Predigt zu Jeremia 9, 22-23 von Angelika Überrück
9,22
Predigt für den Sonntag Septuagesimae
Predigttext: Jeremia 9,22-23
Liebe Gemeinde,
Worauf sind Sie stolz? Worauf seid Ihr stolz?
Wenn ich Sie und Euch das jetzt fragte, würden wahrscheinlich Antworten kommen wie: „Ich bin stolz auf meine Kinder.“ „Auf meine Enkelkinder, die sind einfach toll.“ „Ich bin stolz, dass wir es zu etwas gebracht haben im Leben.“ „Dass wir zufrieden leben können.“ Oder: „Ich bin stolz auf meine guten Noten in der Schule.“ „Auf meine Familie, weil die immer für mich da ist.“ „Auf meinen Verein, weil der gewonnen hat.“
Es gibt sicher ganz viele Antworten, die Ihr oder Sie geben könnten.
Dem einen oder anderen fällt es vielleicht auch schwer zu sagen, worauf er oder sie stolz ist. Früher gehörte es zur Erziehung, Sätze zu lernen wie: „Eigenlob stinkt“. Oder: „Der dumme Esel nennt sich stets zuerst“. Man stellt sich nicht in den Vordergrund und sagt nicht, was man alles kann und leistet - die Älteren werden sich noch daran erinnern.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag beschäftigt sich damit, worauf wir als Christen stolz sein sollen. Er steht im Propheten Jeremia im 9. Kapitel (Luther-Übersetzung):
22 So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.
Als ich letzte Woche in einem Gemeindekreis diesen Text vorgelesen habe, sind wir schon bei dem ersten Vers stecken geblieben. Die vorwiegend Älteren erinnerte sich sofort daran, dass sie gelernt hatten, dass man mit dem, was man kann und hat, nicht angibt und sich nicht in den Vordergrund stellt. Dass man bescheiden bleibt, auch wenn man es zu etwas gebracht hat und nur innerlich stolz darauf ist.
Der allgemeine Trend in unserer Gesellschaft ist aber wohl ein anderer: Man zeigt, was man hat und kann, man preist sich und seine Fähigkeiten an, muss sich vermarkten, selbst darstellen. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“ war ein Werbeslogan, den Sie wahrscheinlich alle noch kennen. Zwei Männer blätterten sich da gegenseitig die Bilder ihres Besitzes vor. Modernes Imponiergehabe im Sinne unseres Predigttextes. Sie rühmten sich, um mit den Worten des Predigttextes zu sprechen, dessen, was sie haben und können. Sie versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie immer mehr tolle Dinge, die sie besitzen, vor dem Anderen als Bilder hinblättern.
In Vorstellungsgesprächen ist es sogar notwendig, das gut zu verkaufen, was wir können. Da müssen wir mit dem angeben, was wir an Fähigkeiten, Talenten, Erfahrungen usw. haben.
Wir erleben auch, dass diejenigen, die kein gutes Zeugnis haben, keine Lehrstelle bekommen. Oder wer sich nicht ins richtige Licht rücken kann, auf der Strecke bleibt.
Im Fernsehen läuft eine Talentshow neben und nach der anderen, in der Menschen versuchen, sich und ihre Fähigkeiten zu präsentieren, zu zeigen, wie toll sie sind.
Sich rühmen - das ist heute fast Pflicht.
Selbst in der Kirche gilt es inzwischen das, was man tut, auch gut darzustellen. „Tue Gutes und rede darüber“, sagen die Öffentlichkeitsbeauftragten. Ich muss gestehen, mir fällt das immer noch schwer. Ich mag lieber einfach meine Arbeit tun und mich daran freuen, wenn sie gelingt. Aber eine gelungene Aktion oder ein Event dann in der Öffentlichkeit zu verkaufen, daran denke ich meistens nicht.
Auf der anderen Seite braucht unsere Welt auch Menschen, die besondere Talente und Fähigkeiten haben. Ohne Spezialisten geht nichts mehr. Talente und Fähigkeiten zu entwickeln ist wichtig. Wie viele Menschen gibt es, die in ihrem Leben das nicht verwirklichen konnten, was sie an Talenten hatten. Immer wieder begegnet mir das in Gesprächen, dass jemand sagt: „Eigentlich hätte ich gerne ein Instrument gelernt, aber dazu fehlte das Geld.“ Oder: „Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes lernen, aber das haben die Umstände damals nicht möglich gemacht.“ Wie toll ist es, wenn es anders ist, wenn einer tatsächlich seine Talente und Fähigkeiten entfalten kann und damit glücklich wird.
