Über den Jordan... – Predigt zu Josua 3,5.11+17 von Jasper Burmester
Gnade sei mit uns und Friede, vom Gott, unserem Vater und von unserem Herrn Jesus Christus, Amen!
Liebe Gemeinde -
heute gehen wir über den Jordan.
Na, habe ich Sie und Euch erschreckt? Diese Redensart bedeutet ja; Hier wird gestorben, mindestens aber: Hier geht etwas unwiederbringlich kaputt. Beispiele gefällig? „Und die Firmen, die diesen Mist gesponsert haben, dürfen von mir aus bei der nächsten Pleitewelle auch gleich mit über den Jordan gehen.“
„Mir ist richtig viel Kohle überhaupt nicht wichtig, denn was nützt dir das ganze Geld, wenn du über den Jordan gehst?“
„Ach, die blöde Karre ist längst über den Jordan gegangen.“
Wahlweise geht, je nach Landschaft, einer auch über die Wupper oder über den Deister oder etwas geht den Bach runter.
Heute gehen wir über den Jordan. Echt jetzt. Wir schauen uns nämlich heute genau die Szene in der Geschichte Israels an, in der die im gelobten Land ankommen. Und dazu müssen sie über den Jordan. Es wird erzählt, die aus Ägypten befreiten israelitischen Sklaven seien nun nach vierzig Jahren der Wüstenwanderung nun endlich an der Grenze zum einst den Vorvätern versprochenen Landes angekommen, dem Land, in dem Milch und Honig fließen sollen, endlich. Mose, so wird erzählt, hat sie bis hierher geführt, betreten wird das Land nicht mehr, aber anschauen kann er es noch, bevor er stirbt. Josua heißt der neue Anführer des wandernden Gottesvolkes. Am Fluss, der die Grenze zwischen Wüste und bewohnbarem Land markiert, lässt Josua sie erst einmal rasten.
Dann aber ist es soweit. Es soll nun über den Jordan gehen. Der Jordan ist zu normalen Zeiten kein reißendes Gewässer, eher ein Flüsschen als ein Strom. Nur wenn im Libanon Gebirge, wo der Jordan seine Wasser her hat, der Schnee schmilzt, dann tritt er auch im weiteren Verlauf einmal über die Ufer. Um den Übergang etwas dramatischer erscheinen zu lassen, wird genau diese seltene Situation vorausgesetzt.
Und so erzählt es das Buch Josua im 3. Kapitel:
Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. Und zu den Priestern sprach er: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her.
Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein.
Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes!
Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: Siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan.
Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.
Liebe Gemeinde,
trockenen Fußes gelangen sie nun über den Jordan. Ein kurzer Weg ist das nur im Vergleich zu dem jahrelangen Weg, den sie hinter sich haben, ein letzter Schritt noch, um anzukommen. Und es erscheint wie ein Wunder: Als die Priester mit der Bundeslade mit den nackten Fußsohlen das Wasser berühren, vielleicht so wie wir mit den Zehenspitzen beim Schwimmengehen die Wassertemperatur testen, da staut sich das Wasser des Jordan viele Kilometer oberhalb, nach unten zum Toten Meer läuft es ab und siehe da: Ein Übergang ohne nasse Füße wird möglich. Alles sieht so ein wenig aus wie die undramatische Wiederholung des Schilfmeerwunders, als die Israeliten mit knapper Not den ägyptischen Verfolgern entkamen und deren Rosse und Reiter jämmerlich ertranken.
Wie auch immer dieser Übergang historisch stattgefunden haben mag: Dieser Übergang über den Jordan aus der Wüste ins verheißene Land gehört zu den Gründungserzählungen Israels, eine Erzählung die immer wieder nacherzählt und ausgeschmückt und überarbeitet wurde, was sich in unzähligen Brüchen, Doppelungen und Erzählfäden in den beiden Kapiteln des Buches Josua wiederfindet. Darum interessiert mich diese Frage auch nicht besonders. Spannend finde ich diese Geschichten vom Übergang über den Jordan als ein Beispiel für Übergänge, für Schwellen und Grenzüberschreitungen, die jede und jeder von uns in seinem Leben durchleben muss. Und nicht erst dann, wenn es für uns heißt: Sie oder er ist über den Jordan gegangen.
