Predigt zu Hebräer 12,1-3 von Helmut Brendel
12,1-3

Predigt zu Hebräer 12,1-3 von Helmut Brendel

Der Predigttext für den Palmsonntag steht im Brief an die Hebräer 12:1 – 3
Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtet und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Liebe Gemeinde,
ich finde, es ist ein wunderbares Bild, mit dem unser heutiger Predigttext beginnt. Wir sind umhüllt von einer Wolke von Zeugen. Wir sind nicht allein auf der Welt, sondern haben eine große Schar von Zeugen um uns. Aber was für Zeugen sind das und wofür legen sie Zeugnis ab? Es ist die Gemeinschaft der Heiligen, zu der wir uns jedes Mal bekennen im Glaubenbekenntnis, wenn wir es sprechen.
In dem Kapitel, das unserm Predigttext vorangeht, zählt der Hebräerbrief die großen Gestalten des Alten Testaments auf, von Abel, Noah, Abraham und Sara, Isaak und Jakob, Joseph und Mose an; selbst Rahab, die Hure, zählt er unter die Wolke der Zeugen. Dann folgen die Richter, die Vorläufer der Könige Israels, und dann die Könige, zuerst David, dann Samuel und die Wolke der Propheten des alten Bundes, und dann folgen noch die Zeugen des Neuen Bundes bis zu ihm, dem Verfasser des Hebräerbriefes.

Liebe Gemeinde,
Alles was uns in unserm Leben bedrückt und beschwert, dürfen wir ablegen: allen Kummer und alle Sorge des Alltags, alle Mühsal der der Arbeit, alle Krankheiten des Leibes und alle Betrübnis der Seele, ja selbst den Tod. All dies dürfen wir in dieser Wolke der Zeugen aufgehoben wissen. Wir sind nicht allein damit. Wir sind aufgenommen in die Schar der Zeugen, die alles, was uns bedrückt, auch schon beschwert hat und gefangen genommen hat. Im Unterschied zu uns sind sie durch den Glauben von alle dem erlöst und befreit. Die Sünde kann uns nicht mehr umstricken und gefangen halten. Wir alle sind im Glauben befreit.
Liebe Gemeinde,
was aber soll das für uns bedeuten, die wir uns alles andere als befreit fühlen? Sollen wir allen Kummer und alle Sorge des Alltags vergessen? Sollen wir alle Vorsicht und Umsicht in unserm Leben fahren lassen? Sollen wir so tun, als ob unser Leben nur noch Friede, Freude, Eierkuchen sei? Sollen wir so tun, als seien wir schon im Himmel. Wenn wir das tun, dann werden wir einen harten und tiefen Fall tun. Denken Sie nur an die vielen jungen Menschen, die mit ihren schicken neuen Autos alle Vorsicht fahren lassen. Schon die nächste Kurve wird sie in den Tod führen.

Liebe Gemeinde,
das kann und soll nicht gemeint sein. Der Kampf ums Leben und Überleben wird auch im Glauben nicht aufhören. „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist“ sagt der Text. Aber was soll das dann heißen, dass wir in der Wolke der Zeugen des Glaubens aufgehoben sind. Was heißt es dann, dass wir allen Kummer und alle Sorgen fahren lassen dürfen?
Liebe Freunde, unser Predigttext will uns nicht täuschen und in die Irre führen. Er will uns nicht auffordern, uns leichtsinnig um unser Leben zu bringen. So wunderbar die Wolke der Zeugen uns erscheinen mag. So toll es sein mag, wenn wir uns wie auf „Wolke sieben“ fühlen. Wir dürfen uns von unserm Predigttest nicht täuschen lassen.
Um dieser Täuschung nicht zu erliegen, sollten wir uns die Zeugen noch einmal genauer ansehen. Waren sie alle ohne Fehl und Makel? Wir können nicht alle auf Herz und Nieren prüfen. Aber lasst uns einige herausgreifen. Wie war es mit dem Erzvater Jakob? War er nur der Gründer des Volkes Israel? Nein, er war auch ein Lügner und Betrüger. Er hat seinen alten Vater getäuscht und seinen Bruder Esau um sein Erbe betrogen. Oder wie war es mit Mose? Hat er nur das Volk Israel aus der Knechtschaft befreit? Er war nicht nur der Befreier, er war auch ein Mörder. Sie erinnern sich, dass er einen ägyptischen Aufseher, der einen Hebräer knechtete, im Zorn erschlug. Oder wie war es mit dem König David? War er nicht nur der Ahnvater Jesu? Nein, er war auch ein Mörder und Ehebrecher. Den Ehemann der Bathseba hat er hinterhältig ermorden lassen, um ihm sein Weib wegzunehmen. Und sie ist eine der Urmütter Jesu.

Liebe Gemeinde,
das Leben ist und bleibt ein Kampf mit der Sünde. Auch wenn wir Menschen heut nicht mehr recht verstehen, was die Bibel mit Sünde meint. Wir sehen das nur noch moralisch. Nein, die Sünde ist unser Grundproblem, dass wir nicht wissen, was wir tun sollen. Jedes Tier in der Natur ist besser dran als wir. Die Tiere wissen, was sie zu tun haben, um am Leben zu bleiben. Im Frühling bauen sie Nester und brüten und füttern ihre Jungen. Wir Menschen dagegen balzen das ganze Jahr über. Wir bauen immer und überall unsere Häuser. Und in der Aufzucht und Erziehung unserer Kinder machen wir tausend Fehler. Dafür können die Tiere auch nichts anderes tun als was sie per Instinkt tun müssen. Uns Menschen ist aber von Gott die Freiheit gegeben, und unser Leben ist seitdem ein einziger Kampf um das, was recht ist.
Aber Gott hat uns in diesem Kampf und Dauerlauf unseres Lebens nicht alleine gelassen. Wenn wir nicht weiter wissen, dann sagt unser Predigttext, dürfen wir aufschauen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens. Statt einer unfehlbaren Natur hat uns Gott seinen Sohn gesandt, dass er unsere zweite Natur werde.

Aber liebe Gemeinde,
worin besteht nun diese zweite Natur, die uns Jesus gegeben hat?
Sie besteht darin, dass er die Last des Lebens auf sich genommen hat, alles was wir falsch machen hat er ertragen. Ich denke diese Last ist schwerer als das Holzkreuz, das er an Karfreitag nach Golgatha hinaufgetragen hat. Es ist die Last unser aller Leben, die er auf sich genommen hat. Er hat sie uns nicht weggenommen. Dann wären wir wie im Himmel und unser Fall wäre tief. Auch er selbst hat darauf verzichtet. Unser Text sagt: Obwohl er Freude hätte haben können, hat er das Kreuz unseres Lebens auf sich genommen. Deshalb dürfen wir aufsehen zu ihm, dem Anfänger und Vollender des Glaubens. Darum dürfen wir ihm nachfolgen bei seinem Einzug in Jerusalem. Dabei dürfen wir ihm nachfolgen in seinem Lauf durch die Karwoche. Darum dürfen wir mit ihm den Kampf um sein Leben kämpfen. Er hat uns gezeigt, wie wir allen Kummer, alle Sorgen, alle Leiden, alle Krankheit, ja selbst den Tod auf uns nehmen können. Dann wird er uns geben, dass auch wir sitzen dürfen zu seiner Rechten und d
en Karfreitagsfrieden und die Osterfreude erleben dürfen als die große Freiheit von allem, was uns bedrückt.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne  in Christus Jesu . Amen