Predigt zu Johannes 15, 9-12(17) von Jochen Riepe
15,9
In den Stein gemeißelt : ‚ Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘.
I
Die 53 deutschen Soldaten fielen für den Aufbau des Landes . Die Taliban starben für den Gottesstaat und die Durchsetzung ihres Glaubens. Die Journalisten im Kriegsgebiet starben für die Wahrheit … Christus starb für uns Christen . ‚ Und einer sah über’s Ährenfeld / und fühlte sein Auge brennen / und sprach : Daß es Menschen gibt, die für Menschen sterben können‘.
II
Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern , die er nunmehr Freunde nennt. Er ,der Weinstock, von dessen Lebendigkeit sie buchstäblich lebten und zehrten , wird nicht mehr da sein. Er verspricht : ‚Meine Liebe wird euch bleiben und ihr könnt in dieser Liebe bleiben. In Liebe und Freude. Meine Gebote werden euch den Weg weisen und das Leben zeigen .‘ Schließlich aber , gleichsam als Krönung dieses Trostes , lehrt Jesus seine Jünger , die Trennung , seinen Tod zu anzunehmen und zu verstehen – als letzten Freundschaftsdienst : ‚Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘.
III
Dem Evangelisten Johannes ist wohl dies wichtig : Jesus wußte , wofür er lebte , und er wußte auch , wofür er starb. Dieses ‚Sterben für‘, liebe Gemeinde, hat mich beschäftigt. Daß der Tod das Leben bezeugt, daß einer sein Leben hingibt für andere – fremd und verwundert , ratlos und ahungsvoll zugleich stehen wir davor – vor diesen gleichsam archaischen Vorstellungen . ‚Für dich würde ich sterben‘, haben wir vielleicht alle einmal jung und feurig gesagt . In der Zeitung haben wir von dem Lehrer gelesen , der sich schützend gegen die Kugeln des Amokläufers vor seine Schüler warf. Wir kennen auch den Trost des Satzes :‘Lieber sterbe ich als mich fügen…‘ Je älter wir werden, desto vorsichtiger , ernüchterter und sehnsuchtsvoller zugleich werden wir. Sterben wie Jesus … bewußte Hingabe für andere ?
IV
Die Soldaten starben für Freiheit und Demokratie und den Aufbau des Landes. War es wirklich so ? Starben sie nicht auch für geopolitische Interessen des Westens ? Die Taliban starben für ihren Glauben, ihre Religion , ihre Führer. War es wirklich so? Starben sie nicht auch für ihren Haß und ihre frauenfeindliche Ideologie ? Die Journalisten in den Kriegsgebieten sterben für die Wahrheit, aber der Verdacht fragt : Wollen sie nicht die heißeste Nachricht, das beste Foto , Ruhm und Rang ? ‚Daß es Menschen gibt , die für Menschen sterben können‘, dichtet Bert Brecht , aber gerade uns Deutschen ist dieses ‚Sterben für‘ als historische Erfahrung und als Lüge bedrängend in Erinnerung. Wo so viel Verführung , so viel Mißbrauch war , da will man ‚leben für‘ … den Frieden ,die Familie, den Beruf , auch für Erfolg und Geld … und alles Weitere steht dahin. ‘Nichts ist gut in Afghanistan‘, sagte sehr bestimmt eine Predigerin unserer evangelischen Kirche.
V
‚Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘. Hingabe – Zeuge des Lebens und der Liebe sein – Krone und Kreuz – Kreuz und Krone. Der Evangelist Johannes arbeitet diese Folge , diesen Zusammenhang fast überdeutlich heraus : Jesu Tod ist die Vollendung seines Lebens. Gerade sein Tod ist seine Erhöhung. Der Jesus des Johannes ist souverän , ein kräftiger Weinstock , in den Schritten seines Martyriums stets gefaßt. Königlich. Als Leser des Evangeliums kann man an dieser hoheitsvollen Gefaßtheit scheitern. Man mag schreien : Alles Lüge! Jesus ist anders gestorben! Man kann sich aber auch gläubig-ungläubig, aufnehmend-zehrend der Kraft dieses Weinstocks überlassen. Das gibt es : Eine Bezeugung der Wahrheit , ein Aushalten in der Kraft Gottes, das Leben und Sterben zur Einheit bringt und so neuen Lebensmut stiftet. Die neutestamentliche Wissenschaft nennt das kühl und distanziert eine ‚hohe Christologie‘ oder auch : ‚Märtyrerchristologie‘*. Aber dahinter steckt ja eine leidenschaftliche Frage : Im Sterben zeigte sich , ob es Jesus ernst war, ob er legitimiert war als Sprecher Gottes oder ob er – krass gesagt- ein Sprücheklopfer war.
