Predigt zu Apostelgeschichte 10,36-44 von Bernd Vogel
10,36-44

Exegetische Vorbemerkung: Die Zusammenfassung des Lebens Jesu in VV 36-44 verliert seinen Kontext, seine Spannung, seinen Beziehungsreichtum ohne die erzählte Geschichte vorher (Vision des Kornelius und Vision des Petrus) und nachher (Geist für die Völker und Taufe).
Lukas hat die beiden Erzählstränge um Kornelius und Petrus kunstvoll als die Geschichte des wechselseitigen Übergangs zu einander und über den geistigen Status quo hinaus gestaltet. Diese Erzählung ist das Medium der 'Botschaft'.
Wenn Erzähltexte der Apostelgeschichte gepredigt werden, dann kann es jedenfalls nicht vor allem um die Explikation von dogmatischen Formeln gehen. Der Tief – Sinn der von Lukas erzählten Geschichte ginge verloren.


1 Es war aber ein Mann in Cäsarea mit Namen Kornelius, ein Hauptmann der Abteilung, die die Italische genannt wurde.
2 Der war fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus und gab dem Volk viele Almosen und betete immer zu Gott.
3 Der hatte eine Erscheinung um die neunte Stunde am Tage und sah deutlich einen Engel Gottes bei sich eintreten; der sprach zu ihm: Kornelius!
4 Er aber sah ihn an, erschrak und fragte: Herr, was ist? Der sprach zu ihm: Deine Gebete und deine Almosen sind vor Gott gekommen und er hat ihrer gedacht.
5 Und nun sende Männer nach Joppe und lass holen Simon mit dem Beinamen Petrus.
6 Der ist zu Gast bei einem Gerber Simon, dessen Haus am Meer liegt.
7 Und als der Engel, der mit ihm redete, hinweggegangen war, rief Kornelius zwei seiner Knechte und einen frommen Soldaten von denen, die ihm dienten,
8 und erzählte ihnen alles und sandte sie nach Joppe.

KURZE MUSIK

Wann hatten Sie Ihre letzte Erscheinung?
Nachmitttags um drei. Todesstunde Jesu.
Finsternis über dem Land. Die Sonne verweigert sich.
Wir schalten das Licht an.
Im Fernsehen zeigen sie Ben Hur.
Keine Erscheinung .


9 Am nächsten Tag, als diese auf dem Wege waren und in die Nähe der Stadt kamen, stieg Petrus auf das Dach, zu beten um die sechste Stunde.
10 Und als er hungrig wurde, wollte er essen. Während sie ihm aber etwas zubereiteten, geriet er in Verzückung
11 und sah den Himmel aufgetan und etwas wie ein großes leinenes Tuch herabkommen, an vier Zipfeln niedergelassen auf die Erde.
12 Darin waren allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels.
13 Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss!
14 Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen.
15 Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.
16 Und das geschah dreimal; und alsbald wurde das Tuch wieder hinaufgenommen gen Himmel.

KURZE MUSIK

Zur Mittagszeit kreuzigten sie ihn. Petrus betet.
Ob er sich erinnert - oder ist es Gewohnheit?
Gleich viel: Da betet sich einer hungrig!
„Und sah den Himmel aufgetan“ und ein Tischtuch vom Himmel kommen.
Kein Vegetarier, dieser Simon.
Und wehrt sich mannhaft gegen Gottes Gebot. Zwei Mal: Ist nicht, Gott, nicht mir mir!
Drei Mal krähte der Hahn. Da stand er auf und hatte begriffen.
Er schritt über die Grenzen seiner Gewohnheiten und Standpunkte.
Er ließ die Richtigkeit hintan, die Mehrheitsmeinung, den Halt der Gruppe.

Wann, Gott, werde ich aufstehen und einfach hinschauen und sehen, was ich sehe,
denken, was mir wirklich einfällt, sagen, was ich sagen will, und handeln mir gemäß?
Wann, Gott, werde ich aufstehen aus der Macht meiner Herkunft?
Wann, Gott, werde ich anfangen zu leben?
Wann werde ich den Mut haben, auch einmal allein zu stehen; denn du gehst ja mit ..

