Predigt zu Johannes 13,1-15.34-35 von Winfried Klotz
13,1-35

Predigt zu Johannes 13,1-15.34-35 von Winfried Klotz

1 Vor dem Passafest aber erkannte Jesus,(a)dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. a) Kap 7,30; 17,1
2 Und beim Abendessen, als schon(a)der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten, a) Lk 22,3
3 Jesus aber wusste, dass ihm(a)der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er b von Gott gekommen war und zu Gott ging, a) Kap 3,35; b) Kap 16,28
4 da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.
5 Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
6 Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die Füße waschen?
7 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.
8 Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.
9 Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!
10 Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und(a)ihr seid rein, aber nicht alle. a) Kap 15,3
11 Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.
12 Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe
13 Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin's auch.(a)a) Mt 23,8; 23,10
14 Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch(a)die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. a) Lk 22,27
15 Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.(a)a) Phil 2,5; 1. Petr 2,21
34 Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt.(a)a) Kap 15,12-13; 15,17
35 Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

Liebe Gemeinde!

Umstürzende Veränderungen stehen an jetzt an diesem Passafest für Jesus und seine Jünger. Jesus wird aus dieser Welt zum Vater gehen, so sagt das Johannesevangelium; wir wissen, sie werden ihn gefangen nehmen, verhören, foltern und kreuzigen, und da am Kreuz wird er elend und voller Schmerzen hängen und sterben. Alles ist schon eingeleitet, auf den Weg gebracht, nur wenige Stunden trennen Jesus noch vom Tod am Kreuz. Alles ist schon eingeleitet, ja, Judas hat den unbegreiflichen Entschluss gefasst, Jesus auszuliefern. Er hat sein Ohr den Einflüsterungen einer fremden Stimme geliehen, er hat sein Herz geöffnet für eine fremde Macht. Oder muss ich sagen, so fremd und fern ist diese Stimme und Macht gar nicht, weder dem Judas noch allen anderen Menschen?

Alles ist auf den Weg gebracht, um den wegzuschaffen, der so vielen im Weg steht, den Hohen Priestern und dem Hohen Rat, die durch ihn den Tempel bedroht sehen, den Lehrern des Gesetzes, den Theologen, die eine gefährliche Freiheit in seiner Auslegung erkennen.

Alles ist auf den Weg gebracht und der, gegen den es jetzt geht, sollte schleunigst die Notbremse ziehen, sein Leben retten und eine Weile von der Bildfläche verschwinden- aber gerade das tut Jesus nicht. Gerade jetzt erweist er seinen Jüngern seine Liebe, gerade jetzt erweist er sich als der, der von Gott gekommen ist und zu Gott geht. Jetzt gibt er ihnen einen letzten und äußersten Beweis seiner Liebe.

Bei einem Mahl steht Jesus auf und legt sein Obergewand ab und bindet sich ein Tuch um. Er gießt Wasser in eine Schüssel und beginnt seinen Jüngern die Füße zu waschen. Wir können uns vorstellen, wie jetzt das Gespräch unter den Jüngern verstummt, wie ein Staunen und Kopfschütteln durch die Reihen geht. Was tut Jesus, er ist doch der Herr, der Lehrer? Wir sind einiges von ihm gewohnt, aber dürfen wir zulassen, dass Jesus sich so erniedrigt? Macht er sich nicht hiermit einem Sklaven gleich? Verdunkelt dies nicht sein Bild als Messias, als Gesandter Gottes? Wie will Jesus seine Jüngergemeinde führen, wie will er für Ordnung sorgen, wenn er die gesellschaftlichen Regeln durchbricht? Wie will er, ich überdehne den Gedanken, eine Organisation führen, wenn er seinen Untergebenen die Füße wäscht? Ich spinne den Gedanken weiter: Haben Sie schon mal von einem Wirtschaftsboss gehört, der der seinen Mitarbeitern die Füße gewaschen hat? Oder gehen wir mal weg vom Bild der Fußwaschung, der die ständig dreckigen Toiletten gereinigt hat, um seinen Mitarbeitern ein gutes Beispiel zu geben?

Jesus macht sich einem Sklaven gleich, er erniedrigt sich, indem er im Staub vor seinen Jünger kniet und ihnen die Füße wäscht. Und deutet damit etwas von der Tiefe an, in die er mit seinem Sterben hineingehen wird.