VI
Gewiß, wir brauchen an dieser Stelle Abstand. Ich sagte es : Das klingt schon etwas archaisch und unheimlich. Uns sind Argumente lieber als Überzeugungen; uns sind Übereinkünfte und Absprachen lieber als besonders todesmutige Wahrheitsansprüche erhitzter Menschen. Sind nicht auch die gefürchteten Selbstmordattentäter Überzeugungstäter ? Aber machen wir es uns nicht zu leicht. So fremd die Worte zu uns hinüberklingen , so nah ist doch die Frage , wie ernst wir es denn mit unserem Zeugnis , mit unseren Wahrheiten , mit unserem Glauben meinen . Und suchen wir nicht – in aller Konvention unserer Alltagsrede – beim anderen den Punkt , das Wort und die Tat , an dem oder an der wir spüren : Der steht zu dem, was er sagt. Er ist gebunden , verbindlich in der Wahrheit. ‚Für dich könnte ich sterben‘ – was der jugendliche Überschwang einst schwor, tritt uns doch in anderer Gestalt lebenslang entgegen. Als Frage nach unserer Treue und als Frage nach der Bereitschaft , in Treue , in Freundschaft auch zu leiden oder gar zu sterben.
VII
Unsere Soldaten starben für die Demokratie und den Aufbau des Landes. Die Taliban starben für ihren Glauben. Die Journalisten sterben für die Wahrheit – Christus gibt sein Leben für seine Freunde. Johannes, der Evangelist , lehrt : Derjenige , der am Kreuz den Sieg erringen wird, er wird erhöht zu Gott und Fürsprecher für seine Gemeinde . Wer gerecht war bis zum Ende, wer das Werk vollbringt , der bleibt ewig , unvergessen ; gleichsam ein Held , wie es immer wieder in die Gedenksteine der Gefallenen - auch auf unserem Friedhof – gemeißelt wurde . Ob die Jünger ihn – den nährenden Weinstock- nun leichter gehen lassen können ? Ob sich auch die Angehörigen der Kriegsopfer – in kühner Übertragung – sich dessen trösten dürfen : Daß doch etwas gut war ? Daß es zu etwas gut war ? Und dürfen sich alle gleichermaßen dessen trösten ? Die Opfer der Sieger sind andere als die Opfer der Verlierer . Der Tod für Freiheit und Menschenrechte , für den Bau von Krankenhäusern und Schulen, der Tod des Menschenfreundes , ist ein anderer als der für die egoistischen Machtansprüche eines Landes oder einer Ideologie … Ein Dickicht von Fragen tut sich hier auf. Wie sinnlos bleiben die Opfer - jedes ein einmaliges Menschenleben! Wie verstörend aber auch , wenn uns Friedliebenden in der Frage deutscher militärischer Einsätze im Ausland die Meinung entgegentritt : Ist unser Land nicht einst selbst so befreit worden? Andere waren bereit , für uns zu sterben.
VIII
‚Und einer sah über’s Ährenfeld / und fühlte sein Auge brennen …‘ Augen und Herz : ‚Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘. Daß dieses Zeugnis des zum Kreuz Gehenden uns unvergeßlich bleibt, daß wir ratlos und ahnungsvoll zugleich , freudig und mutig unseren Freund ehren , in seinem Gebote und seiner Liebe bleiben– das ist meine Bitte. ‚Für dich könnte ich sterben‘- möge dieser Satz auch diesseits (oder jenseits) der Jugendschranke nicht gänzlich sinnlos oder ortlos in unserem Leben werden. Schließlich aber :Der Stachel der Märtyrerkirche bleibe uns. Im Tod zeigte sich , ob es Jesus ernst war … oder ob er nur – Sprüche geklopft hat.