17 Als aber Petrus noch ratlos war, was die Erscheinung bedeute, die er gesehen hatte, siehe, da fragten die Männer, von Kornelius gesandt, nach dem Haus Simons und standen an der Tür,
18 riefen und fragten, ob Simon mit dem Beinamen Petrus hier zu Gast wäre.
19 Während aber Petrus nachsann über die Erscheinung, sprach der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich;
20 so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt.
21 Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; warum seid ihr hier?
22 Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast.
23 Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm.

KURZE MUSIK

24 Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen.
25 Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an.
26 Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch.
27 Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren.
28 Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll.
29 Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.
30 Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand
31 und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott.
32 So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer.
33 Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist.

KURZE MUSIK

Zur sechsten Stunde: Weltennacht. Sonnenfinsternis mitten am Tag. Und der Vorhang im Tempel zerreißt mittig in zwei Stücke. Das innerste Heiligtum Israels steht ungeschützt, verwundet und verwundbar und weit geöffnet zur Welt. Petrus bekommt eine göttliche Aufforderung, die ihn herausführt aus allem, was ihm heilig war: „Steh auf! Schlachte und iss!“

Zur neunten Stunde: „Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, hauchte er seinen Geist aus.“. Zur neunten Stunde, erfüllt der Geist des Jesus den römischen Hauptmann Kornelius. Ein „Mann im leuchtenden Gewand“ erscheint ihm. Durchscheinende Wirklichkeit. In dem „Mann“ der „Engel“, ja: der auferstandene Jesus. Was für den Soldaten als Befehl daherkommt, daher kommen muss, ist in Wahrheit eine Lockung ins Weite, in die Freiheit von Befehl und Gehorsam, auch von frommen Taten, die etwas bezwecken: Gebete und Almosen. Nun heißt es von ihnen: „Gott hat ihrer gedacht“. Gott lässt sich beides sozusagen durch den göttlichen Kopf gehen und durch sein göttliches Herz. Und dann entschließt sich – um im menschlichen Bild zu bleiben – .. dann entschließt sich dieser Gott Israels und der Welt, diesem Menschen sozusagen persönlich zu erscheinen und ihn einzuladen auf eine geistige Reise in die Zukunft der Menschheit.

Zusammen haben sie ihre Zukunft. Der traditionsverhaftete Jude und der neugierige römische Soldat. In ihrer Begegnung führt Gott die Weltgeschichte voran. Auferstehung mitten hinein in die Leben zweier Menschen, die zu einander geführt werden.
Gottes Geist in uns:
 
Mut zur Begegnung
Lust auf Ungewohntes und Grenzüberschreitung
Sinn für Zeiten der Offenheit, der Wahrnehmung dessen, was ist
Zutrauen, dass in den kleinen Alltagsgeschichten Gott Weltgeschichte weitet, öffnet, mit uns als Beteiligten, als Akteuren,
das jedenfalls zeitweilige Gefühl, die trotzige Gewissheit, dass Gott gerade mich aufsucht, mich braucht, mich begeistern und erfreuen will, dass ich in Gott Zukunft habe – und die anderen auch
Gott in mir und ich in Gott …Nicht von außen bricht Gott in diese Welt ein und verlässt uns wieder. Was wir Gott nennen, geschieht hier unter uns, zwischen uns, in uns.
   

34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht;
35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.
37 Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, 38 wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm.
39 Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet.
40 Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen,
41 nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten.
42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten.
43 Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.“  
44 Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten.
45 Und die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, entsetzten sich, weil auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde;  46 denn sie hörten, dass sie in Zungen redeten und Gott hoch priesen. Da antwortete Petrus: 
47 Kann auch jemand denen das Wasser zur Taufe verwehren, die den Heiligen Geist empfangen haben ebenso wie wir?
48 Und er befahl, sie zu taufen in dem Namen Jesu Christi. Da baten sie ihn, noch einige Tage dazubleiben.

Auch uns steht ER auf. Vielleicht gibt sich etwas heute zu erfahren. Ein neuer Blick. Ein Moment. Ein Hunger. Ein Wort. Eine Begegnung. Da tut sich doch was.

Amen.
 

Perikope