Predigt zu Jesaja 2, 1-5 / EG 426 von Jörg Coburger
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Es geschah in längst vergangenen Tagen: Ein Ostberliner Theologiestudent, an dessen linken Jackenärmel ein Aufnäher mit dem Symbol der Friedensdekade „Schwerter zu Pflugscharen“ angebracht war, wird im Herbst 1983 in der Nähe von Berlin Ostbahnhof von drei Männern in Zivil umringt und festgehalten. Einige Passanten sehen das, trauen sich aber nicht, etwas zu unternehmen. Der Student wird umklammert, einer von hinten um den Hals, zwei von vorn. Einer von denen, die so auffällig unauffällig gekleidet waren, der mit den Handschuhen, holt ein Taschenmesser heraus und als sich der Student trotz des Festhaltens wehren will, schneidet der Unbekannte den Aufnäher so wild heraus, wie es eben gerade geht, während die anderen zupacken. „Wenn du nicht deine Fresse hälst, können wir dich auch gleich mitnehmen“ Der Student versucht noch etwas zu sagen, wie etwa, dass das Bild auf dem Aufnäher ein Denkmal in New York vor den Vereinten Nationen darstelle, ein Geschenk der befreundeten UdSSR ( Sowjetunion ) sei, aber  Argumente zählen in Szenen des Hasses ohnehin nicht. „Frieden schaffen ohne Waffen“ war das Motto der jährlichen Friedensdekaden.
Diese textilen Aufnäher und Lesezeichen aus dünnem Fließstoff hatte die Herrnhuter Firma Abraham Dürninger hergestellt, denn diese textile Ausführung fiel nicht unter die DDR-Druckerlaubnis. Darauf sieht man jenen kraftvoll Hammer schwingenden Mann, der gerade ein Schwert zu einem Ackerpflug umschmiedet. ( Der Name des Künstlers ist Jewgeni Wutchetitsch, 1959 )
Die DDR ist untergegangen! Ohne Blutvergießen und Waffengewalt. Verheißung und Herausforderung sind geblieben. „Es wird sein in den zukünftigen Tagen…“ so heißt es wörtlich bei Jesaja, nicht: Es wird sein in den letzten Tagen. Der Unterschied ist wichtig! Es bedeutet nicht so sehr in die Ferne gerückt, sozusagen erst in den letzten Tagen, sondern in Zukunft. Und die beginnt immer heute schon! 
Was wir denn sein? Was war es damals und was ist es heute, dass uns nach Angst und Drohen einer Diktatur zu Zuversicht und Hoffnung in einer komplizierten Welt leben und hoffen lässt. Die Gewalt auf den Straßen ist anders geworden. Die militär-politischen Entscheidungen der Bundesregierung, zum Beispiel zum Krieg in Afghanistan, scheinen die große Vision von Schwert zu Pflugscharen zu verhöhnen und die Bundesrepublik gehört nach wie vor zu den top five der Waffenexporteure weltweit.
Verheißungen können ja auch in unseren Herzen verblassen oder ersticken, und die, die ihnen einst trauten, müde oder hilflos werden. Andere Sorgen und Ängste drängen sich in den Vordergrund, vor allem die um den Arbeitsplatz. Andere Machstrukturen scheinen uns heute aufzufressen und wir sind nun, vom sozialistischen zum kapitalistischen Materialismus getaumelt, ganz besonders als Verbraucher und Konsumenten interessant und nützlich, unser Wert und Würde in der Öffentlichkeit macht sich vor allem an unserer Kaufkraft fest.  Und, besonders im Osten Deutschlands trainieren wir erst seit 20 Jahren Freiheit und Demokratie. Eine schöne und spannende Zeit. Die Erfahrungen von damals haben uns für Zeiten der Enttäuschung trainiert; wir fallen nicht so schnell um! Da kann man Mutmachendes und vor allem Worte mit Vollmacht gut gebrauchen. Der Jerusalemer Politiker und sprachmächtige Poet unter den Propheten stärkt unseren Glauben: „Kommt, lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!“ Euer Einsatz ist nicht sinnlos! Eure Mühe im Herrn wird nicht vergeblich sein! ( 1.Kor.15,58 )
Wie uns Matthäus die vierfache Wirkung des Ackerfeldes schildert
  ( Kap. 13 ), also wie das Samenkorn des Wortes in uns wirkt, so mag es uns auch mit der Friedensvision Jesajas ergehen. Etliches fiel den Vögeln zu, die es fraßen; manches fiel auf Felsen und fand keinen Halt, anderes ging nur ganz kurz auf und vertrocknete dann. Etliches aber fiel auf gutes Land und trug hundertfältige Frucht.