Talente und Fähigkeiten, Gaben und Begabungen sind aber nicht etwas, was wir aus uns selbst haben. Sie sind uns geschenkt. Sie sind uns von Gott geschenkt. Und da wird für mich der zweite Vers unseres Predigttextes wichtig, in dem es um das richtige Rühmen, um den christlichen Umgang mit dem geht, worauf wir stolz sind. Es geht nicht darum, dass man sich nicht über seine Talente und Fähigkeiten freuen darf, sondern darum, wie man sie nutzt.
„Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“ In der guten Nachricht heißt der Vers: „Grund zum Stolz hat nur der, der mich erkennt und begreift, was ich will. Denn ich bin der Herr, der Liebe, Recht und Treue auf der Erde schafft. Wer das erkennt, an dem habe ich Freude.“
Hier wird unserem Rühmen und dem, worauf wir stolz sind, Gottes Handeln in der Welt gegenüber gestellt. Gott allein ist es, der uns zu dem gemacht hat, was wir sind. Und darauf, so Jeremia, sollten wir uns zu allererst verlassen und nicht versuchen mit unseren Fähigkeiten die Anderen auszustechen.
Denn Gott selber hat uns etwas ganz anderes vorgemacht. Drei Verhaltensweisen Gottes zählt Jeremia auf, die uns helfen sollen, unser Leben sinnvoll zu gestalten, ohne dass wir uns selbst rühmen und anpreisen müssen. Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit - diese Eigenschaften Gottes sollen auch wir beachten. Sie sollen uns helfen, unsere Talente und Fähigkeiten so einzusetzen, wie Gott es gut findet und wie sie für uns und diese Welt sinnvoll sind.
Gott begegnet uns barmherzig, also mit Liebe. Er hält zu uns auch dann, wenn wir scheitern. Er liebt uns eben nicht nur dann, wenn wir in einer Talentshow gewonnen haben. Er liebt uns auch dann, wenn wir es nicht geschafft haben, in einem Vorstellungsgespräch unsere Begabungen zu entfalten. Denn Gott liebt uns, weil wir in seinen Augen wertvoll sind, weil er keine Höchstleistungen erwartet, sondern Menschen, die in seinem Sinn handeln.
Wer Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit auch zum Maßstab seines Handelns macht, der muss andere nicht unterdrücken und klein machen mit Imponiergehabe und tollen Besitztümern, sondern kann seine Lebenserfahrung, seine Talente und Fähigkeiten zum Wohl der anderen einsetzen. Er spürt, dass er nichts verliert, sondern vermutlich eine Menge gewinnt, nämlich die Liebe und die Anerkennung der anderen. Er spürt vielleicht auch, dass der eigene Wert, das eigene Glück nicht abhängig ist von dem, was andere über ihn denken.
Ich mache es mal anschaulich für euch Konfirmanden: In der Schule kann der Klassenbeste entweder sagen: „Ich bin toll. Ich kann das alles. Ihr seid einfach zu blöd, um das zu verstehen.“ Oder, wenn er barmherzig ist, dann sagt er: „Ich kann das. Wenn Ihr wollt, erkläre ich es Euch.“
Oder: Wenn Ihr Konfirmanden und Konfirmandinnen während Eures Konfirmandenunterrichts es schafft, miteinander auszukommen, auch den oder die nicht auszulachen, die vielleicht nicht so toll lesen können, die vielleicht nicht das tolle Outfit haben, dann habt Ihr in Eurem Handeln Gott beachtet. Denn dann habt Ihr verstanden, dass Gott uns nicht nach dem beurteilt, was wir können, leisten oder haben, sondern danach, ob wir seine Barmherzigkeit, seine Liebe, seine Gerechtigkeit leben.
Die Erwachsenen können sich ähnliche Situationen selbst vorstellen in der Firma, in einem Verein oder wo auch immer. Wer mit Barmherzigkeit an die Arbeit herangeht, braucht die Anderen nicht fertig zu machen und sich über sie zu stellen, sondern kann gemeinsam arbeiten und gemeinsam mit ihnen Lösungen finden.
