Predigt zu Apostelgeschichte 17,22-34 von Elke Markmann
17,22-34

Bibeltext aus der Bibel in gerechter Sprache:
(Apg 17,22-28a(28b-34))
22 Paulus stand nun mitten auf dem Areopag und sagte: »Ihr Leute von Athen, ich sehe, wie religiös ihr in jeder Hinsicht seid. 23 Denn als ich hier umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Inschrift: ›Der unbekannten Gottheit‹. Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch. 24 Gott hat die Welt und alles in ihr gemacht, herrscht über Himmel und Erde; Gott wohnt nicht in von Händen gemachten Tempeln, 25 lässt sich auch nicht von Menschenhänden versorgen, hat nichts nötig, gibt doch selbst allen Leben, Atem und alles. 26 Gott machte aus einem einzigen Menschen das gesamte Menschengeschlecht, damit sie sich überall auf der Erde aufhalten, bestimmte für ihren Aufenthalt festgesetzte Zeiten und bestimmte, feste Grenzen. 27 So sollten sie suchen, ob sie wohl Gott ertasteten und fänden; ist Gott doch nicht fern von jeder und jedem von uns. 28 Denn in Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir.
Wie es auch welche sagen, die bei euch gedichtet haben: ›Wir sind ja göttlicher Herkunft.‹ 29 Weil wir nun göttlicher Herkunft sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche gleiche Gold oder Silber oder Stein, einem Gebilde menschlicher Kunstfertigkeit und Einbildungskraft. 30 Über die Zeiten der Ignoranz nun hat Gott zwar hinweggesehen, fordert aber jetzt die Menschen überall auf, dass sie alle umkehren. 31 Denn Gott hat einen Tag festgesetzt, um an ihm die Menschheit gerecht zu richten durch einen Mann, der dafür bestimmt und gegenüber allen ausgewiesen ist, weil Gott ihn von den Toten aufstehen ließ.« 32 Als sie vom Aufstehen der Toten hörten, spotteten die einen und die anderen sagten: »Darüber wollen wir dich ein andermal hören.« 33 So ging Paulus von ihnen weg. 34 Einige aber schlossen sich ihm an und kamen zum Glauben, darunter auch Dionysius, ein Mitglied des Gerichts auf dem Areopag, sowie eine Frau namens Damaris und weitere mit ihnen.
(Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache, Dr. Ulrike Bail / Frank Crüsemann / Marlene Crüsemann (Hrsg.), Bibel in gerechter Sprache © 2006, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH)


Liebe Gemeinde!
Diese Geschichte hat mich schon immer angesprochen. Perfekte Werbestrategie! Paulus geht durch Athen – und guckt sich mit offenem Blick an, wie die Menschen dort leben und was sie glauben, wen sie verehren, woran sie ihr Herz hängen.
Schon diese Haltung des Paulus fasziniert mich. Wie oft gehe ich irgendwohin und habe schon eine gefestigte Meinung zu dem, was mich dort erwartet. Vor dem Besuch eines neuen Ortes informiere ich mich meist und ich habe das alte und neue Wissen über diesen Ort im Kopf. Ich kann nur schwer offen sein für das, was ich dort sehe. Was ich sehe, vergleiche ich schnell mit meinem Vorwissen – oder sollte ich besser sagen: meinen Vorurteilen?
Nicht nur bei fremden Orten, auch bei fremden Menschen nehme ich es mir immer wieder vor: Ich will offen sein für das, was ich erlebe. Ich kenne die notwendigen Schritte dahin: Was weiß ich schon über diese Stadt oder diesen Menschen? Was ist wirkliches Wissen oder was ist vielleicht auch unwichtig für die erste Begegnung? Mein eigenes Vor-Wissen kann ich dann an die Seite stellen, um offen für Neues zu sein.
Wenn das gelingt – das tut es ja nicht immer – ist es oft auch für mich bereichernd. Ich kann über eine mir unbekannte Kultur staunen oder mich über Menschen freuen, die mich überraschen können.

Mit einer solch offenen Haltung also geht Paulus also in die Stadt Athen.

Er geht nicht mit der Haltung in die Stadt, dass die Menschen in Athen sowieso Heiden sind, die nichts wissen wollen von Gott und die keine Ahnung haben. Vielmehr sieht er, dass sie offensichtlich verschiedene Götter verehren. Ein gläubiges Volk. Ein Volk, das jedem Gott und jeder Göttin einen eigenen Tempel baut.
Falls sie aber irgendeinen Gott vergessen haben sollten, den sie noch nicht kennen, wird auch für den sicherheitshalber eine Tempel gebaut und geweiht. „Dem unbekannten Gott“!

Paulus erkennt hier nicht nur eine große Frömmigkeit bei den Menschen. Er erkennt auch, dass sie teilweise verunsichert sind. Wenn es nun noch mehr Götter gibt? Wenn wir einen übersehen oder vergessen haben – was dann?!

Darauf baut er auf. Er schenkt den Menschen Sicherheit.

Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch. 24 Gott hat die Welt und alles in ihr gemacht, herrscht über Himmel und Erde; Gott wohnt nicht in von Händen gemachten Tempeln, 25 lässt sich auch nicht von Menschenhänden versorgen, hat nichts nötig, gibt doch selbst allen Leben, Atem und alles. 26 Gott machte aus einem einzigen Menschen das gesamte Menschengeschlecht, damit sie sich überall auf der Erde aufhalten, bestimmte für ihren Aufenthalt festgesetzte Zeiten und bestimmte, feste Grenzen. 27 So sollten sie suchen, ob sie wohl Gott ertasteten und fänden; ist Gott doch nicht fern von jeder und jedem von uns. 28 Denn in Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir.

