Predigt zu Johannes 6, 30-35 von Katharina Coblenz-Arfken
6,30
Liebe Gemeinde,
Es ist die Zeit angebrochen, in der die meisten von uns die schönsten Tage des Jahres genießen – den lang ersehnten Urlaub.
  Wer hat sich da nicht schon im Stillen eine Wunschliste ausgedacht?
  Ich möchte den Alltag hinter mir lassen.
  Ich möchte Abstand gewinnen zu Pflichten und Problemen.
  Ich möchte mich der Schönheit der Landschaft öffnen.
  Ich möchte einfach wieder auftanken.
  Ich möchte meinen Nächsten wieder näher kommen.
  Die Liste lässt sich beliebig erweitern.
  Noch etwas möchte ich ihr hinzufügen, denn ich wünsche mir, uns allen:
  Ein offenes Ohr für das Wort, worauf es ankommt,
  einen neuen Blick für das, was wesentlich ist,
  einen neuen Anfang, der im Alltag seine Fortsetzung findet,
  eine neue Begegnung mit Gott.
Wir haben als Evangelium die wunderbare Geschichte gehört, wie ganz viele durch ganz wenig satt wurden durch fünf Brote und zwei Fische.
  In diesem 6. Kapitel des Johannesevangeliums heißt es dann - als die Menschen Jesus wieder gefunden hatten:
  Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?
  Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht: „Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen“.
  Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, was vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.
  Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.
  Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Liebe Gemeinde, ist es nicht so - immer wieder und zu allen Zeiten wollen Menschen ein Zeichen sehen, etwas außergewöhnliches, das ihnen glaubhaft macht, dieser Jesus ist der Mensch, dem sie vertrauen können, in dem Gott in die Welt kommt und uns aus allem Elend hier herausreißen kann.
  Ein Zeichen – so richtig mit Überzeugungskraft soll es sein.
  Dass Tausende satt wurden, obwohl kaum etwas da war, was sind schon fünf Brote und zwei Fische – das galt offensichtlich schon nicht mehr. Die Wortführer erinnerten sich an Geschichten früherer Zeiten, Da gab es schon einmal Brot vom Himmel. Manna wuchs in der Wüste als das Volk Israel am Verhungern war auf seinem Weg in das gelobte Land. Mose hatte es ihnen gegeben.
  Jesus lässt sich auf diese alte Geschichte nicht festlegen. Er korrigiert vielmehr ihre Sichtweise: Nicht Mose hat euch Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das rechte Brot vom Himmel. Er holt sie damit aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Gott gab nicht nur, Gott gibt euch das rechte Brot vom Himmel.
  Wer will das nicht haben? Ein Brot, das der Welt Leben gibt. Das wäre es doch unter den Dutzenden von Brotsorten, die heute im Angebot stehen. Ein Brot, das der Welt Leben gibt.
  So spricht Jesus den entscheidenden Satz:
  Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
  Das ist das wahre Angebot.
  Es geht dabei weder um wundersame Zeichen, noch um wundersame Brote.
  Jesus selbst stellt sich in die Mitte und sagt: Ich bin. Ich bin das Brot. Ich bin alles, was du zum Leben brauchst.
  Hier wird eine neue Dimension des Seins eröffnet. Praktisch wird über und durch alles, was ist, eine neue Struktur gelegt. Mit seinem Sein verbürgt Jesus dies. Deshalb kam er in die Welt als Gottes Versuch, sie zu sich zu ziehen. Er lebte so für uns, wie Gott es will. Das alles können wir in den Evangelien nachlesen. Jesus traute den Menschen ein glückendes Leben zu und löste sie damit aus krank machenden Mustern. Der Satz galt: Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Und er gilt noch immer – auch heute für uns.
  Spüren sie die große Sprengkraft, die in diesen Worten liegt?
  Wer sich auf Jesus einlässt, dessen Hunger nach Leben wird gestillt.
  Der wahre, der echte Hunger nach Leben.
  Nicht die Gier. Auch nicht das In sich Reinfressen und Maßlos-Sein.
