5. Mose 6,1-9 – Ermahnung zur Liebe gegen den Herrn
1 Dies sind die Gesetze und Gebote und Rechte, die der HERR, euer Gott, geboten hat, dass ihr sie lernen und tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen,
2 damit du dein Leben lang den HERRN, deinen Gott, fürchtest und alle seine Rechte und Gebote hältst, die ich dir gebiete, du und deine Kinder und deine Kindeskinder, auf dass du lange lebest.
3 Israel, du sollst es hören und festhalten, dass du es tust, auf dass dir's wohlgehe und du groß an Zahl werdest, wie der HERR, der Gott deiner Väter, dir zugesagt hat, in dem Lande, darin Milch und Honig fließt.
4 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.
5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.
6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen
7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.
8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein,
9 und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.
Sie klingen gewichtig, diese Sätze, die wir da hören. Sie enthalten große, zentrale Texte des biblischen Judentums, und sie sind als Erbe in unserer christlichen Tradition enthalten.
Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, denn diese Verse haben drei Themen, sie geben einen dreifachen Hinweis, was denn bedeutsam und wichtig ist am Glauben.
- Gesetze, Gebote, Rechte werden von Gott empfangen, sie sind zu lernen und zu halten, zu tun.
- Das Bekenntnis zu Gott, zum einzigen Gott, steht im Mittelpunkt und die Aufforderung, ihn zu lieben.
- Und für das Lernen der Gebote und des Bekenntnisses werden methodische Ratschläge und Hilfen gegeben.
Vielleicht viel für einen Sommersonntagmorgen, aber schauen wir doch hinein in diese Verse.
1
Gesetze, Gebote und Rechte gibt Gott, damit Menschen ihr Leben daran orientieren. Weil das Leben und vor allem das Zusammenleben dann leichter wird, wenn alle sich an guten Gesetzen und Regeln orientieren. Solche Regeln sind es ja: Ordnungen für das Zusammenleben.
Denken Sie nur an die Zehn Gebote. An Gott glauben, einen Herrn über sich wissen, sich also nicht selbst zum Gott erheben müssen. Nicht leichtfertig mit Gott, dem höchsten Gut, umgehen, kein Bildnis machen, den Namen nicht missbrauchen, den Feiertag heiligen. Und dann behutsam umgehen mit den Menschen: Für alte, schwache Menschen sorgen – Vater und Mutter heißt dies -, andere nicht töten, nicht fertigmachen, ihnen nichts wegnehmen, die Beziehungen achten, nicht falsch übereinander reden, nicht vom Begehren aufgefressen werden. Regeln für das Zusammenleben, den Menschen zugut.
Stellt sich nur die Frage, ob der Automatismus stimmt: Wer diese Gebote lernt und sie hält, sie tut, dem geht es gut, der lebt lange in dem Land, das Gott ihm gibt, und Milch und Honig fließen ohne Ende.
Das gibt’s auch anders in der Bibel, denken Sie nur an Hiob. Ein Frommer, ein Gerechter leidet, unverschuldet und schier ohne Ende. So einfach sieht die Bibel den Glauben nicht. Frömmigkeit oben reinwerfen, und unten kommt ein gutes Leben raus. Schade eigentlich.
Und dennoch steht hier die Aufforderung, die Gesetze und Gebote und Rechte Gottes zu lernen, zu halten, zu tun, und die Zusage, das helfe zum guten Leben. Der Beweis steht zwar vielleicht noch aus, aber es klingt auch verlockend. Es kann sich lohnen, Gottes Weg zu folgen, das Leben an seinen Geboten zu orientieren. Deshalb wird es gut sein, auf die Gebote zu hören, sie zu lernen und sie festzuhalten.
2
Dann das sh’ma Jisrael. Das Bekenntnis, das fromme Juden täglich beim Morgen- und beim Abendgebet sprechen (ein bisschen vergleichbar mit dem Vaterunser bei uns Christen): Sh’ma Jisrael, adonaj elohenu, adonaj ächad – Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
Ein Bekenntnis, das festhält: Israel und die Glaubenden stehen in einer Beziehung zu Gott, die Alternativen ausschließt. Es kann keine anderen Götter geben, nicht für Israel. Weil Israel die Erfahrung gemacht hat, dass Gott das Volk aus Ägypten herausgeführt hat, ihm ein Land gegeben hat, in dem das Leben sich entfalten und gedeihen kann.
Deshalb soll Israel an seinem Gott festhalten, an ihm allein. Der Keim zur Entstehung des jüdischen Monotheismus. Zunächst hat Israel eine einzigartige Beziehung zu seinem Gott, dann lernt es, dass es keine anderen Götter daneben haben kann, dann wächst daraus das Bewusstsein, dass es nur diesen einen Gott gibt.
Und auf diesem Weg streift es nach und nach Krücken ab, lernt, dass Gott im Geist verehrt werden will und in der Wahrheit, nicht in den zahllosen äußerlichen Formen religiöser Selbstvergewisserung. Die Opfer verlieren ihre Bedeutung, die Riten, an ihre Stelle tritt der Synagogengottesdienst, auf das biblische Wort konzentriert, auf den biblischen Gott.