Petrus will sich den Sklavendienst nicht gefallen lassen. Petrus ist kein Duckmäuser, der Dinge über sich ergehen lässt, die er nicht versteht und gut heißen kann. „Du, Herr, willst mir die Füße waschen?“ fragt er. Jesu Antwort: „Was ich tue, kannst du jetzt noch nicht verstehen, aber später wirst du es begreifen“, überzeugt ihn nicht „Niemals sollst du mir die Füße waschen, in Ewigkeit nicht!“ antwortet er. Petrus hat auf stur geschaltet und das eigentlich um Jesu willen. ‚Du, Jesus, darfst dich nicht so erniedrigen; das ist doch ein Zeichen von Schwäche, oder kann so verstanden werden. Wir brauchen jetzt aber einen starken Jesus, einen starken Messias-König. Jetzt an Pessach in Jerusalem entscheidet sich, ob unser Volk in eine Zukunft der Freiheit und des Friedens geht, es entscheidet sich an dir, Jesus!‘

Ob Petrus so gedacht hat, weiß ich nicht; jedenfalls ist ihm Jesu Dienst nicht geheuer. Petrus gibt erst nach, als Jesus ihm die Bedeutung seines Tuns erklärt. „Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir und an dem, was ich bringe.“ Mit Jesus verbunden sein, das ist Petrus wichtig. Zu IHM gehören, will er unbedingt. Deshalb bittet er jetzt darum, dass Jesus ihm nicht nur die Füße. sondern auch Hände und Kopf wäscht. Aber das ist nicht nötig; indem Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen hat, hat er ein Zeichen gesetzt, dass sie zu ihm gehören, dass sie Anteil haben an seiner Reinheit, und das meint, an seiner Zugehörigkeit zu Gott. Denn es geht ja nicht um körperliche Reinheit, wenn Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht, sondern das abgewaschen ist alles, was von Gott trennt. Es geht Jesus um das durch ihn gereinigte und von Grund auf erneuerte Verhältnis zu Gott.

Jesus bildet mit der Fußwaschung ab, was noch geschehen wird; sein niedrigster Dienst für seine Jünger und alle, die ihm folgen wollen, ist sein Sterben am Kreuz zur Vergebung der Sünden. Und um es noch einmal deutlich zu machen: Zu Jesus gehört man nicht dadurch, dass man ihn gut findet oder Gutes tut, zu IHM gehört nur, wer seinen Dienst annimmt, seine Lebenshingabe als Sühnopfer für unsere Sünde, unsere Trennung von Gott. Jesu Sterben am Kreuz ist der Ort der überfließenden Gnade Gottes, nicht weil das selbstverständlich so wäre, sondern weil Gott es so bestimmt hat.

Gerade um Gottes überfließende Gnade, die er durch Jesus uns schenkt, geht es beim Abendmahl, das wir heute am Tag seiner Einsetzung feiern. Teil haben an Jesus und durch ihn mit Gott ins Reine gebracht werden, das empfangen wir unter Brot und Wein. Aber noch ein Zweites empfangen wir beim Abendmahl, nämlich die Gemeinschaft miteinander. Wer zum Abendmahl kommt, kann sich dem nicht entziehen, dass er durch Jesus mit allen verbunden ist, die auch das Mahl empfangen, verbunden um seine Schwester, seinen Bruder zu lieben und einander anzunehmen. Das ist der zweite Schwerpunkt im Bericht von der Fußwaschung.

„Begreift ihr, was ich eben getan habe?“ hat Jesus seine Jünger gefragt als er sich wieder zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte. Und weiter: „Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt Recht, das bin ich. Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“

Diese Mahnung Jesu ist kein Anhängsel, nichts Zweitrangiges. Das machen gerade auch die beiden Verse vom Ende des Kapitels deutlich. Unsere Zugehörigkeit zu Jesus, unsere wirkliche Gründung in IHM als Gemeinde zeigt sich an unserer Liebe zueinander. Sie zeigt sich in der Bereitschaft zu vergeben, zu helfen, zu ermutigen. Sie zeigt sich vor allem aber darin, dass Christen im Streit einander nicht fertig machen, nicht um jeden Preis ihr Recht bekommen müssen, nicht verletzen und nachtreten. Es wird immer Auseinandersetzungen geben auch in der Gemeinde Jesu; wir sind auch als Leute, die mit Jesus verbunden sind, freie Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, siehe Petrus und sein Widerstand dagegen, dass Jesus ihm die Füße wäscht. Aber wie wir miteinander streiten wird zeigen, ob wir Jesus ernst nehmen und unser Herz von ihm gereinigt wurde.

Einander lieben, einander annehmen, ist noch lange nicht damit getan, dass wir ein Fass Bier aufmachen und miteinander feiern. Das ist nicht der Alltag. Im Alltag bin ich gefragt, ob ich meinen Stolz beerdige und den ersten Schritt auf die zu tue, die mich unfair angegriffen haben? Im Alltag fragt mich Jesus, ob ich meine Wünsche und Ansprüche vergesse, um ein sichtbares Zeichen seiner Gegenwart und Liebe bei denen zu setzen, die in oder außerhalb der Gemeinde seine Freundlichkeit und Liebe nicht angenommen haben. Amen.