* B. Brecht, Sämtliche Gedichte, 9.Aufl. 1997, S.8 (Karfreitag.Prolog.Epilog)
** K. Berger , Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangelisten ,1997, S. 298
I
Die 53 deutschen Soldaten fielen für den Aufbau des Landes . Die Taliban starben für den Gottesstaat und die Durchsetzung ihres Glaubens. Die Journalisten im Kriegsgebiet starben für die Wahrheit … Christus starb für uns Christen . ‚ Und einer sah über’s Ährenfeld / und fühlte sein Auge brennen / und sprach : Daß es Menschen gibt, die für Menschen sterben können‘.
II
Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern , die er nunmehr Freunde nennt. Er ,der Weinstock, von dessen Lebendigkeit sie buchstäblich lebten und zehrten , wird nicht mehr da sein. Er verspricht : ‚Meine Liebe wird euch bleiben und ihr könnt in dieser Liebe bleiben. In Liebe und Freude. Meine Gebote werden euch den Weg weisen und das Leben zeigen .‘ Schließlich aber , gleichsam als Krönung dieses Trostes , lehrt Jesus seine Jünger , die Trennung , seinen Tod zu anzunehmen und zu verstehen – als letzten Freundschaftsdienst : ‚Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘.
III
Dem Evangelisten Johannes ist wohl dies wichtig : Jesus wußte , wofür er lebte , und er wußte auch , wofür er starb. Dieses ‚Sterben für‘, liebe Gemeinde, hat mich beschäftigt. Daß der Tod das Leben bezeugt, daß einer sein Leben hingibt für andere – fremd und verwundert , ratlos und ahungsvoll zugleich stehen wir davor – vor diesen gleichsam archaischen Vorstellungen . ‚Für dich würde ich sterben‘, haben wir vielleicht alle einmal jung und feurig gesagt . In der Zeitung haben wir von dem Lehrer gelesen , der sich schützend gegen die Kugeln des Amokläufers vor seine Schüler warf. Wir kennen auch den Trost des Satzes :‘Lieber sterbe ich als mich fügen…‘ Je älter wir werden, desto vorsichtiger , ernüchterter und sehnsuchtsvoller zugleich werden wir. Sterben wie Jesus … bewußte Hingabe für andere ?
IV
Die Soldaten starben für Freiheit und Demokratie und den Aufbau des Landes. War es wirklich so ? Starben sie nicht auch für geopolitische Interessen des Westens ? Die Taliban starben für ihren Glauben, ihre Religion , ihre Führer. War es wirklich so? Starben sie nicht auch für ihren Haß und ihre frauenfeindliche Ideologie ? Die Journalisten in den Kriegsgebieten sterben für die Wahrheit, aber der Verdacht fragt : Wollen sie nicht die heißeste Nachricht, das beste Foto , Ruhm und Rang ? ‚Daß es Menschen gibt , die für Menschen sterben können‘, dichtet Bert Brecht , aber gerade uns Deutschen ist dieses ‚Sterben für‘ als historische Erfahrung und als Lüge bedrängend in Erinnerung. Wo so viel Verführung , so viel Mißbrauch war , da will man ‚leben für‘ … den Frieden ,die Familie, den Beruf , auch für Erfolg und Geld … und alles Weitere steht dahin. ‘Nichts ist gut in Afghanistan‘, sagte sehr bestimmt eine Predigerin unserer evangelischen Kirche.
V
‚Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘. Hingabe – Zeuge des Lebens und der Liebe sein – Krone und Kreuz – Kreuz und Krone. Der Evangelist Johannes arbeitet diese Folge , diesen Zusammenhang fast überdeutlich heraus : Jesu Tod ist die Vollendung seines Lebens. Gerade sein Tod ist seine Erhöhung. Der Jesus des Johannes ist souverän , ein kräftiger Weinstock , in den Schritten seines Martyriums stets gefaßt. Königlich. Als Leser des Evangeliums kann man an dieser hoheitsvollen Gefaßtheit scheitern. Man mag schreien : Alles Lüge! Jesus ist anders gestorben! Man kann sich aber auch gläubig-ungläubig, aufnehmend-zehrend der Kraft dieses Weinstocks überlassen. Das gibt es : Eine Bezeugung der Wahrheit , ein Aushalten in der Kraft Gottes, das Leben und Sterben zur Einheit bringt und so neuen Lebensmut stiftet. Die neutestamentliche Wissenschaft nennt das kühl und distanziert eine ‚hohe Christologie‘ oder auch : ‚Märtyrerchristologie‘*. Aber dahinter steckt ja eine leidenschaftliche Frage : Im Sterben zeigte sich , ob es Jesus ernst war, ob er legitimiert war als Sprecher Gottes oder ob er – krass gesagt- ein Sprücheklopfer war.
