Predigt zu Johannes 16,23b-28(29-32)33 von Markus Kreis
16,23-33

Die Lichtschranke, die das Gute im Einbrecher erfasst - oder – eine fragliche Geheimtür: Einfach mal die Klappe halten! Raus mit der Sprache!

Liebe Gemeinde,

der Mensch vor Gottes Reich ist wie ein Straffälliger, der nächtens den Plattenweg zu einem dunklen, stillen Haus betritt. Und der in der Klarheit des bei Besuch per Lichtschranke erhellten Eingangsvorraums erkennt, dass er leicht einbrechen kann: denn die Tür ist zwar zugezogen und versperrt worden, der ausgefahrene Riegel gelangte aber nicht in die für ihn vorgesehene Aussparung der Zarge, sondern befindet sich knapp daneben im Freien. 

Es gibt immer noch Menschen, die da hinein gehen, ihrer Wohlanständigkeit oder Straffälligkeit oder ihrem Sünderleben zum Trotz. Weil sie glauben und darauf vertrauen, dass es sich hier um eine von den vielen Wohnungen des Vaters handelt. Weil sie glauben und darauf vertrauen, dass Jesus ihnen als Lichtquelle Gottvater erkennbar macht. Und dass Jesus als verborgen offene Tür ihnen Gottvater zugänglich macht.

Weil sie darauf vertrauen, dass bei diesem Einbruch weniger sie bei Gott als umso mehr Gott bei Ihnen ins Lebensgehäuse einbricht - wie ein Dieb in der Nacht, der ihnen wegnimmt, was sie belastet und sie so zu neuer Freiheit und neuem Handeln führt. Diese Menschen, denen mit und trotz dem Einbruch Vergebung geschenkt wird, die heißen Kirchenzugehörige.

Der Mensch vor Gottes Reich ist wie ein Straffälliger, der nächtens den Plattenweg zu einem dunklen, stillen Haus betritt. Und der in der Klarheit des bei Besuch per Lichtschranke erhellten Eingangsvorraums erkennt, dass er leicht einbrechen kann: denn die Tür ist zwar zugezogen und versperrt worden, der ausgefahrene Riegel gelangte aber nicht in die für ihn vorgesehene Aussparung der Zarge, sondern  befindet sich knapp daneben im Freien. 

Und es gibt Menschen die dann da nicht hinein gehen. Vielleicht sehen sie sich nicht als Straffällige oder Sünder, sondern sie sehen sich als redliche und anständig Leute. Oder eventuell schöpfen sie Verdacht, einer Falle aufzusitzen, in die Hände des Gesetzes zu geraten. Es gibt welche, die abgeschreckt sind vom Licht. Menschen, welche diese überraschend offene Tür für eine geheime Falltür halten, die sie in lauter Unbill und Zwangslagen führt.

Was erzeugt dieses Misstrauen? Vor was schrecken solche Menschen zurück? Ist es die aufscheinende Lichtquelle? Zucken sie angesichts der verborgen offenen Tür zurück?

Unter uns Menschen wird gläubiges Vertrauen vermittelt durch Kommunikation. Dabei kommt es natürlich nicht nur auf die Gesprächsinhalte an, sondern auch auf die Art und Weise, wie Kirchenzugehörige mit der Welt reden, und wie sie untereinander reden, und ob sie dementsprechend miteinander umgehen.

Bezüglich der aufscheinenden Türvorraumbeleuchtung heißt das: Sind es die christlichen Behauptungen, Aussagen und Ansprüche, die vom Einbruch Gottes abschrecken - eventuell weil sie unbekannt sind? Oder weil sie unverständlich sind? Oder zwar verständlich, aber inhaltlich komplett inkompatibel mit den durchschnittlichen gesunden Menschenverstand?

Ist es der kognitive Gehalt, der christliche Sätze bei solchen Menschen im Status beliebiger Meinungen belässt. Meinungen, welche kaum eine Chance haben, zu einer Überzeugung zu werden?