Oder wir Erwachsenen können probieren, den Versuchungen zu widerstehen, die uns vorgaukeln, dass es besser ist, wenn jeder sich selbst der Nächste ist. Statt dessen können wir uns zum Beispiel ehrenamtlich engagieren, uns für Andere einsetzen und dadurch eine Menge an Zuwendung erfahren. Wenn wir es schaffen, uns einzusetzen für ein Miteinander in unserer Gemeinde, in dieser Welt, dann können wir uns rühmen, weil wir Gottes Handeln umzusetzen beginnen. Weil wir probieren, Liebe, Recht und Gerechtigkeit zu leben.
Gottes Gerechtigkeit in dieser Welt zu leben, ist sicher nicht immer einfach. Wir haben als Evangelium vorhin die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg gehört, die uns oft so ungerecht erscheint, weil alle Arbeiter gleich entlohnt werden. Neulich im Konfirmandenunterricht haben wir das Gleichnis gespielt. Es ist Euch, den Konfirmandinnen und Konfirmanden, ganz schön schwer gefallen, zu verstehen, warum die Arbeiter nicht nach Stunden bezahlt werden, sondern alle gleich. Aber irgendwann ist Euch deutlich geworden, dass jeder Arbeiter ja das bekommen hat, was ihm versprochen worden ist und das eigentlich jeder genug bekommen hat. Das ist Gottes Gerechtigkeit, das er jedem so viel gibt, wie er braucht. Gerechtigkeit muss nicht heißen, dass jeder gleich viel hat, sondern dass jeder genug hat. Und wenn wir das zu leben versuchen, dann können wir uns dafür einsetzen, dass Arme nicht ärmer und Reiche nicht reicher werden, sondern dass jeder das bekommt, was er oder sie braucht, um menschenwürdig zu leben.
Sich rühmen, so sagt es Jeremia, darf derjenige, der dieses Handeln Gottes kennt, der es als Maßstab seines eigenen Handelns benutzt. Der weiß, dass man glücklich werden kann, wenn man darauf vertraut.
Worauf sind Sie stolz? Worauf seid Ihr stolz? Das habe ich am Anfang gefragt. Der Predigttext gibt eine Antwort, die weiter geht als unsere Antworten. Er betrachtet nicht Einzelheiten in unserem Leben, auf die wir stolz sind, sondern unser ganzes Leben. Wir können stolz sein, dass wir einen Gott haben, der uns Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit schenkt. Wir können stolz sein, weil wir unsere Weisheit, unsere Stärke und unseren Reichtum zum Wohl aller einsetzen können. Amen
Predigttext: Jeremia 9,22-23
Liebe Gemeinde,
Worauf sind Sie stolz? Worauf seid Ihr stolz?
Wenn ich Sie und Euch das jetzt fragte, würden wahrscheinlich Antworten kommen wie: „Ich bin stolz auf meine Kinder.“ „Auf meine Enkelkinder, die sind einfach toll.“ „Ich bin stolz, dass wir es zu etwas gebracht haben im Leben.“ „Dass wir zufrieden leben können.“ Oder: „Ich bin stolz auf meine guten Noten in der Schule.“ „Auf meine Familie, weil die immer für mich da ist.“ „Auf meinen Verein, weil der gewonnen hat.“
Es gibt sicher ganz viele Antworten, die Ihr oder Sie geben könnten.
Dem einen oder anderen fällt es vielleicht auch schwer zu sagen, worauf er oder sie stolz ist. Früher gehörte es zur Erziehung, Sätze zu lernen wie: „Eigenlob stinkt“. Oder: „Der dumme Esel nennt sich stets zuerst“. Man stellt sich nicht in den Vordergrund und sagt nicht, was man alles kann und leistet - die Älteren werden sich noch daran erinnern.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag beschäftigt sich damit, worauf wir als Christen stolz sein sollen. Er steht im Propheten Jeremia im 9. Kapitel (Luther-Übersetzung):
22 So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.
Als ich letzte Woche in einem Gemeindekreis diesen Text vorgelesen habe, sind wir schon bei dem ersten Vers stecken geblieben. Die vorwiegend Älteren erinnerte sich sofort daran, dass sie gelernt hatten, dass man mit dem, was man kann und hat, nicht angibt und sich nicht in den Vordergrund stellt. Dass man bescheiden bleibt, auch wenn man es zu etwas gebracht hat und nur innerlich stolz darauf ist.