  Der Schriftsteller Hanns Cibulka hat dies schon vor 20 Jahren i einem Lagebericht in seinen Ostseetagebüchern beschrieben und verdichtet:
  Wir,
  die Unzufriedenen,
  die im Überfluss leben,
  wir,
  die auf Wert und Gegenwert aus sind,
  wir,
  die alles besitzen,
  von dem unsere Väter nur geträumt,
  plötzlich stehen wir da,
  mit zu wenig Dasein
  in der Hand …
Genau dieses „zu wenig Dasein“ wird von Jesus angesprochen.
  Brot ist etwa, das wir teilen. Wie viele Menschen haben mitgewirkt, damit ein Brot auf unseren Tisch kommen kann. Der Bauer, die Müllerin, der Bäcker, die Verkäuferin. Es sind schon fast antiquierte Berufsbezeichnungen geworden. Wir sprechen heute schon von Nahrungsmittelindustrie und wissen, dass sie auch von lebensschädlichen Motiven durchsetzt ist, wenn die Überlegung Vorrang bekommt, wie kann ich mit billigsten Stoffen den größten Profit erwirtschaften. Und ich frage mich weiter, sind Brot und Fisch noch wirkliche Lebensmittel, z.B. wenn letztere vor Japan gefangen werden? Fukushima hat die Weltmeere auf Jahrtausende vergiftet, verstrahlt. Damit müssen wir nun leben. Aber bei der ganzen Ausstiegsdebatte aus der Atomkraft habe ich die Reue vermisst, die Buße und damit die Bereitschaft, den Lebensstil zu ändern.
  „Der Mensch
  im Strahlengeviert:
  Im Abwasser
  staut sich
  die Schuld“
  So benennt es der Dichter Cibulka.
Brauchen wirklich so viel wie wir heute verbrauchen und mit immer mehr Steigerung?
  Es ist doch alles da, um glücklich auf Erden zu sein. „Wir haben Bäume und Regen, Hoffnung und Träume … Tiere und alle Farben, ferne Länder und Fahrräder, wir haben Sonne und Schatten – wir sind reich“ Und Hundertwasser brachte es dann auf den Punkt wenn er mahnte: „Es wäre verantwortungslos, nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass Techniker, Wissenschaftler und Experten uns in eine Welt voller gigantischer Probleme führen, die sie selbst nicht mehr verstehen und auch nicht meistern können. Wir geraten in Abhängigkeiten von lebensgefährlichen, von Menschen erzeugten Übeln, die sich unserem Verständnis entziehen.“
  Brauchen wir wirklich eine Nachtbeleuchtung, so dass man das Leuchten der Sterne schon gar nicht mehr wahrnehmen kann? Lichtverschmutzung sagt man da.
  Stillt das den Hunger nach Leben?
  Nein, die Gier nach selbst gemachten Leben stillt Jesus nicht, wenn er sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Er ruft uns in den Raum der Liebe - schon heute. Sein Wesen durchwirkt alles und so können wir uns in seinen Machtbereich stellen in dieser Welt und für diese Welt.
  Wer sic darauf einlässt, dessen Hunger nach Leben wird gestillt.
  Wir sind zu einer Bescheidenheit gerufen, in der Größe steckt.
  Die ersten Christen trauten sich dieses Leben zu. Sie taten sich zusammen und teilten alles, was sie hatten. Darin lag große Sprengkraft für die Gesellschaft.
  Und immer wieder brachen Menschen auf und schufen Orte, wo Leben geteilt wurde und Gottes Liebe sichtbar gelebt.
  Ich denke an Franz von Assisi und Clara, die Menschen in Taize und all die vielen Gemeinden in unserer Welt, in denen Christen zusammenkommen, das Brot brechen und damit der Einladung Jesu folgen. Er will uns stärken und traut uns zu, seine Liebe in die Welt zu bringen. Das beginnt bei den Menschen neben uns, den Nächsten …
  Ich glaube, wir brauchen den, der vom Himmel kommt, damit er unseren Kreislauf der Unzufriedenheit und Maßlosigkeit durchbricht, damit die Satten die Hungernden sehen und sich vom Hunger nach Leben anstecken lassen.
Amen
Lied : EG: 420 Brich mit dem Hungrigen dein Brot
Perikope
07.08.2011
6,30