Predigt zu Hebräer 11,8-10 von Ute Köppen
11,8-10

Liebe Gemeinde!

Glauben, was ist das eigentlich? „Abraham, ja der hat richtig geglaubt“, wird uns heute gesagt im Predigttext. Aber was ist „richtig“ glauben. So wie wir verschieden gehen, schlafen, lieben, denken…so glauben wir auch verschieden.  Deshalb ein kleiner Test vorweg. Welcher Glaubenstyp sind Sie: A B C oder D ?

Es gibt A Leute, die glauben vor allem mit dem Verstand. Wenn solche Menschen etwas mit dem Verstand erfasst und für richtig befunden haben, dann sind sie sich dessen sicher. Für solche Glaubenden sind unumstößliche Glaubenssätze besonders wichtig. Wer die nicht glaubt, glaubt nicht richtig, sagen diese Menschen manchmal.

Andere, nennen wir sie B, glauben vor allem mit ihrem Herzen. Sie fühlen sich berührt, wenn die Glocken läuten und die Orgel spielt. Oder wenn der Chor Mozart singt, wie im Himmel. Das Für-Wahr halten von Glaubensüberzeugungen spielt für solche Leute keine so große Rolle. Sondern ob ein Bibelwort oder ein Klang das Herz berührt, ist wichtig.

Drittens, C,  gibt es Menschen, für die die Gemeinschaft der Glaubenden die größte Rolle spielt. „Mein Religionslehrer“, sagen solche Menschen, der hat mich überzeugt. Oder die Jugendgruppe, die Fahrten, die Gemeinschaft…Oder die Oma. Solche Menschen glauben, weil andere für sie überzeugende Zeugen des Glaubens waren. Solche Glaubenden versuchen oft, selber Vorbilder zu sein für andere. Sie tun, was sie glauben.

Und viertens, D, gibt es Menschen, die glauben an Gott, weil sie Gott in ihrem Leben selber erfahren haben. Mancher wurde Pastor, nachdem er in Rußland in der Kriegsgefangenschaft war. Die hätte er ohne Gott nicht überstanden, sagt er. Andere erzählen von der Flucht…wie sie in letzter Minute nicht mitkamen mit der Wilhelm Gustloff…Da hat Gott sie gerettet.

Zu welchem Glaubenstyp gehören Sie? Glauben Sie A mit dem Verstand, B mit dem Herzen. Glauben Sie C, weil andere Sie überzeugten oder D, weil Sie Gottes Wirken in Ihrem Leben erfahren haben?

 Was ist Glauben? Ist Glauben Wissen? Gefühl? Überzeugung? Erfahrung? Von allem etwas? Oder ist Glauben noch etwas ganz anderes?

Hören wir nun die Worte aus dem Hebräerbrief für den heutigen Sonntag:

HEBR 11, 8-10

„Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wußte nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem Verheißenen Land wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“

Was von Abrahams Leben erzählt wird, ähnelt dem, was Flüchtlinge bei uns erzählen. Abraham war einer, der glaubte, weil er Gottes Führung und Beistand in seinem Leben erfahren hat.

„Brich auf“, sagte Gott, als Abraham 75 Jahre alt war. „Fang noch einmal neu an. Brich auf ins gelobte Land. Du wirst Kinder haben mit Sara. Auch wenn ihr alt seid. Ihr habt das Leben vor euch.“

Gegen besseres Wissen glaubte Abraham. Gegen den eigenen Verstand. Hatte er Vorbilder?
Hatte er jemanden, der ihm von Gott erzählte? Vater oder Mutter? Einen Lehrer?

Schon Terach, der Vater Abrahams, war ein Herumziehender. Schon er war unterwegs nach Kanaan.  Er hatte Abraham von dem hoffentlich besseren Land erzählt und ihm den Samen einer Hoffnung auf ein besseres Leben im gelobten Land ins Herz gelegt. Schon Abrahams Vater war also einer von denen, die dort, wo sie leben, nicht ganz zuhause sind.

Es war also ein wenig wie in vielen Flüchtlingsfamilien. Ich bin mit dem Lebensgefühl aufgewachsen: Hier ist es schön. Aber es gibt ein Land, da ist es noch schöner. Da sind die Sommer heißer, die Winter kälter, da ist das Meer weiter und die Wälder schier unendlich. Ja, sie ahnen es, mein Vater kam aus Pommern. Aber war es wirklich Pommern, das Land seiner Sehnsucht? Wir waren ja dort, später, im heutigen Polen. Aber die Sehnsucht meines Vaters reichte irgendwie weiter. Es war die Sehnsucht nach  Friede, Stille, Gerechtigkeit…. Von meinem Vater habe ich gelernt, an den Himmel zu glauben, die größere Gerechtigkeit, den Frieden höher als alle Vernunft.

Der Glaube Abrahams beruht nicht nur auf der Erfahrung der Vergangenheit: Gott geht mit.  Gott war da in der Not. Er hat uns begleitet durch Flucht und Elend. Abraham glaubte an den  Gott der Zukunft, an das Land, das noch niemand sah.

Als Kinder taten wir beim Schwimmen-Lernen im See etwas, das wir „Grund holen“ nannten. Grund holen heiß, man setzt kurz einmal den Fuß auf den Seeboden, um zu fühlen, ob man noch Grund kriegt. Kriegst du noch Grund? riefen wir oder: „Ich kriege keinen Grund mehr!“

Glauben lernen ist, wage ich zu behaupten, ist wie schwimmen lernen: Immer wieder fühlst du, dass du noch Grund kriegst, Grund zum Glauben: Verstand, Gefühl, Überzeugung und Erfahrung. Und eines Tages, da fühlst du dich sicher, ohne Grund zu kriegen.

 Dieser Glaube trägt: Auch wenn A die Glaubensüberzeugungen, die der Verstand sich aufgebaut hat, brüchig werden.

Dieser Glaube trägt, auch wenn B in einem Gottesdienst einmal nichts das Herz berührt. Wenn die alten Lieder nicht mehr klingen oder die Glocken keinen Strom haben.

Dieser Glaube trägt, wenn C die alten Glaubenszeugen tot sind, der alte Lehrer, der Pastor, der noch ein richtiger Pastor war…auch wenn die gegenwärtigen Glaubensvertreter nicht sehr verläßlich sein mögen.

Dieser Glaube trägt auch dann noch, wenn D du das Pech hast, auf dem falschen Dampfer zu sein. Es muß ja nicht die Gustloff sein. Es kann ja auch ein maroder Betrieb sein. Oder eine zerbrechende Ehe trotz „bis dass der Tod euch scheidet“

Auf dem Grabstein der Dichterin Hilde Domin und ihrem Mann, späten Nachkommen Abrahams, die vor den Nationalsozialisten in die Dominikanische Republik flohen, stehen die Worte “Wir setzten unseren Fuß in die Luft, und sie trug“ Amen

 

Perikope
16.03.2014
11,8-10