Predigt zu Johannes 2,1-11 von Lucie Panzer
2,1-11

Predigt zu Johannes 2,1-11 von Lucie Panzer

Schon wieder vier Wochen, seit wir Weihnachten gefeiert haben. Bei den allermeisten ist der Baum abgeräumt, das Glitzerzeug steht wieder auf dem Speicher.

Wo ist der Glanz der Feiertage geblieben und die Hochstimmung trotz der vielen Arbeit, die man sich gemacht hat? Die Freude, dass die Kinder kommen, das Gefühl: Ist doch schön, dass wir zusammen gehören? Die Freude am Leben, die sich ausbreitet, wenn man singt: „Freue dich, o Christenheit“? Jetzt ist wieder Alltag. Da singt man nicht. Und von dem Familienfest ist womöglich irgendeine Missstimmung geblieben. Jetzt kommen wieder 360 Tage Alltag: Da muss jeder für sich allein sehen, wie er durchkommt.

Was bleibt vom Fest, am 18. Januar? Was bleibt von den schönen Worten aus der Weihnachtsgeschichte, die man doch glauben möchte? Was bleibt vom Frieden auf Erden? Und die Menschen seines Wohlgefallens? Wo sind sie? Es gab Predigten und Bischofsworte, da hieß es: Wir wollen gut miteinander leben in den Familien und als Nachbarn. Wir wollen uns Mühe geben mit den Fremden unter uns, mit den Muslimen. Wir wollen den Flüchtlingen beistehen. Und jetzt hat uns vor eineinhalb Wochen dieses Attentat in Paris erschüttert. So viele Tote, so viel Schrecken. Waren das doch nur schöne Worte an Weihnachten, ein schöner Traum bestenfalls und nun, im Alltag müssen wir Angst haben und uns abgrenzen und schützen und wehren und verteidigen  - so wie die Soldaten, die über die Feiertage ein paar Stunden Feuerpause haben und dann geht es weiter mit dem Krieg?

Ja, so ist das wohl, sagen viele vernünftige Erwachsene. Die guten Tage haben immer schnell ein Ende. Nach der Hochzeit kommt der Alltag, da kann man nichts machen. So ist das halt. „Jede Blüte welkt und jede Jugend“, sagt der Dichter. Kein Fest kann ewig dauern.

Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass von alters her für diesen Sonntag, vier Wochen nach dem Fest eine Geschichte als Predigttext vorgeschlagen ist, die uns erinnert, wie schnell so ein Fest ein Ende findet. Und die uns erzählt, wie es weitergehen kann mit dem Fest – wenn, ja, wenn wir auf Jesus hören.

Ich lese aus dem Johannesevangelium Kap 2, die Verse 1-11

Kein Wein mehr da! Was für ein Unglück. Was für eine Blamage. Stellen Sie sich vor, bei Ihrem Geburtstagsfest reicht das Essen nicht. Oder der Wein. Oder das Bier geht aus. Ein Albtraum für jede Hausfrau! Erst recht im gastfreundlichen Orient, wo Feste noch opulenter, noch großzügiger gefeiert werden als bei uns. Und so wie Johannes die Geschichte erzählt, meint er sicher nicht nur irgendein Fest, bei dem zufällig Jesus als Gast eingeladen war. Der Wein galt damals als Ausweis guten, festlichen Lebens überhaupt. Damit geht es schnell zu Ende, wenn man nicht aufpasst. Ich glaube, dass will Johannes uns mit seiner Geschichte sagen.

Eine Hochzeit: Das Fest der Liebe steht auf der Kippe. Wir hören das knapp 4 Wochen nach Weihnachten, drei Wochen nach Neujahr mit seinen guten Vorsätzen, Jahre nach der eigenen Hochzeit vielleicht, 10 Tage nach dem schrecklichen Attentat in Paris. Es gibt keinen Wein mehr. Nur noch Wasser. Wenn jetzt nicht ein Wunder geschieht, ist alles aus. Die Menschen werden Streit anfangen, wer nun Schuld daran ist. Sie werden auseinander laufen, enttäuscht die einen, beschämt die anderen, manche verängstigt –wie soll das jetzt weitergehen?