Damit Übergänge gelingen können, so wie das Volk hier gut rüber kam über ihren Jordan, gibt es in dieser Geschichte ein paar Gesichtspunkte, die auch uns in unseren Schwellensituationen, vor Schritten und an Grenzen helfen könnten.
Da ist einmal der Zeitpunkt. Wann ist es Zeit für den ersten, oder auch für den nächsten Schritt? Als die Israeliten nach dieser unendlichen mühsamen Wanderung durch Wüste und Gebirge endlich fast da sind, machen sie erst einmal Rast, sie schlagen ihre Zelte auf, warten ab. Der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt scheint noch nicht gekommen. Das kennen wir ja auch aus unserem Leben. Will ich meinen Job kündigen und mich beruflich noch einmal neu orientieren? Da zögern wir, halten inne, horchen in uns hinein. Soll ich meine Liebste fragen, ob sie mich heiraten will? Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen? Sollen wir es wagen, die Wohnung zu kaufen, auch wenn wir uns dabei bis zum Hals verschulden müssen? Wann ist es Zeit? Wir wissen alle aus unserem eigenen Leben Beispiele zu erzählen, dass es da beides gibt: Ein zu schnelles, spontanes Handeln, dessen nicht mitbedachte Folgen uns auf die Füße fallen. Und ein zu langes Zaudern, durch das uns Chancen und Aufbrüche davoneilen und wir hinterher schauen wie einer davonfahrenden U-Bahn. Die Bibel kennt zwei Bedeutungen von Zeit. Da ist einmal Chronos, die unbeirrt laufende Zeit, die Minute zu Minute, Stunde, Tag und Jahr dahinströmt. Und da ist der Kairos: Der eine richtige Zeitpunkt, an dem alles stimmt und der Schritt gegangen werden kann, Gottes Zeit. Das ist die Zeit, von der die Bibel spricht, wenn sie sagt: Ein jegliches hat seine Zeit und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. (Übrigens ist die Ausstellung in unserer Kirche eben diesem Thema gewidmet)
Da ist zum zweiten: Wo geht es hin? Habe ich eine Vision, eine Ahnung, einen Traum ein Ziel? Die Israeliten damals am Jordan hatten das seit Generationen, ein Land, in dem sie frei und unbedroht würden leben können. Diese Vision wurde im Grunde niemals Wirklichkeit, und das biblische Israel war – ebenso wie das gegenwärtige – immer Bedrohungen und Gefahren ausgesetzt von außen wie von innen. Aber ohne diesen Traum wäre das Volk schon damals, vor dem Schritt über den Jordan untergegangen. In persönlichem und kleineren Maßstab geht es aber auch um uns: Was ist der nächste Schritt in meinem Leben? Habe ich noch ein Ziel oder mehrere? Wovon träume ich und wonach sehne ich mich? Ich persönlich glaube, dass wir Menschen so etwas brauchen, solange wir leben, um uns lebendig zu fühlen. Welchen Fluss müssen wir dazu überqueren, welche Schwellen überschreiten, welche Grenzen ausprobieren? Und da gibt es eben auch den großen Unterschied zwischen den Übergängen, die wir selber in der Hand haben und die planbar auf uns zukommen, wie in meinem Fall der nahende Ruhestand und da gibt es die Zustände, in die wir vom Leben hineingeworfen werden, wie eine plötzliche schlimme Krankheit. Aber mit alledem können wir es im Leben zu tun bekommen. Ich weiß nur: Verdrängen, verleugnen und ausweichen ist der schlechteste Plan.
Und wenn es dann um den nächsten Schritt geht, ist da immer wieder zwischendrin: Der hemmende Konjunktiv. … eigentlich wollte ich doch, im Grunde müsste ich, vielleicht sollte ich mal. Wo ist das aus Lebenserfahrung heraus gebotene Vorsicht und wo ist es der berüchtigte innere Schweinehund, der mich hindert? Das unterscheiden zu können ist schon einmal hilfreich.