Solche aufrüttelnden Worte lässt Gott seinem Volk verkündigen. Jesaja, Prophet, Poet, Politiker, hat sie gesprochen: „Schwerter zu Pflugscharen.“    (Wie der Zusammenhang zu den fast gleichlautenden Worten aus Micha 4 ist, könnt für eine spannende Bibelstunde aufgehoben werden.)
Weckruf des Friedens. So möchte ich diese Vision nennen. Zugegeben, visionäre Hoffnungen sind immer etwas wehrlos. Man kann sie verlachen. Aber sie sagen uns vor allem, dass die Mächtigen und Gewalttäter keinen Grund haben, sich als die Allmächtigen aufzuspielen. Es sind Gottes Worte, das unterscheidet Hoffnung von eigenmächtiger Illusion. Und da steckt Macht und Kraft dahinter.
Niemand kommt als Krieger auf die Welt. Dazu werden Kinder erst gemacht. Damit wird Schluss sein. Sie werden nicht mehr lernen, Krieg gegeneinander zu führen. Das Schicksal des geschundenen Jerusalem, die Stadt auf dem Berg, die Stadt im Wetterwinkel der Geschichte, wird eine Leuchtturmfunktion bekommen. Jerusalem, die schlotternde, schlingernde Stadt, wird eine Stadt des Friedens sein. Drei Gedankenkreise fallen auf:
Dann kommen sie… Es gibt Rechtsberatung für alle Völker, nicht nur allein für Israel. Alle strömen wie auf einem riesigen Pilgerweg zum Gott Israels, um sich in Recht und Gerechtigkeit unterweisen zu lassen. „Dass er uns lehre seine Wege…“ Seine Weisungen sind gut. Sie haben unser Vertrauen verdient. Sie dienen einer guten Zukunft. Diese Zukunft ist offenbar nicht ohne oder gar gegen Jerusalem machbar. Frieden ist nicht ohne Israel möglich. Gott will, dass es in Ruhe vor all seinen Hassern und denen, die es zerstören wollen, leben und ihm dienen darf. Das nimmt aber auch Israel selbst in die Pflicht, Wege des Friedens mit seinen Nachbarn zu suchen. Der große Pilgerweg auf den Gottesberg bedeutet, dass Gott mit ihnen allen Großes und Besonderes vorhat.
Was ist daran so visionär? Dass alle Völker angesprochen sind und nicht nur Israel. So wurde vor Jesaja nicht gesprochen. Dabei ist sicher nicht daran gedacht gewesen, dass jetzt alle samt und sonders wie mit einem missionarischen Trick Jahwe-Gläubige zu sein hätten, sondern Jesaja meint wohl, dass es in Israel etwas zu holen und zu lernen gibt, was allen hilft und so in der Umwelt Israels nicht vertreten war. Nicht an Nationen wendet sich das Wort, sondern an die Wachgewordenen überhaupt aus allen Nationen. Er ist Instanz für Frieden geworden. Das wird weit über Israels Grenzen hinaus anerkannt. Auch konkret von den Assyrern.
Gott ruft die Menschen niemals ohne Grund zusammen und versammelt alle um sich herum. Weisung geht von Gott aus - und wird angenommen. Das ist nicht wenig! Was ist daran so besonders? Zum einen, Wunder genug, dass Gottes Weisung etwas gilt. Zum anderen ist es der Kontrast von den Vielen und den Wenigen, denn zur Zeit Jesajas waren es nur wenige, ein kleiner Rest Israels, die nach dem lebendigen Gott fragten.
Dann richtet er… Richten heißt nicht Aburteilen, sondern Trennen und Unterscheiden. Gott sagt, was richtig und was falsch ist. Er ist Herr und hat die Regie. Er spricht ein Urteil, das Leben fördert und nicht vernichtet. Gott sortiert und räumt auf. Sein Richten ist ein Aufrichten. Ein Aufrichten seines Rechtes und ein Aufrichten der Gescheiterten. Dieses Gericht macht nicht an national definierten Grenzen halt. Richten meint: Gott macht uns wieder brauchbar. Er sondert aus, was vor ihm keinen Bestand hat. Er kann und will mit den Wenigen etwas anfangen. Das bewahrt vor Opportunismus. Wenn sich der Wind zu drehen scheint, müssen wir unser Mäntelchen nicht auch gleich in den Wind hängen. Mit Recht ist es abstoßend, wenn wir das ständige Umschwenken nicht nur von Politikerinnen und Politikern etwa in Fragen der Atomenergie bemerken. Gott schwenkt nicht um. Sein Recht führt uns in je und je neue aktuelle Aufgaben hinein, aber dass Krieg um Gottes Willen nicht sein darf, das bleibt. Und das auch laut auszusprechen, ist von Gottes Gericht her gedeckt. In seinem Richten macht er klar, was Gott fördert und was er nicht fördert.                          
