Predigt zu Jesaja 5, 1-7 von Gabriele Arnold
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Predigt zu Jesaja 5, 1-7 von Gabriele Arnold

Liebe Gemeinde
Der Protestantismus hat Deutschland zurück erobert. Nach den närrischen Wochen, den Schunkelsitzungen und den Trinkliedern ist seit anderthalb Wochen 7 Wochen ohne dran.
„Sieben Wochen ohne… „was als kleine Aktion begann hat sich flächendeckend, auch ökumenisch, über unser Land ausgebreitet. Kaum eine Kirchengemeinde in deren Schaukasten nicht das Plakat hängt, kaum eine Gemeinde in der nicht ein paar wenigstens bewusst leben in diesen Wochen. 7 Wochen. Ohne Alkohol oder Zigaretten, eine Freundin fastet Fernsehen und eine andere verzichtet sieben Wochen auf den Einkauf von Kleidern oder Schuhen. Liebgewordenes überprüfen, sich in Frage stellen lassen wenigstens ein Mal im Jahr.
Doch es geht nicht nur um Verzicht. Manchmal geht es gerade anders herum ums Entdecken. Und es gibt ja die gute Einsicht, dass es gerade im Verzicht, im veränderten Blickwinkel viel zu entdecken gibt. So wie in diesem Jahr. Gut genug heißt das Motto. Eine schöne protestantische Grunderkenntnis wird da formuliert. Wir sind gut genug vor Gott. Wir müssen uns nicht ständig selbst beweisen. Gott mag uns so wie wir sind um es einmal ganz schlicht zu sagen. Gut genug- fromm genug, erlöst genug, stark genug und was man sonst noch alles formulieren möchte.
Eine gute Aktion. Nur leider passt unser Predigttext für den 2. Sonntag der Passionszeit so gar nicht in unser protestantisches Rechtfertigungsdenken. Gar nichts ist gut und schon gar nicht gut genug wenn wir auf die Worte aus dem Jesaja Buch hören.
Erlaubt, dass ich singe von meinem Freund, das Lied meines lieben Freundes von seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg, an steiler Höhe, überaus fruchtbar. Und er grub ihn um und befreite ihn von Steinen, und er bepflanzte ihn mit edlen Reben, und in seiner Mitte baute er einen Turm, und auch eine Kelter schlug er darin aus. Und so hoffte er, dass er Trauben trage, doch er brachte stinkende Fäulnis hervor. Und nun, Bewohner von Jerusalem und Männer aus Juda, richtet doch zwischen mir und meinem Weinberg. Was bliebe noch zu tun für meinen Weinberg, das ich nicht getan hätte? Wie konnte ich hoffen, er würde Trauben tragen - stinkende Fäulnis hat er hervorgebracht! Und nun erlaubt, dass ich euch wissen lasse, was ich mit meinem Weinberg mache: Seine Hecke ausreißen, dann soll er kahl gefressen werden; seinen Zaun einreißen, dann soll er zertreten werden. Und ich habe ihn zur Verwüstung freigegeben, er wird nicht gescheitelt werden und nicht behackt, und Dornen und Disteln werden aufsprießen in ihm. Und was die Wolken betrifft, so werde ich Befehl geben, keinen Regen mehr auf ihn fallen zu lassen.
(Text nach Züricher Bibel)
Alles verkorkst und missraten
Eigentlich fing alles ganz harmlos an. Ein Mann kauft einen Weinberg und wir erwarten ein heiteres Trinklied, so wie es zur Karnevalszeit oder beim Erntefest gesungen werden soll. Einer kauft einen Weinberg und wir erheben das Glas.
Weit gefehlt. Einer kauft einen Weinberg und er rackert sich ab. Zuerst wird das Land gerodet und umgegraben, dann werden die Weinstöcke gepflanzt, abgegossen und gehackt, hochgebunden und ausgeschnittene und schließlich wird auch noch eine Kelter gebaut. Mitten in den Weinberg, damit die reifen Trauben nicht beim Transport beschädigt werden und in der Hitze verderben. Ja sogar ein Wachturm wird errichtet. Der Weinberg muss bewacht werden, es könnten ja Traubendiebe und Füchse in den Weinberg einfallen oder gar Wildschwein und alles zerstören. Unser Mann hat an alles gedacht. Mit Recht erwartet er eine gute Ernte. Er hat es nicht nur gut genug gemeint- nein aufs allerbeste und sorgsamste hat er den Weinberg gepflegt. Doch im Herbst – was für eine Riesenenttäuschung.
Statt süßer Trauben verdorbene Früchtchen, statt reicher Ernte ein totaler Misserfolg. Alles umsonst- vergeblich . Aus Enttäuschung wird Zorn .Wer könnte es dem Besitzer verdenken. Er haut alles in Stücke kurz und klein. Schluss aus und vorbei. Gut, ein wirtschaftlich kalkulierender Mann hätte sich vielleicht nicht so gehen lassen und es nach all den Investitionen noch einmal versucht. Aber unser Mann ist überwältigt von Enttäuschung und Zorn. Der Weinberg war offenbar mehr als eine Kapitalanlage. Er war ihm eine  Herzensangelegenheit.
Nun das kennen wir doch auch. Diese Enttäuschung, diesen Zorn. Da gibt einer alles in der Schule, büffelt und verzichtet auf Freizeit und wieder nur eine fünf  in der Matheklausur. Da setzt sich eine ein im Beruf, ist kreativ und voller Tatendrang und dann wird es wieder nichts mit der Beförderung. Ja sogar in der Liebe kennen wir das. Wie viel Enttäuschung und Zorn lebt da in unseren Herzen. Kinder, Eltern , Partner. was sammelt sich da an in einem Leben. Am liebsten würde man da doch hin und wieder zu schlagen, ausreißen, einreißen  ,ach lass mich doch in Frieden.
