Predigt zu Hebräer 1,1-4 von Rudolf Rengstorf
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Predigt zu Hebräer 1,1-4 von Rudolf Rengstorf

Liebe Gemeinde!

Der Predigt soll heute die Epistel, die wir vorhin gehört haben, zu Grunde gelegt werden. Ich verlese noch einmal die Sätze aus dem Anfang des Hebräerbriefes:

Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,:hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn.den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.  Er ist der Abglamz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den  Sünden und hat sich gesetzt zur rechten der Majestät in der Höhe.und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.

Warum um Himmelswillen diese  Anhäufung  von Begriffen, die man gar nicht so schnell behalten, geschweige denn verstehen kann?!.

Doch diese Worte sind nicht aufgeschrieben, um möglichst schnell von unseren Köpfen aufgenommen zu werden. Nicht zum Denken, zum Kombinieren oder zum Spekulieren sind sie aufgeschrieben, sondern - zum Singen! Zum Mitsingen im Chor derer, die hingerissen sind von dem, der da zu Weihnachten Mensch geworden ist  Weil hier klar wird, wie Gott zu den Menschen steht: Liebevoll - uns nachgehend bis zur Geburt in Stall und Krippe - davon sind unsere Weihnachtslieder ja voll. Doch bisweilen wird in diesen Liedern vergessen: Nicht die Niedrigkeit und unsere Rührung darüber ist das Ziel der Wege Gottes, sondern den Himmel will er aufschließen für uns und alles mit seiner Herrschaft und Herrlichkeit zu durchdringen. Darum geht es. Und darum blickt dieser kleine Weihnachtshymnus genau in die entgegengesetzte Richtung: nicht auf  Krippe und Stall, nicht auf das Kind, nicht zu den Hirten oder zu den Weisen aus dem Morgenland. Er blickt auf zu dem, der hinter dem allen steht. Er sieht auf zu dem Platz, der dem Kind in der Krippe bei Gott sozusagen im Zentrum der Macht eingeräumt ist.

Ein Hymnus, ein Lied der Anbetung ist das - ein Hymnus in vier Strophen, dessen Mitsänger sich selbstvergessen ganz dem öffnen, ganz den auf sich zukommen lassen, der nicht für sich bleiben, sondern sich mitteilen will.

Und wir nehmen diesen Hymnus am besten so auf, dass wir auf jede seiner Verse mit Strophen  aus unserem Gesangbuch  antworten.

Strophe 1

Gott hat vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet
 zu den Vätern durch die Propheten.

Damit fängt alles an, dass Gott redet, zu Menschen redet und durch Menschen redet. Durch Menschen, die nicht nur behaupten, für Gott, im Auftrag Gottes zu reden - das kann jeder .. Er redet durch Menschen, die nicht sagen, was die andern hören  wollen, sondern die sagen, was Gott uns hören lassen will.  Vielfach hat Gott geredet und auf vielerlei Weise, so, dass die Herrschenden ihn ebenso hören mussten wie die kleinen Leute,  die dachten: Auf mich kommts ja sowieso nicht an. Und er hat nicht allen das Gleiche gesagt, denn die Menschen sind ja nicht alle gleich, leben nicht unter den gleichen Verhältnissen. Den Unterdrückern hat er etwas anderes gesagt als ihren Opfern, den Überheblichen anderes als den Verzagten, den Reichen etwas anderes als den armen Schluckern. Und nie hat Gott in seinem Reden daran gedacht, sich aus der Politik herauszuhalten. Wer das heute fordert, weiß nicht, wie Gott zu den Vätern durch die Propheten geredet hat: immer und ausschließlich als der, dem diese Welt gehört und dem wir Rechenschaft darüber schuldig sind, wie wir mit seiner Welt umgehen.

Damit also fängt alles an, dass Gott redet und sich nicht darum schert, dass viele religiöse Menschen, vor allem die Esoteriker, daran Anstoß nehmen und sagen: Das ist viel zu menschlich von Gott gedacht, viel zu naiv - da sind wir weiter. Wir halten uns an eine göttliche Macht, die jenseits dessen ist, was wir uns vorstellen, sagen und denken können. Allein im Schweigen, in der mystischen Versenkung können wir uns ihm nähern. Nein, was uns zu Menschen macht, dass wir hören und reden können, das geht nicht an Gott vorbei. Das haben wir von ihm, weil er mit uns reden will und nicht daran denkt, uns und die Welt schweigend zum Teufel gehen zu lassen.

Darauf unsere Antwort:  „Allein auf Gottes Wort will ich“ EG 105,1...

Strophe 2

In diesen letzten Tagen hat er zu uns geredet durch den Sohn,
den er eingesetzt hat zum Erben über alles
durch den er auch die Welt gemacht hat.

In diesen letzten Tagen - das heißt, wir leben in der Endzeit der Welt. Zwar zieht sich das Ende schon länge hin seit damals, und was ist da nicht alles an Neuem passiert. Vom Menschen aus hat sich das Gesicht der Welt seit der Zeit Jesu gründlich verändert. Von Gott aus gesehen aber hat sich Neues nicht ereignet. Er hat sein letztes Wort zu dieser Welt gesagt, und dieses Wort heißt Jesus Christus.

Mit ihm hat Gott seinen Erben eingesetzt. Nicht, natürlich nicht für den Fall seines Todes, sondern weil alle Welt durch Jesus Christus  wissen muss, für wen sie gemacht ist und wem sie gehört. Denn er, Christus, war auch schon dabei, als Gott die Welt geschaffen hat. Als Gott die Welt durch sein Wort schuf, da hat er seinen Sohn im Auge gehabt, damit alles ihm auch entspricht. Das Kind in der Krippe, der Wanderprediger am See Genezareth, der wunderliche König, der auf einem Esel in Jerusalem eingeritten ist, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben um das Jahr 30 - für Gott ist er das Weltmodell, der Dreh- und Angelpunkt der Welt, ja des Kosmos im ganzen.