Dann verändern sie… Das Kriegshandwerkszeug, vor allem auch die vor den Stahlwaffen eingesetzten verbalen Medien- Waffen, haben keinen Verwendungszweck mehr. Frieden ist zu einer Folge der Unterweisung durch Gott geworden. Im Hören auf ihn werden wir anderen Zielen gehorsam. Das stört die Machthaber. Und stört unsere Ruhe.
  Und zugleich ist ein kleiner Anfang spürbar, es st nicht bloß die blanke Zukunftsmusik.
Einmal haben wir die Jesaja-Worte zart und konkret Wahrheit werden sehen, dass sie uns, neben vielen Schlimmen, für immer prägen werden. Ich meine damit den Beginn der unblutigen Revolution im Herbst 1989 in Gebeten und Liedern. „Keine Gewalt, keine Gewalt, keine Gewalt…“ Ganz klar, heute wird im Osten und im Westen, von links und rechts, von bürgerlich, von angepasst und wendehälsig um die Deutungshoheit dessen gestritten, was damals war, da zahlt jeder mit selbstgeprägter Münze; das gilt es nüchtern wahrzunehmen und den Geschichtsfälschern zu widersprechen. Aber dass dieses unblutige Geschehen wesentlich aus den Friedensgebeten kam, lässt sich nicht bestreiten. Kerzen und Gebete.
Empörendes Beispiel solch pervertierter Deutungshoheit war, als ein Stasi-Offizier in einer TV-Dokumentation frech meinte, ihnen sie es schließlich zu danken, dass sie die Waffen gegen die Demonstranten zurückgehalten hätten, deshalb sei es in Wahrheit eine friedliche Revolution gewesen.
Weckruf des Friedens. Da sind alte Narben ( keine Wunden ) aus längst vergangenen Zeiten und doch sind sie lebendig. Das ist wertvoll. Wir nehmen die Erinnerungen unserer Aufnäher- Aktionen und Friedens-gottesdienste mit in die Zukunft. Später erfuhren wir, wie nah Europa durch den Nato-Doppelbeschluss und die russischen SS20-Rakten an einem Krieg war, was unsere schlimmen Ahnungen von damals weit übertraf.
Gott will uns oft Müdegewordene aufwecken. Wir sind tausendmal ohnmächtig gewesen, zu Zuschauern gemacht, bis heute. Sicher, wir haben keine Rezepte und Allheilmittel, auch für Afghanistan und für Lybien nicht. Wir dürfen das zugeben. Es gibt keinen Grund, dass wir Friedensbewegten uns als die Elite oder Avantgarde definieren, aber wir lassen uns nicht friedensmüde, demokratiemüde schwatzen. Und dazu gehört sehr wohl, dass wir von einer Regierung Rechenschaft über Waffenhandel fordern dürfen, der wieder und wieder mit unabsehbaren Folgen Länder wie Saudi-Arabien beliefert. Die frech-trotzige Antwort der Regierung: „Darüber geben wir keine Auskunft“ ist einer mündigen Bürgerschaft gegenüber unwürdig und verlogen.
Weckruf des Friedens! Das bedeutet, dass wir uns mit unseren Glauben nicht verstecken, sondern aussagfähig über darüber bleiben oder es wieder werden, wem wir glauben und was wir hoffen und darüber aller Welt Rechenschaft geben. Frieden schaffen ohne Waffen!
Wie aber werden wir aussagefähig? Indem wir uns mit vollem Recht auf Gottes Verheißung berufen dürfen und uns von ihm unterrichten lassen. Das wird uns in Gang setzen, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Und dieser Glaube gehört ins Epizentrum der Auseinandersetzungen und nicht an den gesellschaftlichen Rand. Nicht hoch zu Ross, aber an den sichtbar und hörbaren Stellen, auf den thematischen Gipfeln, nicht nur beim Kirchentag, sagen wir dann von dem einem Frieden, der sich nicht allein aus politischem Kalkül aus Ölquellen und Bündnispolitik, sondern aus Gottes Logik speist.
Perikope
14.08.2011
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