Und die Menschen hören ihm zu. Sie sind interessiert und neugierig.
Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Als Paulus von der Auferstehung spricht, verspotten sie ihn oder vertrösten ihn. Sie gehen. Nur wenige bleiben und wollen mehr hören.
34 Einige aber schlossen sich ihm an und kamen zum Glauben, darunter auch Dionysius, ein Mitglied des Gerichts auf dem Areopag, sowie eine Frau namens Damaris und weitere mit ihnen.

Warum bringt gerade die Rede von der Auferstehung Jesu die Menschen dazu, zu spotten und sich abzuwenden? Alles andere hören sie sich doch interessiert an.

Athen gehörte damals zum Römischen Reich. Im römischen Reich war es gefährlich, an die Auferstehung zu glauben. Andere Religionen wurden sowieso nicht gerne gesehen. Der Kaiser in Rom war göttlich und wurde nach seinem Tod zum Gott erklärt. Dies sollten die Menschen glauben. Auferstehung wurde nicht grundsätzlich geleugnet. Wer aber an die Auferstehung Jesu glaubte, schwächte damit die Macht der römischen Herrscher. Und so waren nicht nur die Römer gegen diejenigen, die den auferstandenen Christus anbeteten, sondern auch die Elite, die reichen und einflussreichen Familien Athens. Nur in der Zusammenarbeit und mit Billigung der römischen Besatzungsmacht hatten auch sie Macht, Geld und Einfluss.

Wer an die Auferstehung glaubt, lässt sich nicht mehr ohne weiteres unterdrücken. Wenn ich glaube, dass ich auferstehen werde, fürchte ich den Tod nicht oder nicht so sehr. Wer den Tod nicht fürchtet, kann nicht mit Androhung von Gewalt und Tod bezwungen werden. Wer an die Auferstehung der Toten glaubt, nicht nur an die Auferstehung Jesu Christi, hat ein ganz anderen, viel umfassenderen Gerechtigkeitsbegriff als es für gehorsame Untertanen im römischen Reich wünschenswert ist.

Wer sich also dazu bekannte, an den auferstandenen Jesus Christus zu glauben, lief Gefahr, als Regierungsgegner und Terrorist verfolgt zu werden.

Wenn nun also Paulus auf dem Aeropag von Gott und Jesus redet, ist so lange alles gut und interessant, wie er nicht von Auferstehung redet.
Als er das tut, fangen die einen an zu spotten. Sie versuchen, Paulus lächerlich zu machen, um sich selbst nicht zu gefährden.
Andere sagen ihm er solle lieber aufhören und später weiter reden – wahrscheinlich in geschütztem Raum, wenn nicht befürchtet werden muss, dass sie bespitzelt werden.

Der gute Werbestratege ist Paulus also vielleicht doch nicht? Er wusste ja auch von der Gefahr. Er wurde schließlich selbst verfolgt, verfolgte früher selbst diejenigen, die an den auferstandenen Jesus Christus glaubten.

Warum redet er dann trotzdem vom Auferstandenen in aller Öffentlichkeit?!

Ich denke mir, dass für ihn eben die Auferstehung ein zentraler Punkt ist. Einerseits aus religiösen Gründen. Er glaubt wirklich an den Auferstandenen, der ihm schon erschienen ist. Andererseits wird er sehr wohl um die politische Bedeutung und um die Gefahr gewusst haben, die er hier einging. Und doch redet er von Auferstehung. Damit setzt er auch ein politisches Zeichen: „Ich lasse mich nicht von Euch einschüchtern! Mein Glaube ist stark über jede Verfolgung hinweg!“

Diejenigen, die sich ihm anschließen, Dionysius, Damaris und weitere mit ihnen – sie lassen sich auf diesen Glauben ein. Sie schrecken nicht zurück vor der Gefahr. Dieser Gott überzeugt sie. Vielmehr überzeugt Paulus sie von diesem Gott.

Ich halte ihn immer noch für einen guten Werbestrategen. Erst freundlich gewinnen für das Produkt – aber die Risiken und Nebenwirkungen verschweigt er nicht. Wer sich ihm dann anschließt, weiß, worauf er sich einlässt! Da wurde nichts beschönigt. Die Andeutungen reichten den Menschen für eine Ahnung davon, dass ihre Zukunft nicht nur einfach werden wird, wenn sie Paulus folgen.

Und doch folgen ihm einige und kommen zum Glauben!

Beeindruckend! Nicht nur Paulus beeindruckt mich hier durch seine Strategie, auf die Menschen zuzugehen.
Auch Dionysius und Damaris und einige weitere bleiben bei ihm, folgen ihm und glauben an Gott, wie Paulus ihn verkündigt: im auferstandenen Christus.

Ob wir von Paulus lernen können?
Ob wir von Dionysius und Damaris lernen können?

Ich wünsche es mir. Aber so viel Gefahr liegt nicht mehr darin, vom Auferstandenen zu reden. Heute riskieren wir nicht unser Leben, wenn wir von der Auferstehung Jesu Christi sprechen. Allenfalls riskieren wir, dass wir nicht mehr von allen ernst genommen werden. Aber das ist mir dann – hoffentlich – egal.

Öffentlich von meinem Glauben sprechen. Wie schön, dass das heute hier möglich ist.
Öffentlich von  meinem Glauben sprechen. Wie gut, dass das nicht nur ich mache!
Öffentlich von Gott sprechen, das können nicht nur Paulus und wir Pfarrerinnen und Pfarrer. Das können auch sie und sie und sie …
Amen.
 

Perikope