Predigt zu Josua 5, 13-15 von Anne-Christina Wegner
5,13
Als Josua in der Nähe von Jericho war, hob er seine Augen auf und wurde gewahr wurde, dass ein Mann ihm gegenüberstand und ein bloßes Schwert in seiner Hand hatte. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: „Gehörst du zu uns oder zu unsern Feinden?“
Er sprach: „Nein, sondern ich bin der Fürst über das Heer des HERRN und bin jetzt da.“ Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde nieder, betete an und sprach zu ihm: „Was sagt mein Herr seinem Knecht?“
Und der Fürst über das Heer des HERRN sprach zu Josua: „Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig.“ Und so tat Josua.
Liebe Gemeinde!
Ein neuer Lebensabschnitt, ein neues Schuljahr, eine neue Arbeit, eine neue Vorgesetzte – manche Dinge ändern wir und manche ändern sich. Wir planen und führen durch, wir gestalten unser Leben: „Mit 40 will ich ein eigenes Haus haben!“, sagte eine junge Frau zu mir. Dafür tut sie etwas. „Mit 50 will ich in leitender Stellung sein!“, sagt eine andere und dafür tut sie etwas. Ein Junge, 14 Jahre alt, der beschrieb mir seine Lebensplanung so: „Ich will einen Beruf lernen und ich will Familie haben – mindestens drei Kinder.“ Wir planen unsere Lebenswege.
Und wir glauben: Gott ist bei uns auf allen Wegen. So erfährt es Jakob im Traum. Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie Dich behüten auf allen Deinen Wegen – so sagen wir es bei der Taufe zu. Gott ist bei uns – wunderbar, wunderbar wichtig. Aber wie? Engel – ich sehe sie nicht. Visionäre Gottesträume – die kenne ich nur aus den Geschichten der Bibel. Also plane ich und lebe. Wir sind umsichtig und leistungsbereit. Und wir tragen im Herzen: Gott ist dabei. Wie?
Da gibt es die merkwürdige Geschichte von Josua. Der trägt Verantwortung für Gottes Leute. Mit der Verantwortung im Nacken geht er los: Vor ihm liegt Jericho, ein Koloss, den er bewältigen muss. Er plant, geht los, umsichtig erkundet er den Weg für sich und die Seinen. Ein toller Mensch! Verantwortungsbewusst, leistungsbereit, umsichtig. Wer erkennt sich da nicht wieder: Mit Verantwortung beladen, bereit, einen Weg trotz aller Hindernisse zu finden – es geht ja nicht nur um mich! Da ist die Familie, der Betrieb, der Verein … wir stellen uns unserer Verantwortung. Auch, wenn Hindernisse vor uns liegen. Und Gott ist dabei. Aber wie?
Josua merkt unvermittelt: Da ist ein Mann mit einem Schwert. Der ist wie Josua, der Mann der Tat. Josua erkennt ihn als seinesgleichen und redet ihn an: Freund oder Feind? Bringst Du mich weiter oder behinderst Du mich? Du am Schreibtisch mir gegenüber – bist Du Freund oder Feind? Du, Kollege, Nachbarin, Du: Bringst Du mich weiter oder behinderst Du mich? Gott ist dabei. Und wie: Weder so, noch so– ganz anders ist es gedacht! Weder Freund noch Feind, sagt der Schwertmann. Ich bin der Chef über die Heerscharen Gottes. Gewissermaßen die oberste Kraft Gottes. Josua sieht einen Mann, wie er selber einer ist. Und er begegnet Gottes Kraft. Gott ist dabei. Aber wie!
Nicht als Freund, nicht als Feind, als Macht, die mich von den Füßen holt und aus den Schuhen stößt. Und vor Augen habe ich nur etwas wie ich es auch bin: Einen Menschen, mir gleich. So ist Gott dabei. Josua erkennt Gottes Macht an, er fällt nieder und betet an. Er lässt sich einfach fallen, wo er geht und steht, dort, wo ihm bewusst wurde: Gott ist da. Auf allen Wegen ist Gott dabei. Wo wir nichts vor Augen haben als einen anderen Menschen. Die Sekretärin am Schreibtisch gegenüber, ist sie die Erinnerung an Gottes Gegenwart? Der Kollege, die Nachbarin, der Partner – sie lassen sich nicht einordnen als nützlich oder schädlich. Sie erinnern uns schlicht an Gottes Macht.
Gott stellt Josua einen Schwertmann in den Weg, nicht nützlich, nicht schädlich, einfach als Erinnerungszeichen für seine Gegenwart. Josua, ehe Du losrennst, ehe Du Pläne machst für die nächsten Schritte: Bete an! Komm zu Dir, öffne die Augen: Gott ist da. Aber wie? Was, mein Herr, ist jetzt Sache für mich? fragt Josua. Was ist zu tun, wenn Du mich durch jemanden an Dich erinnerst? Was willst Du mir damit sagen?
Was ich als Antwort erwarte, das weiß ich: Josua, fürchte Dich nicht, ich bin bei Dir! Halte meine Gebote. Oder: Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein! Oder verkündet Gottes Güte allem Volk! So sehen Gottes Antworten auf solche Fragen aus. Gebote halten, Güte verkünden, segnen statt zu fluchen, eben im Nächsten Gott erkennen. So steht es in der Bibel. Oft. Aber nicht hier.
Josua hört: „Zieh die Schuhe aus! Dieser Ort ist heilig.“ Josua zieht die Schuhe aus. Gott ist da – heilig ist der Moment, heilig der Ort, wenn Gott uns begegnet. Und weiter? Weiter ist ersteinmal Ruhe. Denn ohne Schuhe, da geht es nicht weiter. Ohne Schuhe geht niemand los, leistungsbereit hin oder her. Josua ohne Schuhe ist Josua in Ruhe. Heilige Ruhe, von Gott geschenkte und befohlene Ruhe. Halt an, wenn jemand Dich an Gottes Gegenwart erinnert: Durch den Schwertmann, die Sekretärin, den Nachbarn – halt an: Gott ist hier, hier ist ein heiliger Ort. Weil Gott da ist. „Was willst Du mir damit sagen? Ist das Dein Auftrag, Gott: „Schuhe aus! Halt an: heilige mich mit heiliger Pause!“? Soll ich das tun?“
Josua zieht die Schuhe aus. Heilig ist der Moment, heilig der Platz, an dem Gott mich erinnert: Gott ist da. Weiter nichts. Nichts, was sich verwerten lässt. Nur seine Gegenwart, die mich von den Füßen holt und aus den Schuhen stößt. Heilig ist der Moment, in dem mich die Sekretärin am Schreibtisch gegenüber, der Kollege, die Nachbarin an Gottes Gegenwart erinnert. Sie bringen mich nicht weiter, sie behindern mich nicht. Sie sind Zeichen, Boten für Gottes Gegenwart. Sie unterbrechen mein Planen und Vorankommen, sie bringen heilige Ruhe. Halte still, heilige Gott. Josua tut es. Und mehr nicht. Und weniger nicht. Mehr ist da nicht zu tun: Halte ein, heilige Gott, Dein Platz ist heilig. Alles andere folgt später. Amen.
Perikope