Ich glaube: Es gibt viele Gründe, wie es so weit kommen kann. Vielleicht war das Brautpaar zu geizig, hat zu wenig investiert in das Fest und in die Beziehung. Vielleicht sind mehr Gäste gekommen, als erwartet, vielleicht sind die Belastungen und Anforderungen größer als angenommen. Vielleicht sind die Widerstände zu groß, die Menschen, mit denen man zu tun hat eben doch nicht alle „guten Willens“. Das macht einem das Leben schwer und das Feiern erst recht. Da muss man mit Streit und Auseinandersetzungen rechnen: Wer hat denn nun Schuld, dass es nicht klappt? Wie bei einer Hochzeit, bei der der Wein ausgeht.

Maria ist anscheinend die erste, die davon redet. Aber sie redet nicht mit irgendwem. Sie schürt nicht Enttäuschung und Empörung bei den anderen Gästen und erzählt es herum: „Stellt euch vor, sie haben keinen Wein mehr! Was sind das bloß für Leute? Wären wir bloß nicht erst her gekommen.“ Sie beschämt nicht die Gastgeber: „Wie konnte denn das passieren? Für so eine Sache gibt es keine Entschuldigung!“ Nein. Maria weiß, an wen sie sich wenden muss. Maria redet mit Jesus. Ich glaube, das wäre in den meisten Fällen das Beste, wenn der Wein ausgeht – die Begeisterung, die Freude im und am Leben. Wenn man nicht mehr weiß, wie es weitergehen und wo neue Energie herkommen soll: Mit Jesus reden. Ich würde lieber sagen: Mit Gott reden. Ihm klagen, ihm sagen, wo das Problem liegt. Meine Erfahrung ist: Beim Beten klärt sich viel. Schon allein, weil ich mir Zeit nehmen und Zeit geben muss um es zu formulieren, was mir auf der Seele liegt. Mit Gott reden. Mit Jesus reden-. Für Maria ist das der erste Schritt, als es ein Problem gibt.

Dann kriegt sie eine herbe Abfuhr von ihrem Sohn. Mütter, die auch Söhne haben, können sich vielleicht vorstellen, wie das manchmal ist. Aber Maria lässt sich nicht beirren. Sie sagt nicht: „Du kannst mich mal gerne haben!“ Sie begreift: Er kann nicht einfach machen, was ich von ihm will. Aber sie vertraut ihm, auch, wenn es zunächst gar nicht  so aussieht, als ob er helfen wollte. „Was Jesus euch sagt, das tut!“ Für mich ist das der Mittelpunkt dieser Geschichte. Was Jesus euch sagt, das tut. Statt das ihr euch in Grund und Boden schämt, statt dass ihr verzweifelt, statt dass ihr auf ein Wunder wartet: „Was Jesus euch sagt, das tut!“

Und was sagt Jesus? „Füllt die Krüge mit Wasser!“ Die Riesenkrüge, die in jedem Haus am Eingang standen für die Gäste zum Füßewaschen. Während des Festes waren die anscheinend auch leer geworden. Also auf! Füllt sie mit Wasser. Das ist Arbeit, gewiss. Da muss man ein paarmal zum Bach laufen oder zum Brunnen. Da muss man ganz schön schleppen. Aber andererseits: Es ist eigentlich nichts Besonderes. Kein Wunder ist nötig. Sie müssen nicht Übermenschliches vollbringen, damit das Fest weiter geht. Sie müssen nicht selber das Fest am Laufen halten, wie auch immer. Sie müssen nicht Erklärungen abgeben, um Verzeihung bitten, gute Vorsätze verkünden. Sie sollen tun, was ihre Aufgabe ist. Sie sollen tun, was den Alltag leichter macht. Damit die Gäste sich erfrischen können. Ihre Pflichten sollen sie erfüllen. Jetzt nicht sagen: Na, wenn es schon so weit gekommen ist: Dann hat das doch sowieso keinen Sinn mehr. Auch wenn es jetzt gerade vielleicht nicht so viel Freude macht, auch wenn es ein bisschen anstrengend ist: Sie sollen das Leben erträglich halten mit dem Waschwasser in den Krügen.