Unser Weinberglied, das so harmlos begann, es ist kein fröhliches Liedchen, es ist ein bitterer Gesang ohne happy end. Nicht gut genug- was da rauskommt.
Unser Weinberglied es ist ein Lied von großer Liebe und bitterer Enttäuschung. Wer hat es gesungen? Wem hat es gegolten?
Der Weinberg des HERRN der Heerscharen ist das Haus Israel,und die Männer aus Juda sind, was er aus Leidenschaft gepflanzt hat. Und er hoffte auf Rechtsspruch, doch seht: Rechtsbruch! Und auf Gerechtigkeit, doch seht: Schlechtigkeit! Jesaja 5,7
Den Männern und Frauen Jerusalem hat es gegolten einstmals. Ein Lieb von enttäuschter Liebe. Es ist niemand anderer als Gott selber, der durch den Propheten Jesaja klagt, anklagt.
In großer Liebe und Fürsorge war er bei seinen Menschen. Hatte er sie nicht aus Ägypten geführt und ihnen  das Land gegeben? War er es nicht der Sonne und Regen, Sommer und Winter hinaufziehen lies und das Land mit Früchten reich beschenkte? War er es nicht, der die Menschen tröstete und geborgen hielt –so wie ein Hirte seine Herde? Hatte er zu viel erwartet?
Ich wartete auf,Gerechtigkeit, doch seht: Schlechtigkeitich hoffte auf Rechtsspruch und siehe Rechtsbruch.
Nicht dass es keine Gesetze gegeben hatte, aber sie ließen es zu, dass wenige Reiche immer mehr anhäuften und die Armen um Lohn und Land und Leben gebracht wurden. Natürlich gab es Richter- aber sprachen sie wirklich Recht und war, was Recht war, wirklich gerecht?
Rechtsbruch statt Rechtspruch, Gerechtigkeit, doch seht: Schlechtigkeit. Was soll der Weinbergbesitzer tun?
Was soll Gott tun? Wo soll er hin mit seinem Zorn? Wie lange kann er zuschauen?
Wem gelten diese Worte heute Morgen, den Männern und Frauen damals oder etwa auch uns heute.
Wie sieht es aus in unserem Land?
Wie ist das mit Rechtsspruch und Gerechtigkeit. Da geht eine Drogeriekette pleite. Gegen geltendes Recht hatte sie nicht verstoßen, die Arbeitsbedingungen der Verkäuferinnen waren legal – aber waren sie gerecht?
Offenbar gab es genug Menschen, denen ihr Rechtsempfinden etwas anderes gesagt hat. Nun musste man gar nicht mehr zu Boykott aufrufen.
Oder die letzten Woche der Auseinandersetzung um das Verhalten des ehemaligen Bundespräsidenten. Wahrscheinlich war alles irgendwie legal – aber eben nur irgendwie. Und das reicht nicht. Was legal ist, ist noch nicht zwangsläufig gerecht. Und was so durch geht ist noch nicht unbedingt wahr. Wie tröstlich, dass sich diese Empfinden dann doch durch gesetzt hat.
Vielleicht wurzelt diese Empfinden ja genau in solchen Texten und Traditionen wie unserem Weinberglied.
Gott will offenbar mehr als nur Recht. Er will Gerechtigkeit. Da ist er leidenschaftlich.
Manchmal ist es eben nicht gut genug.
Unsere Asyl Gesetzgebung ist nicht gut genug. Oder finden Sie es in Ordnung wenn Menschen hierher zu uns  fliehen, unter großer Gefahr und dann jahrelang nicht wissen was mit ihnen geschieht, und in Rechtsunsicherheit leben , zur Untätigkeit verdammt, in einem kleinen Zimmer hocken und warten?
Unser Einkaufsverhalten ist nicht gut genug. Es ist nicht illegal, wenn das Kilo Bananen nur 79 Cent kosten aber was ist mit Manuel in Ecuador der die Bananen anbaut und erntet und trotzdem in Armut lebt?
Es ist nicht illegal wenn unser Schokolade 59 Cent kostet, aber was ist mit Nagana , die mit sechs Jahren von zuhause verschleppt wurde und seit 12 Jahren auf einer Kakaoplantage wie eine Sklavin gehalten wird, damit die Konzerne gut verdienen und unser Kakao trotzdem  so billig ist?
Da ist der Übergang fließend vom Rechtsbruch zu Schlechtigkeit.
Geiz ist geil- ist das noch witzig oder nicht eigentlich schon ein Verbrechen? Was wäre wenn Gott geizig wäre und seine Güte knapp kalkulierte. Sonne und Regen,  Fürsorge und, Bewahrung und das Glück der Geborgenheit nur in ärmlichen Rationen und dann auch nur an bestimmte verteilte. Ich warte auf Rechtsspruch sagt Gott und auf Gerechtigkeit, die gerecht ist und nicht nur so tut.Nicht gut genug.
Sieben  Wochen Gut genug.
Wie wäre es wenn wir in diesen 7 Wochen ein Doppeltes wagten. Gut genug zu sein vor Gotte und hinzuschauen wo es eben nicht gut genug ist.
Sieben Wochen die Augen aufmachen und etwas tun.
Amen