hat. An die große Zukunft, die er zugesagt hatte. Alles dahin? Warum dann der große Befreiungsakt aus Ägypten? Warum der Exodus, wenn am Ende doch Exitus steht? Warum?
Und der bittende Mose, der kein Verständnis zeigt für sein abtrünniges Volk, findet Verständnis bei ihm.
Wie menschlich! Gott lässt sich umstimmen. Gott lässt sich beknien. Gott lässt seine Liebe nicht enden. Die Enttäuschung – übergroß. Das Maß – eigentlich voll. Das Ende – jetzt wäre es da. Doch die Sühne bleibt aus, „das perfekte Verbrechen“ braucht Gott nicht, die Enttäuschung nimmt nicht den letzten Funken Hoffnung, den er hat für sein Volk.
Gott lässt sich umstimmen. Wie menschlich! Und doch ist es keine menschliche Ratio, die ihn leitet, sondern göttlicher Wille zum Leben und ewiges Bekenntnis zu Liebe.
Enttäuschte Liebe muss nicht tödlich enden. Die Kraft der Liebe kann einen Neuanfang ermöglichen. In seinem Sohn Jesus Christus hat diese Liebe ganz menschliche Züge angenommen. Er ließ sich bitten und konnte Vergebung zusprechen. Er wurde eingeladen und stiftete eine ganz neue Gemeinschaft. Er nahm die kranke Hand und gab ihr das Leben zurück. Er stand am Bett eines toten Mädchens und erweckte sie aus dem Schlaf. Er, er machte Gott so menschlich, so nah. Sogar in seinem Leiden und Sterben war er bei den Menschen, sogar bei denen, die ihn enttäuscht hatten. Doch sein Ende wurde zu einem Neuanfang, das Kreuz zum Zeichen seiner nicht enden wollenden Liebe. Das leere Grab zum Beweis, dass seine Verheißungen nicht leer sind, sondern voller Leben.
Der Tanz ums Goldene Kalb ist längst beendet. Die Musik verstummt. Das Bild des Stieres hat sich in der Feuershitze aufgelöst und ist zu Staub zerfallen. Gott hat uns ein Bild seiner Liebe geschenkt. Gott ist so menschlich geworden. Gott ist uns so nahe und in seiner Liebe doch so weit entfernt. Zu ihm können wir kommen, zu ihm beten, ihn anflehen. Er will sein Volk nicht vertilgen. Nie wieder sollen sich die alten Geschichten wiederholen. Nie wieder sollen Rache und Sühne Leben zerstören. Die Zeiten haben sich geändert.
Nur der Mensch ändert sich nicht. Aber – Gott sei Dank – bleibt auch Gott der, der er war, der er ist und der er sein wird. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sonne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.
Predigt zu 2. Mose 32,7-14 von Bert Hitzegrad
32,7-14
Perikope