Predigt zu Johannes 15,1-8 von Christoph Hildebrandt-Ayasse
15,1-8

 

(1) Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner.
(2) Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe.
(3) Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.
(4) Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, so auch ihr nicht, ihr bleibt denn in mir.
(5) Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.
(6) Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.
(7) Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen.
(8) Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.

Liebe goldene und diamantene Konfirmanden, liebe Gemeinde,

ein Pfarrer hat eine Mäuseplage in seiner Kirche. Er klagt es seinem Kollegen. Ach, sagt dieser, das hatte ich auch einmal. Und was hast du da gemacht? Nun, ich habe die Mäuse einfach alle konfirmiert. Danach sind sie meiner Kirche ferngeblieben. Und ich habe sie nie wieder gesehen.

Ich weiß nicht wie es bei ihnen, liebe Jubilare, damals war vor 50 und vor 60 Jahren. Sind Sie auch aus ihrer Kirche heraus konfirmiert worden? Sind sie ihrer Kirchengemeinde nach der Konfirmation auch ferngeblieben? Oder sind Sie Ihrer Kirche treu geblieben?

Es geht um das Bleiben. Bleibt in mir, sagt Jesus hier im Johannesevangelium. Und er sagt dies zu seinen Freunden, als er Abschied von ihnen nimmt. Es war ein entscheidender Einschnitt im Leben der kleinen Gemeinschaft um Jesus, von dem das Johannesevangelium hier berichtet. Vom Schauen mussten die Jünger zum Glauben kommen. Von der selbstverständlichen Gegenwart Jesu Christi zum Vertrauen auf seine Nähe. Ihr Glaube musste sich nun bewähren im Alltag. Einfach und unmittelbar war er nicht mehr, der Glaube an Gott, jetzt da Jesus nicht mehr so ganz einfach da war. Auf eigenen Füßen mussten die Jünger nun stehen. Mussten selber groß sein, mussten selber glauben.

Es macht einen guten Sinn, dass die Konfirmation an der Schwelle zum Erwachsenwerden steht. Mit 14,15 Jahren ist man kein Kind mehr. Das ändert sich viel. Da ändert sich auch der einfache, anschauliche Kinderglaube. Da beginnt man sich so seine eigenen Gedanken zu machen. Über die Welt, über Gott, über das Leben. Und da steht dann die Konfirmation an, mit der Aufforderung, „Ja“ zum Glauben, „Ja“ zu Jesus Christus zu sagen.

Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen damals vor 50 und 60 Jahren war. War es bei Ihrer Konfirmation ein „Ja“ aus voller Überzeugung heraus? Oder eines, weil es sich eben so gehörte? Weil es einfach dazu gehörte? Vielleicht war es sogar ein „Ja“ gegen die eigene Familie, die von Kirche und Glauben nicht so viel hielt? Und vielleicht ist dieses „Ja“, das Sie damals gesagt haben, erst später in Ihrem Leben Ihnen so richtig bewusst und wichtig geworden. Da gäbe es, glaube ich, viel zu erzählen. Davon, wie es damals war, an Ihrer Konfirmation, als Sie „Ja“ zu Jesus gesagt haben. Das können wir nachher ja beim Gespräch beim Mittagessen nachholen.

Sie haben viel erlebt, gelebt und geglaubt seit Ihrer Konfirmation damals; oder wenig. Wo ist nur die Zeit geblieben?

Es geht ums Bleiben. „Bleibt in mir und ich in euch“, sagt Jesus zu uns.  Und um das zu verdeutlichen, verwendet er das Bild vom Weinstock und den Reben. Ein ganz einfaches und einleuchtendes Bild. Kraft und Lebenssaft erhalten die Reben vom Weinstock. Ohne Weinstock gäbe es keine Reben und damit auch keine Früchte, keine Weintrauben. Eine Weinrebe, abgeschnitten, abgerissen, abgetrennt vom Weinstock verdorrt und taugt nur noch als Brennholz. Und ein Weingärtner pflegt seine Rebstöcke, damit sie viele Trauben bringen. Da muss machen Rebe weg, damit an den starken Reben später viele Trauben hängen. Und saftige, pralle und süße Weintrauben sind ein Genuss für andere und der Stolz des Weingärtners.

„Ich bin der Weinstock“, sagt Jesus, und ihr, liebe Jubiläumskonfirmanden, liebe Gemeinde, „ihr seid die Reben.“ Ein schönes, einfaches und anschauliches Bild für ein Leben aus dem Glauben. In Jesus bleiben, an ihm hängen, wie eine Rebe am Weinstock bringt Lebenskraft und Glaubensfrüchte. Und im Verlauf unseres Kapitels aus dem Johannesevangelium wird als Glaubensfrucht die Liebe untereinander, die Nächstenliebe genannt werden. Dazu könnten nun viele Beispiele genannt werden. Beispiele dafür, wie Menschen aus dem Glauben heraus für ihre Nächsten tätig werden und Gutes tun und Gutes Bewirken. Glaube, Hoffnung, Liebe, mit diesem Dreiklang beschreibt der Apostel Paulus diesen Lebensfluss, diesen Kraftstrom vom Weinstock über die Rebe hin zur Frucht. Ein schönes Bild: „ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ Ein schönes, einfaches Bild und Beispiel aus der Natur für das Leben als Christ.

