Predigt zu Kolosser 1, 24-27 von Andreas Schwarz
1,24

Predigt zu Kolosser 1, 24-27 von Andreas Schwarz

24       Nun freue ich mich in den Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt, für seinen Leib, das ist die Gemeinde.
  25       Ihr Diener bin ich geworden durch das Amt, das Gott mir gegeben hat,    dass ich euch sein Wort reichlich predigen soll,
  26       nämlich das Geheimnis, das verborgen war seit ewigen Zeiten und         Geschlechtern, nun aber ist es offenbart seinen Heiligen,
  27       denen Gott kundtun wollte, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.           
Von unserm Herrn Jesus Christus geliebte Gemeinde;
du tust gut daran, dich am heutigen Tag noch einmal unter den Tannenbaum in unserer Kirche zu setzen. Du sitzt damit auch unter dem Baum dieses Gotteswortes. Dem Apostel ist es ein wichtiger und wertvoller Baum des Lebens und der Erkenntnis. Schaut man sich Anfang und Ende an, fühlt man sich wohl und gern eingeladen hier zu sitzen im Licht und Schatten des Baumes. Redet doch der Apostel am Anfang von der Freude und am Ende von der Herrlichkeit. Da wird es noch einmal ganz und gar weihnachtlich und ist es auch. Zu bedauern sind die jungen Menschen, die bei einer Umfrage in einer Tageszeitung auf die Frage, wann denn die Weihnachtszeit zu Ende sei, geantwortet haben, nach dem 26.12.; oder spätestens zum Jahreswechsel. Viele Christbäume waren aus den Wohnungen verschwunden, da fing Weihnachten gerade erst an.
Damit beraubt man sich der Freude, die weit mehr Spannkraft und Ausdauer hat, als nur zwei, drei Tage oder auch sieben. Da bleibt man an der Oberfläche der Freude und kommt nicht bis zur Herrlichkeit.
'... und wir sahen seine Herrlichkeit'.
Die sieht man nicht im Vorbeigehen und einmal schnell hinschauen. Ich wiederhole mich darum gern: es ist gut, dass du heute auch noch einmal hier bist, um unter dem Christbaum noch immer Weihnachten zu feiern. Es ist heute ein schöner und herrlicher Feiertag der Erscheinung unseres Gottes und Herrn, genannt Epiphanias. Es ist dieser Tag ein Festtag zwei Wochen nach Weihnachten, Farbe im grauen Alltag, der sehr bald für Lehrer und Schüler und viele Arbeitende wieder beginnt, Licht inmitten von Dunkelheit, Freude inmitten von Leid.
Aber wenn wir nicht an der Oberfläche bleiben, sondern in die Tiefe des Textes schauen wollen, erkennen wir, dass nicht nur von Freude und Herrlichkeit die Rede ist. Es wäre auch nicht redlich und träfe sich mit unserem Leben nicht, wenn es so wäre. Erkenntnis des Lebens weißmehr als alle Tage Sonnenschein und alles ist dem Christen immer nur gut und leicht zu verstehen.
Nein, es ist schon wie im Märchen von Aschenputtel gerade am Anfang, eben anders, traurig, aussichtslos.
  Ruckedigu, viel Blut ist im Schuh.
Anders gesagt: wie mit einem alten und wertvollen Gemälde; da hat sich eine Menge Staub abgelegt, vom Bild ist nicht mehr viel zu sehen. Wir müssen uns Zeit nehmen, den Staub wegzuwischen, die Farben des Gemäldes entdecken zu dürfen. Dann stellen wir auch fest, dass in unserem Schuh gar kein Blut ist, sondern dass wir ganz neu eingekleidet werden, festlich und schön mit Erkenntnis in Hülle und Fülle, um das Fest des Lebens wirklich und ehrlich mitzufeiern.
Da ist vom Leiden noch die Rede nach Weihnachten, oder gerade nach Weihnachten; wenn die kunstvoll und künstlich aufgebaute gute, liebevolle Stimmung mit der Dekoration, den Zweigen und Kerzen aus Wohnungen und Herzen verschwindet. Dann schaut uns das Leben wieder nüchtern und klar an und das Leiden wird nicht mehr beiseite geschoben oder mit Spenden beschwichtigt. Vieles lässt sich auch gar nicht beiseite schieben, wird vielleicht rund um die Weihnachtszeit nur als noch schlimmer empfunden. Es ist nicht alles gut mit der Geburt des kleinen Kindes im Stall von Bethlehem; wir wissen von dem Leid, das schon sehr schnell auf ihn und seine Familie zukam. Es ist nicht alles vorbei mit seinem Leiden und Sterben am Kreuz von Golgatha und auch nicht damit, dass er am Ostermorgen auferstand. Die Gemeinde erlebt sehr schnell, wie das Leiden Jesu Christi weitergeht in den Christen auf der Erde. Wir müssen gar nicht an Verfolgungen denken,- und wissen doch von schwersten Glaubensbedingungen in Ägypten oder Nigeria; auch nicht an die Märtyrer und nehmen doch ums Weihnachtsfest herum wahr, wie viele Menschen das Leben verloren, weil sie Christen sind. Wir denken daran, wie das Evangelium von Jesus Christus gesagt und gehört aber nicht geglaubt wird; wie Menschen, die sich zu Christus bekennen, missverstanden werden, wie es zu Kopfschütteln und Entzweiungen kommt in Familien und Freundschaften. Menschen leiden darunter, wie die Kirche und die Botschaft der Heiligen Schrift in Verruf geraten, belächelt und beiseite gelegt werden, wie es modern ist, sein Leben bewusst ohne Gott und sein Wort zu gestalten.