Da ist zum dritten: Wer begleitet mich? Wer zeigt mir den richtigen, den gangbaren Weg? Damals, als es über den Jordan ging, war es so: Josua, du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist: Siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan. Hier geht Gott nicht nur mit, er geht voran. Wir hören diese Botschaft am Ende der Weihnachtszeit. Wir haben den gefeiert, von dem wir glauben: Er ist für uns. Er ist für uns in diesem Kind in diese Welt gekommen und trägt den Namen Immanuel, Gott ist mit uns. Damals galt: Haltet euch vom Heiligsten fern, haltet 2000 Ellen Abstand. Das Heiligste hilft euch, rettet euch, stoppt das Wasser von Schilfmeer und Jordan, aber kommt ihm nicht zu nahe. Nach Weihnachten können wir ihn, den Herrn der Welt, berühren und uns von ihm berühren lassen. Welche Schwelle, Grenze oder welcher Übergang auch vor uns liegt; Wir gehen ihn nicht allein. Aber.
Da ist zum vierten: Kann ich vertrauen, darf ich vertrauen, will ich vertrauen? Darauf müssen wir alle unsere persönliche Antwort finden. Ich weiß Ihre und Eure Antwort nicht. Ich weiß nur für mich selber: Ich werde nicht aufhören, es zu versuchen. Amen
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Konfi-Impuls zu Josua 3, 5-11.17 – (1. Sonntag nach Epiphanias) von Gerlinde Feine
Josua 3 gehört zu den Texten, die durch die Perikopenrevision neu in die Liste der Predigttexte aufgenommen wurden, und dies gleich anstelle des Evangeliums (Mt 3, 13-17; Taufe Jesu), das im kommenden Jahr Predigttext sein wird. Ihm musste Mt 4, 12-17 (Beginn der öffentlichen Wirksamkeit Jesu; seither Reihe III) weichen. Die Geschichte vom Durchzug der Stämme Israels durch den Jordan wird hier Teil des Klangraums „Taufe“ und ist insofern klug gewählt, weil sie (anders als etwa die Naeman-Erzählung) nicht an das Bild vom Reinigungsbad anknüpft, sondern mit der Epistel (Röm 12,1-9) korrespondiert, wo es um Heiligung und Dienst geht.
Man muss nicht den Urtext bemühen, um die textkritischen Probleme zu bemerken. Der Konfirmandengruppe, die diesen Impuls mit vorbereitet hat, kam die Geschichte auch in neueren Übersetzungen im wahrsten Sinne des Wortes „komisch“ vor. Der Text sei „unlogisch“ und „kompliziert geschrieben“.
Auch die Figur des Josua war ihnen fremd. Bei einigen verschmolz er mit Jesus. Dass das Volk Israel nach der langen Zeit in der Wüste ja irgendwie noch ins Gelobte Land ziehen und dabei (wieder) ein Gewässer überqueren müsse, war selbst den Hochverbundenen mit langer Kinderkirchvergangenheit nicht bewusst. Die Parallele zur Exoduserzählung fiel niemandem auf, sie wussten aber, dass die Bundeslade die Steintafeln mit den 10 Geboten enthielt, die am Sinai in Empfang genommen worden waren. Das Wunder finden sie dennoch seltsam, weil sie mit der Heiligkeit, die die Lade umgab, nichts anfangen können. Außerdem fällt ihnen auf, dass nur Männer die Lade tragen (und auch sonst nur Männer handeln)
Bezüge zur Taufe ergeben sich durch:
- Das Wasser. Auch wenn die Menschen hier nicht nass werden.
- Das heilige Zeichen des Bundes mit Gott
- Der Übergang vom Alten zum Neuen
- Durchs Wasser ziehen, um ins Gelobte Land zu kommen
- Bewahrt und gerettet werden
- „groß sein“ bei Gott
- (sich) heiligen: innerlich und äußerlich der Nähe Gottes im eigenen Leben entsprechen
Für die Konfis ist die Geschichte ein Beispiel tiefen und unerschütterlichen Vertrauens, und zwar in beide Richtungen: Josua und die Seinen vertrauen Gott ganz und gar. Und Gott wiederum vertraut Josua, traut ihm die Führung zu und verspricht, ihn „groß“ zu machen
Folgerungen für den Gottesdienst:
- Den Predigttext nicht einfach verlesen (lassen), sondern noch einmal in verständlicher Weise nacherzählen, dabei Brüche und Anschlussfehler glätten und, wo nötig, Informationen zum Kontext geben
- Auf geschlechtergerechte Sprache achten
- Parallelen zum Exodus aufnehmen, z. B. durch eines der Erzähllieder, eine Schriftlesung oder eine Textcollage (auch denkbar mit anderen „Wasser“ oder Tauftexten)
- Tauferinnerung:
Mit langen, blauen Tüchern einen „Grenzfluss“ durch den Raum legen, der am Ende der Predigt überquert werden kann.