Aber so einfach, wie das Bild vom Weinstock und den Reben es uns hier vor Augen malt, ist es in einem Christenleben nicht. In Christus bleiben: ein ganzes Leben; oder eben: seit der Konfirmation? Gibt es nicht auch Zweifel: das Gefühl, vom Glauben, von Jesus Christus abgeschnitten, getrennt zu sein; und Momente ohne Lebenssaft und - kraft? Augenblicke ohne Glaube, Hoffnung und Liebe. Und: aus dem Glauben heraus viel Frucht bringen: gelingt das immer wieder in tätiger Nächstenliebe? Ach, wenn es so einfach und natürlich wäre, wie im Bild beschrieben, wäre es wunderbar. Manchmal fühlen wir uns doch eher wie so eine nutzlose, verdorrte Rebe die der Weingärtner abgeschnitten hat, weil von ihr nichts zu erwarten ist, weil wir nicht gut genug sind, nicht kräftig genug glauben können.

Was hier in dem Bild aus der Natur vom Weinstock und den Reben so natürlich und selbverständlich uns vor Augen gemalt und in Worte gefasst wird, das scheint zu vollkommen zu sein. Da passen wir nicht in das Bild. Und das Bild scheint nicht zu passen. Da sprengt das Bild, der Bildinhalt den Rahmen. Manchmal lässt sich das, was man sagen will, nicht so ganz in ein Bild fassen. Und, haben Sie es bemerkt?, das ist auch bei unserem Bildwort vom Weinstock und den Reben so.

„Bleibt in mir und ich in euch. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun“, sagt unser Bildwort. Aber welche Rebe kann von sich aus entscheiden, am Weinstock zu bleiben; so, als hätte sie eine Wahl? Hier passen Bild und Inhalt nicht so ganz zusammen. Die Weinrebe kann schließlich nicht von sich aus wählen, ob sie am Weinstock bleibt oder nicht. Aber wir können wählen, ob wir zum wahren Weinstock Jesus Christus gehören wollen oder nicht.

Aber nein, so stimmt das auch nicht. Erinnern sie sich an Ihre Konfirmation? Bevor Sie Ihr „Ja“ zum christlichen Glauben sagten, hatte Gott schon längst sein „Ja“ zu Ihnen gesagt. Bevor wir uns entscheiden, hat Gott sich schon für uns entschieden. „Ihr seid die Reben“, sagt Jesus. Wir dürfen Reben am Weinstock Gottes sein. Können aus Jesus Christus Glaube, Liebe und Hoffnung als Kraft für unser Leben bekommen und weiter geben, wenn die Worte Jesu in uns bleiben. Dann ist es möglich, und noch viel mehr.

Es geht um das Bleiben. „Bleibt in mir und ich in euch.“ Darauf kommt es an. Und das kann im Laufe eines Lebens sehr unterschiedlich aussehen.

Ich kenne nicht wenige Christenmenschen, die würden nie von sich aus wagen zu behaupten, besonders gute Christen zu sein; besonders kräftige, eng verbundene Reben am Weinstock. Und sie gehen auch nicht davon aus, dass sie irgendwelche prachtvollen Früchte ihres Glaubens herzeigen können. Und doch sind sie ein wunderbarer Segen für ihre Mitmenschen und ihre Gemeinde, oft ohne dass sie es wissen oder wahrhaben wollen. Sie leben einfach ihren Glauben. Eine ganz natürliche Sache, so vermittelt uns es das Bildwort vom Weinstock und den Reben.

Dass es doch nicht so ganz einfach und natürlich ist, das merken wir in unserem Leben. Da geht viel Wind und Sturm, viel Kälte, Frost und Hitze über einen hinweg im Leben, auch im Glaubensleben. Ich möchte das Bildwort vom Weinstock hier nicht überstrapazieren. Aber an einem Tag wie heute gehen aber auch die Erinnerungen zurück an all das, was Sie in den vergangenen 50 oder 60 Jahren seit Ihrer Konfirmation erlebt haben. Es geht um das Bleiben. „Bleibt in mir und ich in euch.“ Bei allen Veränderungen im Leben.

Von Martin Luther stammen die schönen Sätze: „Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, aber es ist der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles.“

Amen

Perikope
26.04.2015
15,1-8