(Judas, nicht der Ischarioth, fragte Jesus: Herr, was ist’s, dass du dich uns willst offenbaren und nicht der Welt?)
Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.(Johannes 14,23-27)
Liebe Leserin, lieber Leser!
Ganz unterschiedlich sind die beiden Lesungen, die wir im, Gottesdienst am Pfingstsonntag hören. Bei der ersten aus der Apostelgeschichte geht ja regelrecht die Post ab. Wenn der Heilige Geist das kleine Häuflein der Jünger einem Sturme gleich so packt, dass sie mit Feuer und Flamme von Jesus erzählen und deshalb sofort verstanden werden, auch von denen, die aus Ländern mit schier unaussprechlichen Namen kommen. Eine story voller action, die sich sofort einprägt, weil man sie förmlich vor Augen hat.
Davon hat die zweite Lesung aus dem Johannesevangelium nichts. Die Begriffe wie Liebe, Wort Jesu, Tröster und Friede bleiben blass. Sie malen keine Bilder, geschweige dass sie die Hörer in eine Geschichte hineinziehen. Und ausgerechnet über diese zweite Lesung soll nun gepredigt werden. Und das - so mag man und frau befürchten - verheißt nichts Gutes.
Doch. Denn was hilft es, wenn wir hier ganz gegen unsere norddeutsche Art in Begeisterung machten über eine Kirche, die im Anfang vom Brausen des Geistes erfüllt und Feuer und Flamme war für den Glauben an Jesus und damit einen unglaublichen Erfolg hatte - nur um dann am Ende ernüchtert festzustellen. So ist das bei uns nicht. Macht nichts. Muss auch nicht. Weil das eine Sonntags- oder Kalenderblattgeschichte ist. Nicht dass es so was nicht gäbe - solche Festtage des Glaubens. Auf dem Kirchentag in Stuttgart werden das Zehntausende in wenigen Tagen wieder erleben. Tage voller Schwung und geistlicher Hochstimmung; Tage, an denen es eine Freude ist, Christ zu sein und zu erleben, wie der Glaube spielend die Grenzen von Konfessionen und auch Parteien überspringt und einen nicht nur innerlich in Fahrt bringt. Doch die Regel ist das nicht. War es auch damals in den Anfängen der Kirche nicht.
Das zeigt die Frage eines Jüngers, die der zweiten Lesung unmittelbar vorausgeht: "Herr, was bedeutet es, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt?" Da können wir direkt anknüpfen: Was bedeutet es, dass alle Welt sich "schöne Pfingsten" wünscht, aber kaum jemand damit etwas zu verbinden weiß? Was bedeutet es, dass wir mit unserem Glauben nicht unser Umfeld auf unserer Seite haben, sondern eher von Gleichgültigkeit umgeben sind
oder sogar - wie weithin in den Medien - von arroganter Blasiertheit, die die christlichen Hinterweltler mitleidig belächelt? Solange die Christen am Gekreuzigten festhalten, war das nicht anders und wird es nie anders sein. Es wird nie und nimmer zum Volkssport, nie und nimmer zum massenattraktiven event werden, einen Gott zu verehren, der sich auf die
Seite der Opfer und der Verlierer stellt. Und da müssen wir gar nicht auf die da draußen sehen. Da brauchen wir nur ins eigene Herz zu schauen. Das hätte doch auch lieber einen Gott, der uns vor Unangenehmem bewahrt und sich nach unseren Wünschen und Sehnsüchten richtet. Das steckt in uns drin von Natur aus und ist ja auch sympathisch.
Doch Gottes Sympathie geht weiter bis zu denen, die ganz unten sind und bis hin in die Dunkelheiten und Abgründe unseres Herzens. Wie diese tiefgründige Liebe nach uns greift, davon handelt das Pfingstevangelium. Hören wir noch einmal hin::
"Wer mich liebt, sagt Jesus, der wird mein Wort halten."
Jesus lieben – irgendwie ist mir das zu intim, zu unmittelbar. Ihm gehört meine Sympathie und mein Respekt, ja. Aber zur Liebe gehört der direkte Austausch, und der fehlt bei Jesus.