Der allgemeine Trend in unserer Gesellschaft ist aber wohl ein anderer: Man zeigt, was man hat und kann, man preist sich und seine Fähigkeiten an, muss sich vermarkten, selbst darstellen. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“ war ein Werbeslogan, den Sie wahrscheinlich alle noch kennen. Zwei Männer blätterten sich da gegenseitig die Bilder ihres Besitzes vor. Modernes Imponiergehabe im Sinne unseres Predigttextes. Sie rühmten sich, um mit den Worten des Predigttextes zu sprechen, dessen, was sie haben und können. Sie versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie immer mehr tolle Dinge, die sie besitzen, vor dem Anderen als Bilder hinblättern.
In Vorstellungsgesprächen ist es sogar notwendig, das gut zu verkaufen, was wir können. Da müssen wir mit dem angeben, was wir an Fähigkeiten, Talenten, Erfahrungen usw. haben.
Wir erleben auch, dass diejenigen, die kein gutes Zeugnis haben, keine Lehrstelle bekommen. Oder wer sich nicht ins richtige Licht rücken kann, auf der Strecke bleibt.
Im Fernsehen läuft eine Talentshow neben und nach der anderen, in der Menschen versuchen, sich und ihre Fähigkeiten zu präsentieren, zu zeigen, wie toll sie sind.
Sich rühmen - das ist heute fast Pflicht.
Selbst in der Kirche gilt es inzwischen das, was man tut, auch gut darzustellen. „Tue Gutes und rede darüber“, sagen die Öffentlichkeitsbeauftragten. Ich muss gestehen, mir fällt das immer noch schwer. Ich mag lieber einfach meine Arbeit tun und mich daran freuen, wenn sie gelingt. Aber eine gelungene Aktion oder ein Event dann in der Öffentlichkeit zu verkaufen, daran denke ich meistens nicht.
Auf der anderen Seite braucht unsere Welt auch Menschen, die besondere Talente und Fähigkeiten haben. Ohne Spezialisten geht nichts mehr. Talente und Fähigkeiten zu entwickeln ist wichtig. Wie viele Menschen gibt es, die in ihrem Leben das nicht verwirklichen konnten, was sie an Talenten hatten. Immer wieder begegnet mir das in Gesprächen, dass jemand sagt: „Eigentlich hätte ich gerne ein Instrument gelernt, aber dazu fehlte das Geld.“ Oder: „Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes lernen, aber das haben die Umstände damals nicht möglich gemacht.“ Wie toll ist es, wenn es anders ist, wenn einer tatsächlich seine Talente und Fähigkeiten entfalten kann und damit glücklich wird.
Talente und Fähigkeiten, Gaben und Begabungen sind aber nicht etwas, was wir aus uns selbst haben. Sie sind uns geschenkt. Sie sind uns von Gott geschenkt. Und da wird für mich der zweite Vers unseres Predigttextes wichtig, in dem es um das richtige Rühmen, um den christlichen Umgang mit dem geht, worauf wir stolz sind. Es geht nicht darum, dass man sich nicht über seine Talente und Fähigkeiten freuen darf, sondern darum, wie man sie nutzt.
„Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.“ In der guten Nachricht heißt der Vers: „Grund zum Stolz hat nur der, der mich erkennt und begreift, was ich will. Denn ich bin der Herr, der Liebe, Recht und Treue auf der Erde schafft. Wer das erkennt, an dem habe ich Freude.“
Hier wird unserem Rühmen und dem, worauf wir stolz sind, Gottes Handeln in der Welt gegenüber gestellt. Gott allein ist es, der uns zu dem gemacht hat, was wir sind. Und darauf, so Jeremia, sollten wir uns zu allererst verlassen und nicht versuchen mit unseren Fähigkeiten die Anderen auszustechen.
Denn Gott selber hat uns etwas ganz anderes vorgemacht. Drei Verhaltensweisen Gottes zählt Jeremia auf, die uns helfen sollen, unser Leben sinnvoll zu gestalten, ohne dass wir uns selbst rühmen und anpreisen müssen. Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit - diese Eigenschaften Gottes sollen auch wir beachten. Sie sollen uns helfen, unsere Talente und Fähigkeiten so einzusetzen, wie Gott es gut findet und wie sie für uns und diese Welt sinnvoll sind.
Gott begegnet uns barmherzig, also mit Liebe. Er hält zu uns auch dann, wenn wir scheitern. Er liebt uns eben nicht nur dann, wenn wir in einer Talentshow gewonnen haben. Er liebt uns auch dann, wenn wir es nicht geschafft haben, in einem Vorstellungsgespräch unsere Begabungen zu entfalten. Denn Gott liebt uns, weil wir in seinen Augen wertvoll sind, weil er keine Höchstleistungen erwartet, sondern Menschen, die in seinem Sinn handeln.