VI
Gewiß, wir brauchen an dieser Stelle Abstand. Ich sagte es : Das klingt schon etwas archaisch und unheimlich. Uns sind Argumente lieber als Überzeugungen; uns sind Übereinkünfte und Absprachen lieber als besonders todesmutige Wahrheitsansprüche erhitzter Menschen. Sind nicht auch die gefürchteten Selbstmordattentäter Überzeugungstäter ? Aber machen wir es uns nicht zu leicht. So fremd die Worte zu uns hinüberklingen , so nah ist doch die Frage , wie ernst wir es denn mit unserem Zeugnis , mit unseren Wahrheiten , mit unserem Glauben meinen . Und suchen wir nicht – in aller Konvention unserer Alltagsrede – beim anderen den Punkt , das Wort und die Tat , an dem oder an der wir spüren : Der steht zu dem, was er sagt. Er ist gebunden , verbindlich in der Wahrheit. ‚Für dich könnte ich sterben‘ – was der jugendliche Überschwang einst schwor, tritt uns doch in anderer Gestalt lebenslang entgegen. Als Frage nach unserer Treue und als Frage nach der Bereitschaft , in Treue , in Freundschaft auch zu leiden oder gar zu sterben.
VII
Unsere Soldaten starben für die Demokratie und den Aufbau des Landes. Die Taliban starben für ihren Glauben. Die Journalisten sterben für die Wahrheit – Christus gibt sein Leben für seine Freunde. Johannes, der Evangelist , lehrt : Derjenige , der am Kreuz den Sieg erringen wird, er wird erhöht zu Gott und Fürsprecher für seine Gemeinde . Wer gerecht war bis zum Ende, wer das Werk vollbringt , der bleibt ewig , unvergessen ; gleichsam ein Held , wie es immer wieder in die Gedenksteine der Gefallenen - auch auf unserem Friedhof – gemeißelt wurde . Ob die Jünger ihn – den nährenden Weinstock- nun leichter gehen lassen können ? Ob sich auch die Angehörigen der Kriegsopfer – in kühner Übertragung – sich dessen trösten dürfen : Daß doch etwas gut war ? Daß es zu etwas gut war ? Und dürfen sich alle gleichermaßen dessen trösten ? Die Opfer der Sieger sind andere als die Opfer der Verlierer . Der Tod für Freiheit und Menschenrechte , für den Bau von Krankenhäusern und Schulen, der Tod des Menschenfreundes , ist ein anderer als der für die egoistischen Machtansprüche eines Landes oder einer Ideologie … Ein Dickicht von Fragen tut sich hier auf. Wie sinnlos bleiben die Opfer - jedes ein einmaliges Menschenleben! Wie verstörend aber auch , wenn uns Friedliebenden in der Frage deutscher militärischer Einsätze im Ausland die Meinung entgegentritt : Ist unser Land nicht einst selbst so befreit worden? Andere waren bereit , für uns zu sterben.
VIII
‚Und einer sah über’s Ährenfeld / und fühlte sein Auge brennen …‘ Augen und Herz : ‚Niemand hat eine größere Liebe als der , der sein Leben hingibt für seine Freunde‘. Daß dieses Zeugnis des zum Kreuz Gehenden uns unvergeßlich bleibt, daß wir ratlos und ahnungsvoll zugleich , freudig und mutig unseren Freund ehren , in seinem Gebote und seiner Liebe bleiben– das ist meine Bitte. ‚Für dich könnte ich sterben‘- möge dieser Satz auch diesseits (oder jenseits) der Jugendschranke nicht gänzlich sinnlos oder ortlos in unserem Leben werden. Schließlich aber :Der Stachel der Märtyrerkirche bleibe uns. Im Tod zeigte sich , ob es Jesus ernst war … oder ob er nur – Sprüche geklopft hat.
* B. Brecht, Sämtliche Gedichte, 9.Aufl. 1997, S.8 (Karfreitag.Prolog.Epilog)
** K. Berger , Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangelisten ,1997, S. 298
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