Deshalb ist mir auch unwohl, wenn fromme Menschen von ihrer Liebe zu Jesus schwärmen und das auch von mir erwarten. Aber es geht hier auch gar nicht um Gefühle sehr privater Art, sondern in der Beziehung zu Jesus geht es um Handfestes, es geht ums Halten, Festhalten seiner Worte, seiner Geschichten, in denen er sich uns in unverwechselbarer Weise begegnet und in die Pflicht nimmt. Uns dran zu halten, dass wir als Gotteskinder nicht nur ein Ego haben, sondern Nächste sind und so auch leben. Dass wir bereit sind, uns Jesu Worten und Zumutungen immer von neuem auszusetzen, darum geht es.
Und weiter: "Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen."
Was für eine Perspektive, die uns zu Pfingsten eröffnet wird! Wir werden zu Gott kommen, statt im Tode zu enden. Und mehr noch, viel mehr Wenn wir kommen, werden wir nicht kritisch beäugt, ob wir da auch wirklich hinpassen, ob wir das verdient haben, von ihm angesehen und empfangen zu werden. Nein, alle Türen stehen offen, so weit offen, dass
wir ihn nicht nur besuchen, sondern mit Sack uind Pack dort einziehen dürfen. Gottes Welt ist nicht zu heilig für das, was wir unter einem behaglichen Leben verstehen. Er braucht nicht nur Halleluja-Sänger um sich herum. Er will Hausgenossen, die mitbringen, was sie hier im
irdischen Leben schätzen und lieben gelernt haben. Nichts davon brauchen wir hinter uns lassen, nichts davon müssen wir uns möglichst schon im vorhinein abtrainieren. Alles kommt mit und ist willkommen.
Und wer soll das glauben, dass der unfassbare Gott uns, Ihnen und mir, so nahe kommt aus Interesse, ja aus Liebe zu dem bisschen Leben, das wir darstellen und mitbringen? Weil solche Fragen und Zweifel nicht abzuschütteln sind, haben wir seit Pfingsten einen Helfer.
"Der Tröster, der heilige Geist, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe."
Das Wort Tröster lässt sich ebenso mit dem Wort "Beistand" wiedergeben. Und beides ist gemeint. Beides brauchen und bekommen wir mit dem heiligen Geist. Trost, wenn wir am Boden liegen, wenn der Glaube erstickt wird von allem, was gegen ihn spricht: Was für ein Segen, Worte. Bilder, Musik zu haben, die zu Herzen gehen, uns zu Tränen rühren und
uns zu verstehen geben: Da ist in allem Unheil noch eine ganz andere, eine heile Welt, und du gehörst dazu.
Und genauso brauchen wir den Beistand, der dafür sorgt, dass wir uns nicht verlieren in dem, was das Leben leicht und bequem macht. Denn Jesus ist beileibe ja nicht nur der Tröstende, sondern auch der uns in die Quere Kommende, auf unbequeme Wege Rufende, gegen den Strom Schwimmende. Gott sei Dank haben seine Worte immer von neuem eine so aufrüttelnde Kraft, dass sie uns ins Gewissen gehen und uns verändern.
"Den Frieden lasse ich euch. Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht."
In der Welt, wie Jesus und Johannes sie kannten, gab es den Frieden der Pax Romana - die Weltherrschaft der Römer. Da wurde alles Aufbegehren alles Freiheitsstreben mit eiserner Faust unterdrückt. Christen haben dagegen aufgemuckt. Und sie werden aufmucken, wo immer irdische Machthaber für ihre Politik göttliche oder totale Geltung beanspruchen. Der Friede Christi verklärt keine menschliche Herrschaft und lebt nicht auf Kosten von Unterworfenen. Er stellt sich Konflikten und arbeitet an ihnen. Das Heil aber erwartet er allein von Gott. Dieser Friede richtet verunsicherte Herzen auf und belebt die Furchtsamen. Deshalb: Frohe Pfingsten! Amen.