Wer Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit auch zum Maßstab seines Handelns macht, der muss andere nicht unterdrücken und klein machen mit Imponiergehabe und tollen Besitztümern, sondern kann seine Lebenserfahrung, seine Talente und Fähigkeiten zum Wohl der anderen einsetzen. Er spürt, dass er nichts verliert, sondern vermutlich eine Menge gewinnt, nämlich die Liebe und die Anerkennung der anderen. Er spürt vielleicht auch, dass der eigene Wert, das eigene Glück nicht abhängig ist von dem, was andere über ihn denken.
Ich mache es mal anschaulich für euch Konfirmanden: In der Schule kann der Klassenbeste entweder sagen: „Ich bin toll. Ich kann das alles. Ihr seid einfach zu blöd, um das zu verstehen.“ Oder, wenn er barmherzig ist, dann sagt er: „Ich kann das. Wenn Ihr wollt, erkläre ich es Euch.“
Oder: Wenn Ihr Konfirmanden und Konfirmandinnen während Eures Konfirmandenunterrichts es schafft, miteinander auszukommen, auch den oder die nicht auszulachen, die vielleicht nicht so toll lesen können, die vielleicht nicht das tolle Outfit haben, dann habt Ihr in Eurem Handeln Gott beachtet. Denn dann habt Ihr verstanden, dass Gott uns nicht nach dem beurteilt, was wir können, leisten oder haben, sondern danach, ob wir seine Barmherzigkeit, seine Liebe, seine Gerechtigkeit leben.
Die Erwachsenen können sich ähnliche Situationen selbst vorstellen in der Firma, in einem Verein oder wo auch immer. Wer mit Barmherzigkeit an die Arbeit herangeht, braucht die Anderen nicht fertig zu machen und sich über sie zu stellen, sondern kann gemeinsam arbeiten und gemeinsam mit ihnen Lösungen finden.
Oder wir Erwachsenen können probieren, den Versuchungen zu widerstehen, die uns vorgaukeln, dass es besser ist, wenn jeder sich selbst der Nächste ist. Statt dessen können wir uns zum Beispiel ehrenamtlich engagieren, uns für Andere einsetzen und dadurch eine Menge an Zuwendung erfahren. Wenn wir es schaffen, uns einzusetzen für ein Miteinander in unserer Gemeinde, in dieser Welt, dann können wir uns rühmen, weil wir Gottes Handeln umzusetzen beginnen. Weil wir probieren, Liebe, Recht und Gerechtigkeit zu leben.
Gottes Gerechtigkeit in dieser Welt zu leben, ist sicher nicht immer einfach. Wir haben als Evangelium vorhin die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg gehört, die uns oft so ungerecht erscheint, weil alle Arbeiter gleich entlohnt werden. Neulich im Konfirmandenunterricht haben wir das Gleichnis gespielt. Es ist Euch, den Konfirmandinnen und Konfirmanden, ganz schön schwer gefallen, zu verstehen, warum die Arbeiter nicht nach Stunden bezahlt werden, sondern alle gleich. Aber irgendwann ist Euch deutlich geworden, dass jeder Arbeiter ja das bekommen hat, was ihm versprochen worden ist und das eigentlich jeder genug bekommen hat. Das ist Gottes Gerechtigkeit, das er jedem so viel gibt, wie er braucht. Gerechtigkeit muss nicht heißen, dass jeder gleich viel hat, sondern dass jeder genug hat. Und wenn wir das zu leben versuchen, dann können wir uns dafür einsetzen, dass Arme nicht ärmer und Reiche nicht reicher werden, sondern dass jeder das bekommt, was er oder sie braucht, um menschenwürdig zu leben.
Sich rühmen, so sagt es Jeremia, darf derjenige, der dieses Handeln Gottes kennt, der es als Maßstab seines eigenen Handelns benutzt. Der weiß, dass man glücklich werden kann, wenn man darauf vertraut.
Worauf sind Sie stolz? Worauf seid Ihr stolz? Das habe ich am Anfang gefragt. Der Predigttext gibt eine Antwort, die weiter geht als unsere Antworten. Er betrachtet nicht Einzelheiten in unserem Leben, auf die wir stolz sind, sondern unser ganzes Leben. Wir können stolz sein, dass wir einen Gott haben, der uns Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit schenkt. Wir können stolz sein, weil wir unsere Weisheit, unsere Stärke und unseren Reichtum zum Wohl aller einsetzen können. Amen
Perikope