Auf der dem Altar abgewandten Seite könnten all die Dinge abgelegt werden, die nicht zum Neuen Leben passen (Zettelkörbchen, Stifte)
In der „Flussmitte“ erinnert ein Spiegel an die, die „die Lade tragen“ – also Menschen, die mir auf meinem Glaubensweg helfen (z. B. Paten, Eltern, Freund*innen, Lehrer*innen…).
Auf der „anderen Seite“ sollte es etwas Schönes geben (Blüte, Keks, Milch und Honig…)
Ideen zur Vorbereitung und Weiterarbeit:
- Themeneinheit „Bibel“ die Eigenheiten des Textes vermitteln, Motivik erklären, Hintergründe erkunden
- Themeneinheit „Gott“ bzw. „Gottesdienst“ über das Stichwort „heilig“ nachdenken: Was ist mir heilig? Wo erfahre ich Gott / erlebe heilige Orte? (vgl. Arbeitshilfe von Stefan Kammerer: „Thema ‚heilig‘? Oder: ‚Kann man Gott spüren?‘“, Bezug über rpi Karlsruhe: https://nanopdf.com/download/rpikarlsruhe-konfirmandenarbeit-ideen-fr-konfi-und_pdf)
- Themeneinheit „Taufe“: z. B. korrespondierend zu Röm 6,35 einspielen
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13.01.2019 - 1. So. nach Epiphanias
Schuhe aus, die Zukunft kommt! – Predigt zu Josua 5,13-15 von Nico Szameitat
Die Eltern sind sich sicher: Der eine Taufspruch soll es sein, der mit den Engeln. „Etwa Psalm 91?“ „Ja genau der: Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ „Mhm. Genau: Dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.“ „Nee, den Satz nicht mehr, das mit dem Stein muss nicht sein.“
Psalm 91 Vers 11 feiert seit einigen Jahren Hochkonjunktur als Taufspruch. Und auch immer mehr Jugendliche wählen diesen Vers als Konfirmationsspruch aus. Der Wunsch dahinter ist nachvollziehbar. An der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt wünschen sich Menschen den Schutz Gottes. Und weil man den sich so schlecht vorstellen kann, ist das Bild vom Schutzengel nahe liegend. Da passt jemand persönlich auf mich auf, lenkt meine Schritte und schubst, wenn es sein muss, mir sogar kleine Stolpersteine aus dem Weg.
Doch ist die Bibel nicht so romantisch. Mit Ausnahme des Engels Raphael im Buch Tobit ist der Bibel der Glaube an einen persönlichen Schutzengel fremd. Engel sind Boten Gottes. Sie überbringen eine Botschaft und die ist nicht immer weiß und flauschig.
Als Angela Merkel am Morgen des 25. September 2017 aufwacht, muss sie sich erst einmal orientieren. Ist sie jetzt noch Kanzlerin oder nicht? Die ersten Hochrechnungen gestern, und dann irgendwann das vorläufige Endergebnis – vieles wie erwartet, und dann doch einige Überraschungen. Bei der Elefantenrunde im Fernsehen war es dann bunt und teilweise wild zugegangen. Der Wahlkampf ging mal wieder nahtlos in die Koalitionswerbungen über. Anstrengend!
Sie schwingt die Beine aus dem Bett und tapst barfuß ins Bad. Und dann diese Begegnung heute Nacht… Oder war das nur ein Traum gewesen? Da stand, als sie nach Hause kam, in ihrem Vorgarten plötzlich ein Mann mit einem Schwert. Sie war einfach zu müde gewesen, um sich zu erschrecken. Sie hatte ihn einfach nur gefragt: „Soll das jetzt ein Scherz sein oder meinen Sie es Ernst?“ Und was antwortete der Kerl? „Nein!“ Als ob man auf eine Oder-Frage mit Ja oder Nein antworten könnte! „Was wollen Sie um Gottes willen?“ „Genau.“, hatte er geantwortet. Noch so eine bekloppte Antwort! Und dann kam er rüber mit seiner Forderung: „Ein Stopp. Eine Woche Pause nur, bevor Ihr weiter verhandelt.“ „Und wofür soll das gut sein?“ Da lachte der Mann. An seine Antwort kann sie sich nicht mehr erinnern.