Dem entspricht dann die Haltung, die hier empfohlen ist: den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Gott lieben, in diesen Versen übrigens ganz parallel zu dem anderen, die Gebote Gottes halten. Das eine ist wie das andere: Gott lieben und Gott fürchten, und es ist dasselbe wie: seinen Geboten folgen.
Gott hat gute Gebote gegeben, Gebote, die den Weg zum Leben weisen. Ihnen gilt es zu folgen, darin ist das Leben zu finden. Das meint: Gott fürchten, Gott lieben. Die Einsicht gewinnen, dass Gottes Gebote gut sind, sie beherzigen, ihnen mit allen Fasern des Lebens folgen. Gott lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft.
Und das dann bekennen, im Vollzug des eigenen Lebens, in dem, was ich sage, und in dem, was ich tue, und in dem, was ich bin. Meinen Glauben leben. Um den einen Gott wissen und entsprechend, ihm entsprechend leben. Ganz einfach leben, aus diesem Glauben.
3
Dann folgen methodische Ratschläge und Hilfen.
Wer das für richtig erkannt hat, wird es selbst zu Herzen nehmen und es seinen Kindern weitergeben wollen. Der Vorschlag hier: …diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du … deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.
Den Kindern weitergeben, was mir hilft. Davon reden. Sprachfähig werden im Glauben nennen offizielle kirchliche Papiere das heutzutage, aber das ist vielleicht ein bisschen aus der Etappe betrachtet, die Front verläuft noch einmal woanders, in Familien, in Gemeinden, in diakonischen Einrichtungen, da, wo der Glaube einfach nur gelebt werden kann. Und gelegentlich dann ein unaufdringlicher Hinweis darauf folgen kann, aus welcher Quelle sich der Glaube und das Tun speisen.
Die Vorschläge hier nehmen die Erwachsenen sehr stark für die jeweils nachfolgende Generation in Anspruch. Sie beschreiben, wie Traditionsweitergabe erfolgen kann: Tag und Nacht davon reden, immer wieder sein Sprüchlein sagen, unbeirrt, unermüdlich. Immer wieder erkennen lassen, was mich in meinem Leben trägt, was mir hilft, die Widrigkeiten zu bestehen, die Demütigungen, durch Schicksalsschläge und durch Menschen, die gewiefter und gewitzter ihren Weg durchs Leben gehen, notfalls auch auf Kosten anderer. Der nachfolgenden Generation weitergeben, was mir geholfen hat und hilft, das Leben, das so ist, wie es ist, zu bestehen.
In alter Zeit und in frommen und weniger frommen jüdischen Häusern bis heute hatte und hat man noch andere Methoden. Die manchmal halt Jahrhunderte überdauern und ihre Kraft erweisen. Die Mesusa, die Gebetskapsel an den Türpfosten, oder die Tefillin, die Gebetskapseln an Arm und Stirn.
Die Mesusa oder, wenn’s viele sind, die Mesusoth: Messing- oder Silberkästchen, die an den Türen befestigt sind, und fromme Juden berühren sie oder sehen zu ihnen hin. Sie enthalten kleine Pergamentrollen, auf denen Verse aus unserem Bibelabschnitt heute stehen, eingerollt, die Schrift nach innen. Durch die Öffnung in der Kapsel ist zu lesen: Shaddaj, Allmächtiger, auf die Rückseite geschrieben. Innen dann die Sätze, die im Morgen- und Abendgebet ihren Platz haben: Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
Die Tefillin: Bänder, um den Arm und über die Stirn gebunden, ebenfalls mit einer Kapsel, in der dieselben Sätze aufgeschrieben sind, getragen vornehmlich zum Synagogenbesuch und bei Gebeten.
Wer immer durch die Tür schreitet mit der Mesusa, wer immer betet und zuvor die Teffilin anlegt, erinnert sich daran: Gott ist einer, er gibt seine Gebote, ich kann ihnen folgen, ich kann ihn lieben, und ich werde dies in meinem Leben spüren lassen. Ich werde ihm folgen, ich werde seinen Willen tun, ich werde in seiner Spur gehen.
4
Ein paar alte Verse aus der Bibel, und soviel Anstoß für uns, für mich und vielleicht auch für Sie, heute morgen.
- Ich kann Gottes Gebote und Gesetze wahrnehmen, sie ernstnehmen, sie als Hilfen für mein Leben entdecken, und sie dann auch halten.
- Ich kann den einen Gott bekennen, den Herrn der Welt, weil das ein gutes Korrektiv ist für alle Fremdbestimmung und für alle zu große Verliebtheit in mich selbst und eine gute Hilfe gegen die Selbstverliebtheit anderer, die mir begegnet.
- Und ich kann dann dafür sorgen, dass Gott mir und anderen im Gedächtnis bleibt, ich kann Methoden entwickeln, mich an ihn zu erinnern und auf seinem Weg zu bleiben und anderen das weiterzugeben.
Wenn wir uns so an diese gewichtige Tradition des Judentums erinnern, kann uns das helfen, für unser Leben heute und morgen und in der Zeit, das vor uns liegt.
Liedvorschläge: 322 Nun danket all und bringet Ehr, 279 Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren, 136 O komm, du Geist der Wahrheit: 322,1-5 / 279,1+2 / 136,1-4 / 279,6+7 / 322,6-9