Dass die Welt ein Ganzes ist, davon kriegen wir unter dem Stichwort "Globalisierung".schon etwas mit. Freilich  unter einem  eher bedrohlichen Vorzeichen. Denn es sind  die Gesetze des Marktes, die das Wohl und Wehe der Menschen auf der Welt bestimmen  Und die einzelnen Staaten haben immer weniger Möglichkeit, dem weltweiten gnadenlosen  Verdrängungswettbewerb humane und soziale Grenzen zu setzen und die Menschen davor zu schützen zum Spielball  von Profitinteressen zu werden..

Desto aufregender ist dieser Hymnus auf den, dem in Wahrheit die Welt gehört und der sich allein mit ihr auskennt - von Anfang an: Jesus Christus. Letztlich regiert nicht Geld, sondern Barmherzigkeit die Welt! Und hier und da kommt das ja auch schon zum Borschein. Gott sei Dank!

Darauf antworten wir:
„Dies ist der Tag, dem Gott gemacht“ EG 42,1+2

Strophe 3

Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens
 und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort
 und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden
und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe

Abglanz, Ebenbild - so sieht das aus zwischen Gott und Christus. In Christus zeigt Gott, wer er ist: Kein abstraktes Prinzip, keine unpersönliche, namenlose Macht. Nein, wie das Kind in der Krippe und wie der Mann am Kreuz - so ist Gott. Und umgekehrt ist Jesus nicht nur mein

Freund und Bruder, nicht nur der Sympathieträger aller Menschen guten Willens. Er ist Abglanz der Herrlichkeit des allmächtigen Gottes.

Und darum hat er auch eine unglaubliche Tragekraft. Die ganze Welt trägt er mit seinem machtvollen Wort.

·         Dass Menschen in ihrem Leid nicht einfach versinken

·         dass sie aushalten und tragen können

·         dass sie einander Lasten abnehmen und sich gemeinsam dem entgegenstellen können, was das Leben kaputtzumachen droh

·         dass sie gegen den Tod rebellieren, die Hoffnung nicht aufgeben bis zum letzten Atemzug, gegen ihn anarbeiten; alles tun, um Leben zu retten

·         dass Schwerstbehinderte ihr Leben wollen und ihm bisweilen mehr Freude abgewinnen können als die Gesunden –

darin zeigt sie sich die Tragekraft Jesu Christi und die Überzeugungskraft seines Wortes. Dass er die auf Geld und Macht und Gesundheit Setzenden nicht überzeugt, sagt gar nichts. Weil ihre Fundamente doch keinen Bestand haben. Wer das letzte Wort hat, zeigt sich an denen, die von alledem nichts haben und die dennoch leben und getragen werden.

Und darin, in seinem Tragen, seinem Mitleiden und Mitsterben hat er vollbracht, wozu sonst keine Macht im Himmel und auf Erden fähig wäre, nämlich die Reinigung von den Sünden. Damit, dass Gott an meine Seite tritt und mir gegen den Tod hilft, werde ich frei und rein davon, selber Gott sein, selber alles bestimmen, selber das letzte Wort haben zu müssen. Wenn er auf Gottes Thron sitzt, habe ich nichts mehr zu befürchten!

Darauf antworten wir: „Gott ist Herr, der Herr ist einer“  EG 123, 3-5

Strophe 4

Und er ist so viel höher geworden als die Engel
wie der Name, den er ererbt hat höher ist als ihr Name.


Die Engel haben wir ganz schön runtergeholt von ihrer Höhe und haben uns das von ihnen genommen, was wir hier auf Erden brauchen können: die Erfahrung, in brenzligen Situationen Glück gehabt zu haben oder auch der Wunsch, dass da immer ein harmloses Wesen ist, das auf mich aufpasst: mein persönlicher Schutzengel.

Dabei sind Engel Botem, die mir sagen, was ich nicht ändern kann, worauf ich mich einzurichten habe. Nicht harmlose Flügelmatze, sondern als Schreckensgestalten treten solche

Boten häufig genug auf - als Würgeengel, Racheengel, Todesengel. Sie verkörpern das, was wir uns Schicksal zu nennen angewöhnt haben.

Sie sagen dir, dass du an deiner Vergangenheit nichts mehr ändern kannst, sie dich aber immer wieder einholen wird. Sie sagen, dass wir uns die Zukunft schon längst verscherzt haben und diese Erde die Menschheit nicht mehr lange ertragen wird. Sie sagen, dass es undurchschaubare und anonyme Mächte sind, die diese Welt im Griff haben und dass du als einzelner sowieso nichts dagegen machen kannst. Sie sagen: Wo so viel Not herrscht, so viel Hunger, so viel Morden und Ungerechtigkeit, da kann kein Gott sein. Sie sagen: Dein Glaube ist nichts anderes als eine an den Himmel geworfene Projektion deiner Wünsche. Angst und Schrecken verbreiten sie die Boten der unabwendbaren Realität.

Zu Weihnachten und Ostern allerdings mussten sie sagen: Fürchtet  euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren. Und was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?

Noch sind sie da, die deprimierenden Realitäten, die unser Leben im Griff haben. Aber einem sind sie untergeben und gegen seinen Namen sind sie machtlos: Jesus Christus! Und darum haben wir Grund zu singen:

   Heut schleusst er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis.
   Der Cherub steht nicht mehr daür, Gott sei Lob, Ehr und Preis!