Muss wohl doch ein Traum gewesen sein. Aber schön wäre es schon, denkt sie, als sie sich die Zähne putzt, jetzt eine Woche Urlaub. Einfach weg. Auf die Insel oder so. Und wo sind eigentlich meine Pantoffeln?
Das Volk Israel hat es geschafft: Endlich! Nach ewigen Zeiten, die die Israeliten durch die Wüste gelaufen waren, sind sie nun endlich im versprochenen Land angekommen.
Gott hatte ihnen dieses Land versprochen, damals, als er sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit hatte. Mose war vorausgegangen und hatte sie zum Berg Sinai geführt. Da war ihnen auch noch ein Engel als Navigator versprochen worden: „Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.“ (Ex 23,20) Doch dann passierte die Sache mit dem Goldenen Kalb und es schien, als hätte Gott es sich anders überlegt: „Na gut, dann sollen sie mal sehen, wie sie alleine klar kommen.“
Tja, kein Engel, kein Kompass. Stattdessen jahrzehntelange Wanderung durch die Wüste. Kurz vor Ende der Reise starb Mose. Sein Nachfolger Josua führte das Volk nun das letzte Stück durch den Jordan hindurch in das verheißene Land. Und die Geschichte will es so, dass inzwischen nicht nur Mose, sondern die gesamte Generation, die damals aus Ägypten geflohen war, gestorben ist. Alle, die nun das neue Land betreten, kennen das alte Sklavenland nur vom Hörensagen. Es ist wirklich ein vollkommener Neuanfang!
Kaum im neuen Land angekommen, setzt Josua die alten Bräuche wieder in Kraft, die in der Wüstenzeit geruht hatten. Als Zeichen des Bundes werden alle Männer beschnitten. Danach ein paar Tage Erholung. Als Zeichen der Gemeinschaft feiert dann das ganze Volk erstmals wieder ein großes Passamahl. Und als Zeichen des Angekommen-Seins hört auch das Manna auf, das als ewige Zwischenmahlzeit vom Himmel fiel. Jetzt gilt es, sich von den Früchten des Landes zu ernähren.
Frisch gestärkt könnten die Israeliten nun mit Trompeten und Posaunen gen Jericho ziehen – und das tun sie ja auch drei Verse später – wäre da nicht diese kleine Episode.
(Lesung von Jos 3,13-15 an dieser Stelle, falls nicht bereits vorher im Gottesdienst geschehen)
Kurz und rätselhaft ist die Begegnung: Der Engel mit dem Schwert wie bei Bileams Eselin; der Befehl, die Sandale auszuziehen, wie am brennenden Dornbusch – ein Traum, in dem alles zusammenkommt.
Der Engelfürst, der vor Josua steht, ist keine sanfte Traumgestalt im weißen Gewand mit großen Flügeln, sondern ein Krieger mit einem Schwert. Nicht gerade das, was sich Taufeltern unter einem Engel vorstellen.
Und dieser Engelfürst rückt Josua erst einmal den Kopf zurecht. Auf die Frage, ob er Freund oder Feind sei, antwortet der Engel schlicht: „Nein“. Und mit diesem einen Wort macht er nicht nur deutlich, dass er weder Freund noch Feind ist, sondern dass die ganze Fragestellung unsinnig ist. Warum denkst Du, Josua, immer noch in diesen Kategorien aus der Wüstenzeit? Freund oder Feind? Koalition oder Opposition? Es gibt mehr als Falsch und Richtig, als Schwarz und Weiß. Und was es nun im neuen Land braucht, ist ein konstruktives und buntes Miteinander und kein Denken in alten Feindmustern.