Und da geschieht das Wunder! Das Wasser schmeckt wie bester Wein. Das Wasser wird zu Wein. Auch wenn ich mir dieses Phänomen nicht erklären kann, entspricht das doch meiner Erfahrung: Wenn man sich bemüht, wenn man nicht aufgibt, wenn man für den Alltag sorgt,  wenn man sich umeinander sorgt: Dann können Wunder geschehen. Dann kann das Fest weiter gehen.

Zweierlei sagt mir diese Geschichte für meinen Alltag, wenn es nur Wasser gibt und der Wein ausgegangen ist. Erstens: Jesus will, dass das Fest weiter geht. Und zweitens: Man kann etwas tun. „Was Jesus sagt, das tut!“

Jahre nach der Hochzeit, wenn die Ehe im Alltag versandet und die Beziehung zu vertrocknen droht. Dann kann man etwas tun. „Füllt die Krüge mit Wasser!“ Macht einander das Leben leichter. Tut eure Pflicht. Sucht nicht bloß nach dem Schuldigen. Macht ab und zu ein besonders gutes Frühstück am Sonntag. Lobt, was der andere gekocht hat, und sagt, wie gut so ein entspanntes Essen tut. Fragt, was die andere bedrückt. Nehmt Anteil. Sucht nach ein paar guten Worten. Lest euch gegenseitig vor. Nichts Besonderes eigentlich. Bloß wieder Wasser in den Krügen. Damals haben sie erlebt, wie daraus Wein wurde. Vielleicht sollten wir darauf vertrauen?

Wenn die großen Worte von Integration und guter Nachbarschaft bei manchen nur noch Hohn und Spott auslösen: Ihr seht ja, wohin man damit kommt, sagen jetzt viele, der Islam ist eine Bedrohung. Wir haben es doch gewusst. Dann gilt erst recht, was Maria rät: „Was Jesus euch sagt das tut“. Jesus hat Nächstenliebe empfohlen, damit das Leben friedlich und freundlich bleiben und zu einem fest werden kann. „Wenn ihr aber nur die liebt, die genauso sind, wie ihr, was ist das Besonderes?“ hat er gefragt. Deshalb jetzt erst recht: „Was Jesus euch sagt, das tut!“ Nehmt Kontakt auf zu den Muslimen und Flüchtlingen. Lasst sie spüren, dass sie willkommen sind. Wer integriert ist und Arbeit und Freunde hat, wer Wasser zum Leben hat – der wirft sein Leben nicht so leicht weg und wird zum Kämpfer. Wenn das Alltägliche klappt, wenn Wasser in den Krügen ist – dann wird das Zusammenleben leichter. Dann kann das Fest weiter gehen.

Und wenn der Alltag grau geworden ist, wenn der Weihnachtsglanz wieder so unglaublich weit weg scheint? Wenn „O du fröhliche“ nicht mehr passt? Holt Wasser! Es braucht gar nicht so viel, damit Freude ins Leben kommt. Rafft euch auf zum Sport, verabredet euch für das Wochenende zum Spazierengehen oder Radfahren! Bewegung setzt Endorphine frei und Endorphine machen glücklich. Oder: Versucht es mit Musik! Jeden Abend eine CD oder wenigstens das Radio einschalten. Musik kann einen umstimmen, von moll nach Dur. Singen hilft noch besser. Man könnte es in einem Chor versuchen. In Stuttgart, habe ich gelesen, gibt es sogar einen Chor für Leute wie mich, die gern singen aber nicht wirklich singen können. Oder im Gottesdienst am Sonntag! Ich gehe, ehrlich gesagt, auch deshalb so gern zum Gottesdienst, weil man dort singen kann und keiner merkt, ob man schön singt oder nicht. Wenn die Musik einen aufrichtet, wenn man zu singen anfängt: dann sieht der Alltag anders aus. Freundlicher. Heller. Festlicher. Das gibt Kraft für die dunklen Stunden. Für die Durststrecken. Ein Arbeitskollege versucht es jetzt mit einem Dankbarkeitskalender. So ein einfacher Küchenkalender ist es mit einer Zeile für jeden Tag. Da trägt er jeden Abend ein zwei Worte ein: was schön war am vergangenen Tag. Das baut einen auf, sagt er, für den nächsten.

Wasser in den Krügen. Mehr braucht es oft nicht. Für das Wunder sorgt Gott.

Amen