Predigt zu Hebräer 13,8-9b von Rainer Kopisch
13,8-9

Predigt zu Hebräer 13,8-9b von Rainer Kopisch

8 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
9Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade

Liebe Gemeinde,

am letzten Abend des Jahres halten wir Rückblick auf das vergangene Jahr. Wir fragen nach den Eindrücken und Gefühlen, die uns geblieben sind und die uns noch beschäftigen.
Wir leben nicht allein, darum nehmen wir auch Anteil am Ergehen der Menschen um uns herum.

Ich denke an die kleine Sophie, die im letzten Monat ein Jahr geworden ist. Sie hatte im März die Diagnose Leukämie bekommen. Nach einem halben Jahr intensiver Therapie bekommt sie jetzt eine sogenannte Erhaltungstherapie bis zum August. Ihre Zwillingsschwester ist gesund, aber sie dürfen beide nicht mit anderen Menschen außer der Familie Kontakt haben.

Wir leben in einer Vielzahl von Gemeinschaften, die ineinander verwoben sind.
Das Ergehen aller Menschen dieser Welt kann uns nicht unberührt lassen können.
Natürlich werden wir die Ohnmacht und die Hilflosigkeit angesichts der vielen Probleme auf dieser Erde spüren, wenn unser Herz nicht ganz verschlossen ist.
Ist unser Herz aber offen und unser gesunder Menschenverstand aufmerksam und bereit, werden wir mit anderen Menschen gemeinsam die Probleme anpacken können, die vor unserer Haustür liegen und warten.
Dann ist auch eine Bereitschaft von Vorteil, anderen Menschen dort uneigennützig helfen zu wollen, wo sie in eigenen Problemen stecken.
Manchmal reicht es aus, anderen Menschen eine Hand zu reichen, ein offenes Ohr für sie zu haben. Oft werden sie dann von sich aus eine Lösung finden, die ihren eigenen Möglichkeiten entspricht.

Wie sollten wir beschaffen sein, um in dieser Welt zu helfen?
Wir sollten ein festes Herz haben.

Was meint ein festes Herz?
Zur Erklärung fällt mir Martin Luthers Lied ein: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.“
Hierbei wird sofort die unbändige Kraft dieses Bildes deutlich. Luther beschreibt hier die Kraft Gottes. Ein festes Herz ist also ein kraftvolles Herz.

Wie gewinnen wir ein festes, kraftvolles Herz?
Der Autor des Hebräerbriefes nennt das feste Herz ein köstlich Ding und er gibt den Hinweis: Es geschieht durch Gnade. Gnade ist wie auch Barmherzigkeit ein Ausdruck der Liebe Gottes.
Dass der Autor des Hebräerbriefes das Wort köstlich benutzt, ist nicht die ganze Wahrheit, denn im griechischen Text steht das Wort kalos. Das heißt soviel wie gut oder schön.
Die Übersetzung von kalos mit ‚köstlich Ding’ zeigt auch an dieser Stelle die geniale poetisch-schöpferische Übersetzung Martin Luthers. Luther hat es verstanden, die alten Texte so lebendig werden zu lassen, dass sie Menschen unmittelbar ansprechen können. Wenn Luther das Wort köstlich als Übersetzung wählt, meint er damit den Gipfel des Erreichbaren, es gibt keine Steigerungsmöglichkeiten mehr.  Ein Beispiel dafür sind die Gleichnisse vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle.

Ich wähle den Text aus dem Matthäusevangelium der Luther-Ausgabe von 1912, die hierbei der Ausgabe letzter Hand von 1545 entspricht:
44 Abermals ist gleich das Himmelreich einem verborgenem Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn und ging hin vor Freuden über denselben und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
   45 Abermals ist gleich das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte. 46 Und da er eine köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
In Luthers Sprachschatz weist das Wort köstlich auf etwas einem Menschen höchst wichtiges hin. Luther besteht also darauf, dass ein festes Herz eines der wertvollsten und wichtigsten Dinge ist. Luther sieht hier in diesem Zusammenhang des Textes seine persönliche Erfahrung bestätigt, ein festes Herz ist ein Geschenk aus Gottes barmherziger und gnädiger Liebe.

Wir wissen von Martin Luther, dass er lange und heftig um die Erfahrung und Erkenntnis eines liebevollen Gottes gerungen hat. Das Studium der biblischen Texte hat ihm dabei sehr geholfen, Gott auch als den liebenden Vater zu erkennen. Gerade weil er mit seiner ganzen Existenz engagiert war, lässt er uns immer wieder an seiner persönlichen Erkenntnis teilhaben. Deswegen lässt er sich auch bei der Übersetzung der Bibeltexte von seiner persönliche Erfahrung leiten, die Erkenntnis des liebenden Gottes ist das höchste Gut unseres Lebens ist und diese Erkenntnis ist nur auf dem Wege der vertrauensvollen Hingabe als ein Geschenk zu haben ist.

Was kann uns davon abbringen, ein festes Herz zu bekommen?
Verschiedenartige und fremde Lehren – heißt es im Text - können uns verführen und uns umhertreiben - mal hierhin mal dorthin. Wir sind dann wie ein Blatt im Wind. Das Herz wird flatterhaft und die Entscheidungen werden windabhängig. Sein Fähnlein nach dem Winde zu hängen, das macht der Mensch, der nirgends und überall zuhause ist. Er fragt nicht nach einer eigenen selbstverantworteten Richtung seines Weges durch das irdische Leben. Er lebt für die Momente, in denen er mit irgendjemand oder irgendeiner Gruppe ein Gemeinschaftsgefühl erlebt.

Wer oder was kann uns von solchen Irrwegen retten?
Eine Antwort auf diese Frage sollten wir haben, wenn wir morgen den ersten Schritt ins Neue Jahr gehen. Wie gut, dass wir die Antwort natürlich im Predigttext haben:
Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
Diese plakativ klingenden Worte könnten auf einer Fahne stehen, unter der sich Christinnen und Christen versammeln. Die Kraft dieser Worte ist deutlich zu spüren.
Der Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes, unseren Helfer, Retter und Erlöser, bewahrt uns vor Irrwegen.
Das feste Herz bezieht seine Kraft aus der Liebe Gottes, die uns in der Botschaft von Jesus Christus begegnet. Die Evangelisten und Apostel des Neuen Testamentes haben uns diese Botschaft weitergesagt und aufgeschrieben, damit wir erkennen können, dass unser Heil aus dieser Liebe Gottes entsteht und damit wir unser HERZ dieser Liebe öffnen..

Im Vertrauen auf seine Liebe zu uns, dürfen wir das vergangene Jahr mit aller seiner Last Gott, dem Herrn über die Zeit unseres Lebens, übergeben, wie der Dichter Jochen Klepper es in seinem Lied zum Jahreswechsel ausdrückt:

Der du die Zeit in Händen hast, Herr,

nimm auch dieses Jahres Last und wandle sie in Segen.

Nun von dir selbst in Jesu Christ die Mitte fest gewiesen ist,

führ uns dem Ziel entgegen
Die letzte Strophe heißt:

Der du allein der Ewge heißt
und Anfang, Ziel und Mitte weißt
im Fluge unsrer Zeiten:
bleib du uns gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand,
damit wir sicher schreiten.    

Amen