Der Engel lässt es aber nicht bei dem Nein, sondern er offenbart sich: „Ich bin der Fürst über das Heer des Herrn. Und ich bin jetzt gekommen.“ „Na endlich“, denkt Josua, „hat ja auch ein paar Jahrzehnte gedauert. Endlich einmal göttliches Geleit.“ Und dann übermannt ihn doch die Ehrfurcht: Er wirft sich nieder, betet und fragt, was er nun tun soll. „Zieh die Sandale von den Füßen, denn die Stätte, worauf du stehst, ist heiliges Land.“ „Nur eine Sandale?“, denkt sich Josua. „Und was ist mit der anderen? Und welche nun, die rechte oder linke? Und was für eine geheimnisvolle Kultstätte habe ich hier unbewusst betreten? Ist das noch irgendwas von Abraham?“ Der Engelfürst seufzt deutlich vernehmbar. „Also, Rhetorik musst du noch lernen. Die eine Sandale steht für alle Sandalen Deines Volkes, ja für alle Sandalen der Welt. Und es geht auch nicht um diesen einen Quadratmeter hier, sondern um das ganze Land, das Ihr betretet, um Eure Zukunft. Oder um es kurz zu fassen:
Schuhe aus, die Zukunft kommt!“
Strandspaziergang im Frühherbst. Die Wolken ziehen kräftig vorbei und lassen ab und an Lücken für die Sonne, die dann meinen Rücken wärmt. Ich schmecke das Salz in der Luft und rieche den Tang der Nordsee. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus und kremple die Hosenbeine hoch. Barfuß an der Wasserkante entlang. Auf dem Wattboden federn die Füße, sinken nur manchmal leicht ein. Ein Schritt nach links und die kleinen Wellen umspielen meine Knöchel. Ein Schritt nach rechts und ich spüre den Sand und die Muschelscherben zwischen meinen Zehen. Vielleicht komme ich langsamer voran als in Schuhen. Aber wer will überhaupt schnell sein, wenn er barfuß geht? Barfuß spüre ich viel mehr von diesem Ort, von meinem Weg mit der Sonne im Rücken.
Am Morgen des 25. September 2017 hat Angela Merkel sich spontan eine Stunde mehr Zeit zuhause genommen, um mit ihrem Mann in Ruhe zu frühstücken. Auf die eine Stunde kommt’s heute auch nicht drauf an. Da klingelt es an der Tür. Seufzend stellt sie das Frühstücksei zur Seite und geht durch den Flur. Noch bevor sie die Haustür öffnet, hört sie eine vertraute Stimme: „Und finden Sie gefälligst heraus, wo meine richtigen Schuhe geblieben sind!“ Sie öffnet die Tür: „Herr Schulz! Was machen Sie denn hier?“ Er sieht ein wenig zerknirscht oder verwirrt aus, wie er da so auf der Stufe vor ihr steht. „Guten Morgen, Frau Merkel. Sie müssen wissen, heute Nacht, also da hatte ich so einen Traum, ein Mann, der vor mir, also ich glaube, dass es ein Traum war, aber das tut auch nichts zur Sache, und die letzten Wochen waren doch sehr anstrengend, also für uns beide, und was denken Sie, wenn wir mit den weiteren Verhandlungen einfach, also ich meine das nur als Vorschlag, noch ein wenig, vielleicht nur eine Woche…“ „Eine Woche Pause?“ fragt sie grinsend. „Äh, ja… Woher wissen Sie?“ „Kommen Sie erst einmal rein. Ich glaube, es ist noch Tee da. Ein Frühstücksei?“ Selten sah sein Chauffeur Martin Schulz so verwirrt.
Ach, ihr Menschen,
wenn Ihr an der Schwelle steht,
zu einer neuen Zeit,
zu einem neuen Land,
dann rennt nicht gleich los.
Das sind hier keine Bundesjugendspiele,
kein „Auf die Plätze-Fertig-Los!“
Haltet inne, macht eine Pause,
bevor euch noch der Schwert-Schlag trifft.
Zieht die Sportschuhe wieder aus.
Geht achtsam, geht heiter,
geht barfuß.
Spürt unter euren Füßen das Land – es trägt.
Spürt über euren Häuptern den Himmel – er trägt.
Vertraut den neuen Wegen.
Gott ist mit euch.
Sein Engel geleitet euch.
Amen.
Liedvorschläge:
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EG 322,1-6 „Nun danket all und bringet Ehr“
EG 395 „Vertraut den neuen Wegen“
EG 437 „Die helle Sonn leucht‘ jetzt herfür“
freiTöne 145 „Die Seele wird frei“
freiTöne 194 „Go Gently, Go Lightly“ („Geht achtsam, geht heiter“)