Oder spielt die nur scheinbar geschlossene, in Wahrheit verborgen offene Tür eine Rolle? Zucken die verhinderten Gotteseinbrecher zurück vor den Empfindungen, Motivationen und Leidenschaften, die im gegenseitigen Reden und Hören der Kirchenzugehörigen aufleuchten?

Sind die Gefühlsäußerungen an sich nicht nachvollziehbar für einen heutigen Menschen? Oder stehen die ausgedrückten Gefühle in einem Missverhältnis zu den geäußerten Ansichten? Leuchtet bei einer Vergebungszusage noch Rachgier auf? Oder Schwäche, die sich als Stärke zu decken versucht?

Eine Entschuldigung anzunehmen ist ein gesellschaftlich erforderliches Ritual geworden - so sehr dass Missetäter oft gar nicht mehr ihre Opfer darum bitten, sondern den kompletten Entschuldigungsakt verbal gleich selbst und allein vollziehen: Ich entschuldige mich!

Ohne Rücksicht darauf - Ich entschuldige mich! - dass ihr Gegenüber vielleicht noch etwas Zeit benötigt, um wahrhaft vergeben zu können. Zeit, die der Leidtragende braucht, damit er den erlittenen Verlust tatsächlich verschmerzen und quasi mit allen Sinnen ausgleichen kann.

Wie dem auch sei – ob nun die aufscheinende Lichtquelle oder die verborgen offene Tür abschreckt und zurück zucken lässt - da hilft nur das Gebet und die Bitte, dass potentielle Einbrecher bei Gott die gute Gelegenheit nutzen, ihr Misstrauen verlieren und keine Angst mehr davor haben, in lauter Unbill, Zwangslagen oder gar Fallen zu geraten.

Da hilft nur Bitte und Gebet. Das gilt auch für uns Kirchenzugehörige, vor allen Dingen, wenn unser Bitten und Beten für die potentiellen Einbrecher auf seine Wirkung warten lässt. Wenn die Kirche vielen Weltmenschen weiterhin uninteressant oder gar abstoßend erscheint.

Dann mag es zugehen, dass wir darüber in Angst und Zweifel tauchen, dass unsere Zuversicht auf die vergebende Macht Gottes zu schrumpfen beginnt wie Luftblasen im Wasser. Wenn die fragliche, verborgen offene Tür sich für uns in eine irreführende Geheimtür zu verwandeln scheint, in eine Illusion, in eine Täuschung. Dann hilft nur das Bitten und Beten für einen selbst, um Gottvertrauen und Selbstvertrauen, um Glaube und Gewissheit.              

Beten für einen selbst, das heißt: Raus mit der Sprache!  - Oder einfach mal die Klappe halten! Ja, was jetzt? Was steht an? Reden oder Schweigen? Silber oder Gold? Klappe halten oder Raus mit der Sprache?

Vielleicht ist das die falsche Alternative. Vielleicht geht es gar nicht um eine Alternative. Vielleicht geht es um eine Entscheidung ohne die Möglichkeit zu wählen. Vielleicht geht es um Einfach mal die Klappe halten! und Raus mit der Sprache!

Raus mit der Sprache – das kann zum zweiten bedeuten: hinweg mit der Sprache, hinaus mit ihr: kein Geständnisse, kein Geschwätz, keine Verlautbarungen, keine Sonntagsreden, kein Salbadern - Verstummen, Schweigen, Stille, nicht einmal Säuseln von Atem und Atmosphäre, lautlose Leere...

Und wer meint das so? Sagen kann er es ja schlecht, jedenfalls nur um den Preis, dass er sich selbst widerspräche. Wessen Wille ist das? Einfach mal die Klappe halten! und Raus mit der Sprache!

Gottes Wille und Schweigen ist es. Er meint es so und will das so haben und richtet sich selbst danach: Einfach mal die Klappe halten! und Raus mit der Sprache!