Das alles ist heutige Erfahrung; und zwar eine solche, die Menschen leiden lässt. Es ist tatsächlich das Leiden Jesu, das weitergeht. Denn er leidet, wenn Menschen ihn nicht verstehen, ihn ablehnen; er leidet, wenn Menschen darunter leiden, dass so wenig zu sehen ist von der Herrlichkeit der Hoffnung, vielmehr vom Klagen und Stöhnen: wir kommen an unsre Grenzen, es wird alles zu viel, wir können nicht mehr, wofür eigentlich.
Und auch darunter leiden wieder andere, dass so viel gestöhnt und so wenig gedankt und gelobt und freudig gedient wird. Nein, es ist wahrlich nicht zu Ende mit den Leiden Christi; in denen, die in der Gemeinde leben, wirkt es weiter. Aber das ist ein lebendiges Leiden, denn es lebt im Dienst der Gemeinde und der Verkündigung des Evangeliums.
Wer so leidet, der betet und bittet und fleht und gibt Zeugnis von dem, was er hofft und nicht sieht und leistet einen fast verzweifelten Beitrag zur Ausbreitung des Evangeliums.
So geht es dem Apostel mit seinem eigenen Leben; er selbst musste ja leiden, um zu erkennen, in wessen Hand sein Leben verborgen lag; blind musste er werden und hilfsbedürftig, um den Weg zu erkennen, den er nie gehen wollte, aber dann gehen musste. Und dann tat er es gerne; und wie er hier schreibt, leidet er gern, denn er tut es für seine Gemeinde, für das Evangelium, das glaubwürdig von ihm gesagt und gelebt wird. Er leidet unter seiner Gemeinde, weil sie in ständiger Gefahr steht, von Irrlehrern verführt zu werden; er leidet mit ihr, weil er weiß, wie schnell Menschen nach irgendeinem Strohhalm greifen, wenn sie ihr Leben nicht mehr verstehen; er leidet für sie, weil er wegen seiner Verkündigung für die Gemeinde auch den Gang ins Gefängnis nicht scheut. In all dem geht er seinem Herrn nach; so hat auch Christus gelitten; und wer immer ihm nachfolgt, erlebt, wie das Leiden weitergeht in seiner Kirche und Gemeinde. Dass das so ist, hat auch etwas Geheimnisvolles. Es liegt nicht auf der Hand; immer schon war es Menschen verborgen, warum die, die Gott vertrauen, leiden. Es ist ein Geheimnis, das viele Menschen abschreckt und abstößt -verständlicherweise.
Es war auch immer verborgen. Jetzt ist es ans Licht gekommen: Weihnachten macht es deutlich: Gott selbst ist es, der leidet. Er wählt den Weg des Leidens, um dicht an seinen Menschen zu bleiben, damit sie nicht allein sind in ihrem Leiden. Nein, mit Paulus müssen wir es noch deutlicher sagen: Gott ist nicht nur dicht bei uns, in unserer Nähe, mit uns solidarisch, sondern Christus ist in uns. Da ist überhaupt gar keine Distanz mehr. Das heißt eben konkret, dass er immer dabei ist, gerade in den Dingen, die uns belasten, die wir nicht verstehen.
Was ist das für ein Trost, wenn wir hören: immer wieder kommt Christus zu uns mit seinem Leib und seinem Blut in Brot und Wein, er nimmt in uns Platz. Dann geht er mit, wenn wir nachhause gehen; geht mit in unsere Ehe- und Familien­probleme; in unsere Sorgen um Kinder und Enkel, im Beruf, im Geschäft; in den Frust der Schule, in die Angst um die Gesundheit, in die Sorgen um unsere Finanzen. Er leidet das mit uns durch; er löst es nicht einfach auf, sondern geht und leidet mit - das macht es manchmal noch schwieriger, schafft neue Trübsal, aber er ist in uns.
Das schließt den Kreis zum Anfang, als von Freude und Herrlichkeit die Rede war, angezündet an Weihnachten; wir sitzen unter dem Baum, feiern immer noch und immer tiefer, sodass unser ganzes Leben mit hinein genommen wird. Das Blut im Schuh ist seines; er hat es vergossen, um in uns zu wohnen.
Das schenkt die neue und bleibende Herrlichkeit. Hoffnung ist weit mehr als eine innere Flucht, mehr als eine Idee und auch mehr als eine Sehnsucht.
Hoffnung ist, dass Jesus Christus in uns wohnt, als die lebendige Hoffnung in uns, den Heiden, die seine Erscheinung feiern, fröhlich, erfüllt und voller Anbetung wie die Weisen. Amen.