Gott wäre nicht Gott, wenn das zuvorderst nicht für ihn selbst gälte, wenn das zuallererst nicht für sein Leben zuträfe: Einfach mal die Klappe halten! und Raus mit der Sprache! Am Kreuz verstummte Gottvater und im Grab Jesu unterbrach er mit keinem Laut dessen Stille. Und in unserem Predigttext erwähnt Jesus sein Ende und andauerndes Fortgehen mit keinem Wort gegenüber seinen Jüngern. Zu unaussprechlich ist das alles, bevor es sich zuträgt, selbst in Gott.

Und was für Gott selbst gilt und zutrifft, das trifft und gilt uns Menschen, seinen Geschöpfen. Und als seine Geschöpfe genügen wir schließlich seinem Willen und kommen ihm nach, halten einfach mal die Klappe! und Raus mit der Sprache! Zuweilen überkommt das uns - sogar ohne lautlose Leere mit Labern zu überlagern.

Raus mit der Sprache! – Diesem Befehl wissen wir uns schwer zu entziehen, wenn uns Verstummen, Schweigen, Stille, wenn uns nicht einmal das Säuseln von Atem und Atmosphäre, sondern lautlose Leere widerfährt...

Raus mit der Sprache! – Diesem Befehl wissen wir uns schwer zu entziehen, wenn uns aus unserer eigenen Innenwelt Verstummen, Schweigen, Stille erheischt, wenn uns nicht einmal das Säuseln von Atem und Atmosphäre, sondern lautlose Leere anschleicht...

Raus mit der Sprache! – Diesem Befehl wissen wir uns schwer zu entziehen, wenn uns von Seiten unserer Mitmenschen Verstummen, Schweigen, Stille, wenn uns von ihnen nicht einmal das Säuseln von Atem und Atmosphäre, sondern lautlose Leere widerfährt.

Raus mit der Sprache! Klappe zu! Gott tot! Raus mit der Sprache! Sie haben recht gehört, Gott unterstellt sich dem Befehl, dem wir uns so schwer entziehen können. Gott rückt raus mit der Sprache.

Es mag so sein, dass Gott und die Farbe des Papiers sich nicht beschreiben lassen, dass das Höchste und das Tiefste also die Unbeschreiblichkeit teilen, wie Ortega y Gasset sagt. Und doch gilt gleichfalls: Gott beschreibt sich selbst. Gott rückt mit der Sprache raus.

Raus mit der Sprache! – Dank Gottes allmächtiger und herrlicher Liebe kann dieser Satz zweierlei zugleich bedeuten: Verzicht auf Sprache und Hervorbringen von Sprache. Gott kann und will dank seiner beziehungsreichen Allmächtigkeit und Herrlichkeit gut mit diesem Gegensatz leben.

Gott beschreibt sich selbst. Gott rückt mit der Sprache raus. Und wenn er als der Herr der Heerscharen ausrückt mit der Sprache, dann ergeht sein Wort mit Macht. Es erfüllt lautlose Leere, es überlagert und durchtönt alles leutselige Labern und Verlautbaren.

Es wirkt, unabhängig vom selektiven Empfang kirchlicher Hörer. Gottes Wort bricht erneut gewiss bei uns ein - trotz der durch Studien erforschten Tatsache, dass Christen, wie andere Menschen auch, beim Zuhören nur das behalten, was sie in ihren erlernten Auffassungen bestätigt.

Beten wir in unserer Sprache, dass Gottes Sprechen Hören und Reden erneuere. In Jesus hat der Mensch schließlich Gott die Urheberrechte und das Copyright abgenommen. Der Mensch hat also Gott als Urheber akzeptiert und ist selber Urheber, in dem er Gottes Urheberschaft unter den Menschen verbreitet.

Amen.

Perikope
10.05.2015
16,23-33